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Wenn zwei sich streiten
Mediation und deren Anwendung in Kulturbetrieben · Von Barbara Haack
Konflikte sind aus unserem täglichen Leben nicht wegzudenken. Das gilt für den privaten Bereich, aber auch fürs Berufsleben. Zwei Menschen stoßen mit unterschiedlichen Meinungen, Befindlichkeiten, Bedürfnissen aufeinander. Im günstigen Fall gelingt es ihnen, schnell eine Ebene zu finden, auf der sie ihren „Krach“ klären – und anschließend wieder zusammenarbeiten können. Oft aber schwelt ein Streit, die Beteiligten können nicht miteinander reden. In den Köpfen der Menschen entwickelt sich das, was vielleicht harmlos angefangen hat, zu einer ernsthaften Störung. Wenn sich diese zu spät entlädt, kann der Schaden groß sein. Der Begriff der Mediation hat in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren an Bekanntheit und Bedeutung gewonnen. Aber was ist das eigentlich genau? Hier einige Grundsätze.
Erfolgreiche Konfliktlösung durch Mediation. Foto: strixcode – Fotolia.com
Mediation ist zunächst einmal ein Mittel der außergerichtlichen Konfliktlösung. Aber auch, wenn zwei Streitende gar nicht an eine gerichtliche Klärung denken, empfiehlt es sich häufig, einen neutralen Dritten ins Boot zu holen. Dieser ist allparteilich. Er hilft Menschen, Gruppen, Organisationen, die unter einem Konflikt leiden, eigene Lösungen zu finden. Der Mediator schafft Freiräume, er garantiert jedem Beteiligten einen „Schutzraum“. Endlich einmal können alle Parteien sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt, und sie haben die Gewissheit, dass die anderen ihm zuhören. Nicht selten fungiert der Mediator auch als Übersetzer einer Botschaft, die vom anderen nicht verstanden wird. Er hilft den Medianten dabei, ihre oft festgefahrenen Positionen einmal hinter sich zu lassen. Was steckt denn eigentlich dahinter? Welche Bedürfnisse, welche Interessen? Hat man diese herausgearbeitet, finden sich häufig Lösungen für einen Konflikt, die vorher niemand „auf dem Schirm“ hatte. Mediation ist ein Verfahren, dem ein solides kommunikatives Handwerkszeug zugrunde liegt. Es gibt dafür Ausbildungsmöglichkeiten und Berufsverbände, die – sofern die nötigen Voraussetzungen erfüllt sind – Zertifikate für anerkannte Mediatoren ausstellen. Die Berufsbezeichnung „Mediator“ allerdings ist nicht geschützt. Wichtig ist, dass das Verfahren der Mediation dann angewendet wird, wenn beide beziehungsweise alle Parteien sich freiwillig dazu bereit erklärt haben. Eine Ausnahme kann im gerichtlichen oder betrieblichen Umfeld vorliegen, wenn Richter oder Vorgesetzte ein Erstgespräch mit einem Mediator anordnen. Spätestens danach aber müssen alle Beteiligten selbst das Verfahren fortsetzen wollen.
Konflikte im Kulturbetrieb
Offenheit und Kommunikationskompetenz zeichnen Mitarbeiter in Kulturbetrieben häufig aus. „Da sollte man seine Konflikte doch selber regeln können“, lautet eine recht verbreitete Meinung. „Dafür brauchen wir keine Mediation.“ Aber ganz so einfach ist es nicht. Gerade in einer Organisation, in der viele Menschen sich mit ihren Arbeitsinhalten identifizieren, in der sie eigene Ideen entwickeln, die sie dann verständlicherweise auch durchsetzen möchten, in der sehr unterschiedliche Menschen miteinander arbeiten und auskommen müssen, „kracht“ es häufig. Und längst nicht immer sind die Menschen in der Lage, diese Konflikte schnell und eigenständig zu lösen. Das ist kein Armutszeugnis, sondern liegt in der Natur der Sache. Künstlerisch Beschäftigte haben es hier mit Verwaltungs- oder „Zahlen“-Menschen zu tun, Ehrenamtliche mit Hauptamtlichen – und die Hierarchien zum Beispiel in einem Theaterbetrieb sind meist sehr rigide. Künstler haben teils auf engem Raum täglich miteinander zu tun, allen voran Orchester, Chöre und Tanzgruppen. Wenn es dann untereinander Probleme gibt, die sich nicht so einfach lösen lassen, haben die Betroffenen oft keinen Ansprechpartner, an den sie sich wenden können. Zwar gibt es im Theater – wie in anderen Betrieben auch – Personalabteilungen. Hier aber sitzen oft Menschen, die für das Thema Konflikt nicht ausgebildet wurden und in deren Aufgabengebiet es auch gar nicht gehört.
Was tun? Die Bayerische Staatsoper leistet sich seit vielen Jahren eine Konfliktberaterin mit einer festen Sprechstunde. Hier können Mitarbeiter – bereits in einem frühen Stadium eines Konflikts – Rat und Hilfe suchen (s. Interview mit Jutta Sirotek auf der nächsten Seite). Wer das nicht hat, sollte auf externe Berater zurückgreifen können. Denn: Konflikte kosten ein Unternehmen, eine Organisation Geld. Was die Unternehmensberatungsgesellschaft KPMG in ihrer Studie über Konflikte und deren Kosten herausgefunden hat, gilt sicher auch für Kulturbetriebe, speziell Theater: Menschen, die sich im Betrieb streiten, die nicht mehr miteinander reden, die sich gegenseitig nicht respektieren, arbeiten weniger effektiv, ziehen sich in eine innere Emigration zurück, werden häufiger krank…
Dabei geht es in der Mediation nicht darum, dass einer „Recht bekommt“. Es gibt in einer strittigen Frage immer mehrere Wahrheiten. Wichtig ist, dass alles auf den Tisch kommt, dass sich die Medianten von einer verfes
tigten inneren Haltung lösen, dass man einander zuhört und versucht, Verständnis für die Haltung des Gegenübers zu gewinnen.
Ein Allheilmittel ist die Mediation selbstverständlich nicht. Wie auch in anderen Konfliktkonstellationen gibt es im Theater sicher Fälle, in denen die Parteien nicht (mehr) zueinander finden. Dann helfen nur noch drastischere Mittel: eine Entscheidung „von oben“, ein Gerichtsverfahren, eine Kündigung… Zuvor aber haben die Parteien viele Möglichkeiten, die sie nutzen sollten.
Barbara Haack
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