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Gesundheit

Gesundheitsförderung für Musiker

Prävention bei Orchestermusikern als Modellprojekt

Nicht nur Balletttänzer, auch die Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters sind mit der Praxis Pöhlmann & Götz eng verbunden. Ein Bericht von Stefan Götz und Tino Pöhlmann über ein Modell, das Schule machen könnte, nicht nur für Orchestermusiker, sondern auch für Sänger.

Osteopathin bei der Untersuchung des Musikers am Instrument; Überprüfung der Beckenposition

Osteopathin bei der Untersuchung des Musikers am Instrument; Überprüfung der Beckenposition

Laut der bisher weltweit größten Studie über Orchestermusiker, „Älter werden im Orchester“, durchgeführt im Jahr 2012 von Heiner Gembris, klagt jeder zweite Musiker über körperliche Beschwerden. 30 Prozent der Orchestermusiker müssen aufgrund ihrer gesundheitlichen Beschwerden vor Erreichen des regulären Rentenalters aus dem aktiven Dienst ausscheiden. Im Durchschnitt befinden sich 10 Prozent der Musiker auf Grund berufsbedingter Überlastungen im Bewegungsapparat im Krankenstand. 77 Prozent der Musiker wünschen sich gesundheitsfördernde Maßnahmen wie zum Beispiel Physiotherapie.

Der Orchestervorstand des Bayerischen Staatsorchesters erkannte den Handlungsbedarf bereits im Juni 2012 und beauftragte die Praxisgemeinschaft für Osteopathie und Physiotherapie Pöhlmann & Götz in München mit einem Screening der Orches-termusiker. Zielsetzung der Studie war es zu klären, ob und in welchem Umfang tatsächlich Präventions- und Behandlungsbedarf für die Musiker besteht. Die Teilnahme war den Orchestermitgliedern freigestellt. Im Unterschied zu anderen Studien wurden in der vorliegenden Untersuchungsreihe die Musiker auch während des Musizierens an ihrem eigenen Instrument untersucht.

Methodik und Vorgehen

Anhand eines Katalogs von 250 Fragen und Untersuchungspunkten wurden für folgende
Teilbereiche individuelle Untersuchungsprotokolle erarbeitet:

  • Allgemeine Anamnese
  • Fragen zur Ernährung
  • Passive Untersuchung des Bewegungsapparates und Organbereichs
  • Aktive, funktionelle Untersuchung des Bewegungsapparates (FMS)
  • Instrumentenspezifische Untersuchung des Bewegungsapparates
  • Auswertung und Therapievorschläge

Für jeden Screening-Termin wurde ein Zeitrahmen von 90 Minuten festgelegt. Ein Zweierteam, bestehend aus einem Physiotherapeuten und einem Osteopathen aus der Praxisgemeinschaft, führte die Befragung und Untersuchung durch. Bei der Untersuchung am Instrument wurden Sitzposition, Körperhaltung, Arm- und Beinachsen sowie auffällige Muskelspannungen des gesamten Körpers überprüft.

Am Ende des Screening-Termins wurden den Musikern alle medizinisch relevanten Befunde erläutert und mögliche Therapieansätze aufgezeigt. Bei abklärungsbedürftigen Befunden, die außerhalb des Fachgebiets der Physiotherapie und Osteopathie lagen, wurden die Musiker an einen Spezialisten des jeweiligen medizinischen Fachgebiets, zum Beispiel Orthopäde, Augenarzt, Ernährungsberater oder Psychologe, verwiesen.

Zeitspanne und Teilnehmer

Die Kernstudie wurde in der Zeit von Juni 2012 bis Januar 2014 durchgeführt; Musiker können sich aber auch aktuell noch untersuchen lassen; die Studienergebnisse werden nach jedem weiteren Screening entsprechend aktualisiert. 60 der 126 Musiker des Bayerischen Staatsorchesters nahmen an der Studie teil. Zum Zeitpunkt der Untersuchung waren alle Musiker voll arbeitsfähig. Die Teilnehmer waren zwischen 24 und 63 Jahre alt, bei einem Durchschnittsalter von 44 Jahren. 29 der Musiker lagen unter dem Durchschnittsalter, 31 Musiker darüber. Die Geschlechterverteilung lag bei 29 Frauen zu 31 Männern.

Einfluss des Alters

50 der 60 untersuchten Musiker gaben in der allgemeinen Anamnese aktuelle gesundheitliche Probleme an. Bei 30 Musikern treten beim Spielen Probleme im Bewegungsapparat auf; bei 21 der Musiker sind die Probleme im Bewegungsapparat so erheblich (zum Beispiel Schmerzen und Verkrampfungen in bestimmten Muskelgruppen), dass diese sogar negativen Einfluss auf die künstlerische Leistung nehmen.

Die über 44-jährigen Musiker gaben deutlich mehr Beschwerden während des Spielens an als die Jüngeren. Die Anzahl der Musiker, bei denen die Beschwerden Einfluss auf das Musizieren nehmen, ist bei den Älteren ebenfalls deutlich höher. Somit lässt sich eine Korrelation zwischen dem Alter der Musiker und deren körperlichen Beschwerden als auch dem Einfluss auf das Musizieren feststellen.

Die häufigsten Probleme im Bewegungsapparat finden sich in der gesamten Wirbelsäule. Die Brustwirbelsäule nimmt hier mit 20 Prozent eine Spitzenposition ein, dicht gefolgt von der Lendenwirbelsäule (19 Prozent) und der Halswirbelsäule (17 Prozent). Auch die Extremitäten Schulter (18 Prozent) und Füße (12 Prozent) stellen weitere zu beachtende Problemfelder dar. Es fanden sich weitere instrumenten- oder instrumentengruppenspezifische Probleme.

Schlussfolgerung

Die der Studie zugrunde liegende Fragestellung, ob ein Präventions- und Behandlungsbedarf für die Musiker des Bayerischen Staatsorchesters besteht, konnte eindeutig mit Ja beantwortet werden. Die Angaben der Musiker konnten durch alle im Screening durchgeführten Untersuchungen bestätigt werden.

Im Februar 2013 stellten Tino Pöhlmann und Stefan Götz die Ergebnisse des Screenings dem Orchestervorstand vor. Im Nachgang dazu arbeitete man einen Präventionsvertrag zwischen dem Bayerischen Staatsorchester und der Praxisgemeinschaft Pöhlmann & Götz aus, der im Oktober 2013 geschlossen wurde. Seitdem können die Orchestermusiker bei akuten Beschwerden behandelt und rehabilitiert beziehungsweise präventiv behandelt werden. Darüber hinaus verfügt die Praxisgemeinschaft über ein belastbares Netzwerk an Fachmedizinern, das im Bedarfsfall auch kurzfristig und in enger Abstimmung für eine Diagnostik herangezogen werden kann. Dadurch kann der Therapieverlauf sehr viel effizienter gestaltet und ein Therapieerfolg deutlich schneller erreicht werden.

Stefan Götz, Tino Pöhlmann, Marc Geifes

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