Konfliktlösung und Feuerwehr
Jutta Sirotek über ihre Konfliktsprechstunde an der Bayerischen Staatsoper
Seit sieben Jahren bietet Jutta Sirotek an der Bayerischen Staatsoper eine Konflikt-Sprechstunde an. Zu einer festen Zeit können sich Mitarbeiter des Hauses an sie wenden, wenn sie im Haus einen Konflikt mit anderen haben. Barbara Haack sprach mit der ausgebildeten Mediatorin über ihre Erfahrungen.
Oper & Tanz: Wie kam es, dass Sie Mediatorin wurden?
Jutta Sirotek. Foto: Anja Walz
Jutta Sirotek: Ursprünglich bin ich ausgebildete Lehrerin, wurde dann aufgrund einer schulpolitischen Entscheidung arbeitslos. Nach der Familienplanung hat mich das Arbeitsamt auf die Fährte Mediation gesetzt. Ich habe die Grund- und Aufbauausbildungen in Poing gemacht, außerdem eine Zusatzausbildung zur Familienmediatorin absolviert, dann noch eine Zusatzausbildung für Mediation in Organisationen. Ich bin danach an den Personalrat der Bayerischen Staatsoper herangetreten und habe ein Angebot in Sachen Konfliktlösung gemacht. Damit habe ich offene Türen eingerannt. Anschließend habe ich dem Direktorium ein Konzept vorgelegt mit dem Ergebnis, dass ich hier im Haus eine regelmäßige Konfliktsprechstunde anbieten kann, jede Woche zwei Stunden.
O&T: Wird das Angebot gut angenommen?
Sirotek: Ja, obwohl es sehr unterschiedlich ist und sich in Wellen bewegt. Manchmal gibt es Bedarf am Anfang einer Spielzeit, weil etwas aus der letzten nachhängt. Manchmal ist der Bedarf am Anfang gerade nicht da, weil die Produktionen so eng laufen, dass quasi keine Zeit bleibt. Manchmal entwickelt es sich kurz vor oder nach Weihnachten, weil zum Beispiel die inneren Toleranzen kleiner werden. Manchmal spiele ich zum Ende der Spielzeit, wenn die Nerven blank liegen, Feuerwehr.
O&T: Auch im Kulturbereich gibt es ja durchaus nicht wenig Konflikte. Erleben Sie hier eine Offenheit gegenüber der Mediation?
Sirotek: Ich erlebe eine grundsätzliche Offenheit, beim Personalrat ebenso wie bei der Geschäftsführung. Wünschen würde ich mir, dass ich mich noch sichtbarer machen kann. Ich könnte mir vorstellen, noch besser mit den einzelnen Abteilungen des Hauses und den Vorgesetzten in Kontakt zu kommen. Mein Raum ist so gewählt, dass niemand es merkt, wenn jemand zu mir kommt. Das bedeutet allerdings, dass ich selbst auch nicht sichtbar bin. Der mediative Ansatz nützt ja auf ganz vielen Ebenen. Ich verstehe natürlich, dass im Alltagsbetrieb – und so ein Kulturbetrieb ist ein lebendiger und dauerstressender Betrieb – die Freiräume, sich mal in ein Gespräch zu setzen, oft gar nicht vorhanden sind. Umso mehr freue ich mich darüber, dass der Personalrat in jeder Personalversammlung das Angebot der „Konfliktsprechstunde“ lobend erwähnt.
O&T: Sie erleben hier sicher ganz unterschiedliche Konflikte. Spielen sich diese eher zwischen verschiedenen Hierarchie-Ebenen oder mehr auf gleicher Ebene ab? Werden Sie auch zu Konflikten innerhalb der Kollektive, des Orchesters, des Chores hinzugezogen?
Sirotek: Die Art der Konflikte und die Ebenen: Das ist bunt gemischt. Vom Orchester kommen nicht so viele Musiker. Beim Chor ist es anders: Da ist eine Produktion über Jahre hinweg zwingend für jeden einzelnen. Da kann man sich schlechter aus dem Weg gehen.
O&T: Gibt es auch langwierige Konflikte, die sich über Jahre hinziehen und jetzt endlich mal aufgebrochen werden?
Sirotek: Ja, ich hatte zum Beispiel einen alten Konflikt, der sich dann dahingehend gelöst hat, dass die beiden Beteiligten besser miteinander umgehen können. Die lieben sich nicht, aber das ist ja auch nicht nötig. Aber sie können miteinander umgehen.
O&T: Mediation basiert sehr stark auf dem Element der Freiwilligkeit. Gibt es hier auch Fälle, in denen von der Leitungsebene eine Mediation angeordnet wird?
Sirotek: Ja, die Konfliktparteien müssen dann zumindest zum ersten Gespräch kommen. Alles andere ist dann aber freiwillig. In diesem ersten Gespräch muss sich für die Parteien der Sinn eines solchen Angebots ergeben, damit sie zu einem weiteren Termin von sich aus „ja“ sagen.
O&T: Welche Art von Konflikten erleben Sie hier am Theater besonders? Fachlich, menschlich, künstlerisch?
Sirotek: Ich arbeite inzwischen an drei The-atern. Ich spreche daher nicht speziell nur für die Oper. In Kulturbetrieben gibt es auf jeden Fall die ganze Bandbreite. Natürlich ist es oft interkollegial. Das mag der Gruppendynamik geschuldet sein. In einer Gruppe gibt es verschiedene Rollen; das ist aber nicht jedem bewusst. Ein Spezifikum an Theaterbetrieben ist, dass oft jemand aus einer Gruppe heraus befördert wird. Das passiert hier recht eindimensional. Man kann sich ja schlecht in eine andere Abteilung bewerben wie in einem Wirtschaftsbetrieb. Solch eine Beförderung müsste mit einem Führungscoaching und im Kreis der Kollegen begleitet werden. Da gibt es durchaus ein Konfliktpotenzial. Das gilt auch, wenn jemand von außen kommt, sich aber „inhouse“ ebenfalls jemand Hoffnung auf die Position gemacht hat.
O&T: Halten Sie es für sinnvoll, Mitglieder der Leitungsteams in diesem Bereich besser auszubilden?
Sirotek: Dass Führungspersonen im Bereich Konfliktlösung und wertschätzende Mitarbeitergespräche ausgebildet werden, finde ich wichtig. Ich glaube aber, dass die Vorgesetzten heutzutage gar nicht so viel Zeit haben. Ein ungelöster Konflikt verbraucht allerdings viel mehr Zeit, als wenn man sich diese gleich am Anfang eingeräumt hätte. Nicht jeder Vorgesetzte hat aber dieses Handwerkszeug. Deshalb ist ein Mediator von außen sicher eine sinnvolle Ergänzung.
O&T: Gibt es Modelle dieser Art an anderen Häusern?
Sirotek: In dieser Regelmäßigkeit bin ich, glaube ich, ein Unikat. Ich habe diese Regelmäßigkeit angeboten, weil ich das für nachhaltiger halte. Ich muss diesen Konfliktklärungs-Prozessen Zeit einräumen. Deshalb bin ich lieber begleitend da. Ein wichtiges Argument ist, dass die Leute während der Arbeitszeit kommen können. Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten.
O&T: Haben Sie innerhalb eines ganzen Kollektivs auch schon eine Mediation durchgeführt?
Sirotek: Ja, eine Teamentwicklung habe ich auch schon gemacht, als es im Team – auch mit den Vorgesetzten – Unstimmigkeiten gab. Es hat dadurch auf jeden Fall eine Beruhigung stattgefunden, die Beteiligten können jetzt mir ihren Spannungen besser umgehen. Das ist schon ein guter Erfolg.
Mein Fazit: Ich bin dankbar, diese Möglichkeit in den Theatern erhalten zu haben. Sie macht mir viel Freude. Und besonders freue ich mich darüber, wenn ich immer wieder auf Theatermitarbeiterinnen oder -mitarbeiter treffe, die bei mir in der Konfliktsprechstunde waren, und diese dann sagen: „Danke, es war gut, dass ich bei Ihnen war. Sie haben mir weitergeholfen.“ |