Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Sonderweg für Dessau?
Zum Erhalt aller Sparten des Traditionsstandortes Dessau soll im Anhaltischen Theater nichts unversucht bleiben. Für das Anhaltische Theater Dessau wird zurzeit ein letzter Versuch zur Rettung aller produzierenden Sparten inklusive Schauspiel und Ballett unternommen. Das Land Sachsen-Anhalt hatte, wie bereits berichtet, die Zuwendungen für das Theater um Millionenbeträge gekürzt und zur Auflage gemacht, dass nachhaltige Strukturveränderungen erfolgen, die unter anderem den Abbau des Schauspiels und des Balletts vorsehen.
Anhaltisches Theater Dessau. Foto: Claudia Heysel
Nachdem auch eine Initiative der Beschäftigten, die mit einer Fortführung des bisher bestehenden Haustarifvertrages die Sicherung der Sparten anstrebten, am Veto des Landes gescheitert war, verhandelt nun die Leitung des Hauses mit den verschiedenen Interessenvertretungen darüber, auf anderem Wege eine Lösung zum Erhalt der Sparten zu finden. Zurzeit wird diesbezüglich ein Teilzeitmodell für alle Mitarbeiter diskutiert, das die nötigen Einsparungen erbringen soll.
Die Idee ist, gemeinsam mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket, das unter anderem einen weiteren sozialverträglichen Stellenabbau vorsieht, weitere Einsparungen durch die generelle zeitweise Absenkung der regulären Arbeitszeit und damit der entsprechenden Vergütungen zu erreichen. Eine solche Lösung ist nur möglich, wenn der Einzelne dem auch zustimmt. Im Vorfeld war eine unverbindliche Erhebung durchgeführt worden, die die Bereitschaft der Beschäftigten abgefragt hatte, einen solchen Weg mitzugehen, und über 95 Prozent Zustimmung erreichen konnte. Natürlich sind die betroffenen Beschäftigten in enger Abstimmung mit ihren jeweiligen Gewerkschaften über die Ausgestaltung der diesbezüglich konkret zu treffenden Vereinbarungen.
Der schwierige Spagat hierbei ist, einerseits der Forderung des Landes nach einer nachhaltigen und langfristigen Lösung nachzukommen, und andererseits als Gegenleistung den unbedingten Erhalt aller Sparten zu gewährleisten. Insofern müssen die jeweiligen individuell abzuschließenden Vereinbarungen auch unter diesen Vorbehalt gestellt sein.
Festzuhalten bleibt, dass eine solche Lösung einzigartigen Charakter hat und der besonderen Situation des Hauses Dessau geschuldet ist: zum Erhalt der Sparten Schauspiel und Ballett, deren Abwicklung bereits beschlossen war. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass ein Haus von der Größe des Anhaltischen Theaters ohne einen funktionierenden Mehrspartenbetrieb über das Musiktheater hinaus auch schnell Gefahr liefe, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden und am Ende seine Existenzberechtigung im Gesamten zu verlieren. Dieses Kostrukt kann in keinem Falle auch für andere Standorte in Betracht kommen.
Weitere Agonie beim SNE Bautzen
Nachdem am Sorbischen Nationalensemble in Bautzen zwischenzeitlich die Frage der künftigen Ensemble-Leitung entschieden und (sehr zum Leidwesen der Mitarbeiter) die bisherige Intendantin im Amt bestätigt worden ist, sind am 17. März die ins Stocken geratenen Verhandlungen über einen möglichen HTV wieder aufgenommen worden. Die Stiftung für das sorbische Volk und die Theaterleitung haben nun einen neuen Weg vorgeschlagen, der mit einer Laufzeit von zwei Jahren und einem geringeren Verzicht auskommen soll, dafür jedoch künftige Tarifsteigerungen ausschließen will. Gegenüber den bisherigen Angeboten stellt dies jedoch insgesamt keine Verbesserung dar.
Problematisch war insbesondere, dass die diesem Vorschlag entsprechenden im Termin vorgelegten Personalkostenberechnungen von unterschiedlichen und nach näherer Betrachtung nicht ganz aktuellen Voraussetzungen ausgingen, so dass die Theaterleitung die vorgelegten Zahlen noch einmal überprüfen und korrigieren muss, damit eine nachvollziehbare Grundlage für die weiteren Verhandlungen über mögliche Verzichtsmodelle dargestellt werden kann.
Eine echte Verhandlung war insofern nicht möglich, so dass noch nicht eingeschätzt werden kann, welches Modell für einen HTV sinnvoller Weise weiter verfolgt werden kann. Problematisch ist, dass die Zeit drängt: der Stiftungsrat droht, dass, wenn keine Einigung erzielt werde, die Insolvenz schon im Mai angemeldet werden müsse. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt... Die Fortsetzung soll am 09.04. 2014 stattfinden.
Theater Hagen – Rettung durch Outsourcing?
Das Theater Hagen hat eine lange Leidensgeschichte: Mehr als 20 Prozent seines Personals und mehr als 2 Millionen Euro pro Jahr und 1 Million Euro einmalig sind in der Vergangenheit schon eingespart worden. Immer wieder hieß es, der jeweils letzte Einschnitt sei wirklich der letzte. Schon lange hat die Beratungsgesellschaft ACTORI dem Theater bescheinigt, es sei an der Grenze der Kostenoptimierung angekommen. Nun sollen nochmals 1,2 Millionen Euro eingespart werden – durch eine Umwandlung des städtischen Eigenbetriebs in eine gGmbH zum 1. August 2014. Intendant Norbert Hilchenbach, der diesen Schritt schon lange gefordert hat, ist zuversichtlich, das Einsparziel zu erreichen. In der Diskussion steht derzeit der Entwurf eines Personalüberleitungsvertrages. In diesem scheinen die Beschäftigten bei erstem Hinsehen recht gut abgesichert zu sein – die üblichen Regelungen zum Beibehalt der Tarifbindung und zum Rückkehrrecht zur Stadt im Falle der Insolvenz entsprechen weitgehend den üblichen Standards. Eine böse Überraschung bietet jedoch die Präambel. Dort heißt es: „Die Gesellschaft wird die in diesem Vertrag vereinbarten Rechte der Beschäftigten nicht einseitig ändern.“ Das klingt gut, bedeutet aber nichts anderes, als dass Stadt und Gesellschaft gemeinsam diese Rechte jederzeit beseitigen können – ein solcher Vertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Die VdO fordert daher, an den Beratungen über den Vertrag beteiligt zu werden und diese Klausel nebst einigen weiteren Details zu korrigieren. Bislang weigern sich Stadt und Theater jedoch, die Gewerkschaften in den Prozess einzubeziehen.
Doch das ist nicht alles: Mittlerweile hat der Rat der Stadt – wohl auch unter dem Druck des Regierungspräsidenten – beschlossen, die Mittel für das Theater ab 2018 um weitere 1,5 Millionen Euro zu kürzen. Das wäre dann wohl das Aus; die Mittel aus dem Theaterpakt NRW, die eigentlich gerade dem Erhalt der Theater in finanziell bedrängten Kommunen wie Wuppertal und Hagen dienen sollten, entfielen ebenso wie die mittelbaren Einnahmen, die der Stadt durch den von der Wirtschaft ausdrücklich bejahten Standortfaktor Theater einschließlich der Theaterbesuche aus dem Umland entstehen. Im Gegenzug sind Kosten für die Abwicklung des Theaters in Millionenhöhe zu gewärtigen – mehr Kurzsichtigkeit und Verantwortungslosigkeit im Umgang mit öffentlichen Geldern ist kaum denkbar.
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