Hollaender aktuell
Dagmar Manzel singt live
Nein, sie ist keine Marlene Dietrich, und sie ist auch keine Blandine Ebinger. Und das ist auch gut so, möchte man das gern verwendete Zitat des regierenden Bürgermeisters jener Stadt bemühen, in welcher Friedrich Hollaender aufwuchs und viele Jahre arbeitete und in der die Schauspielerin und Sängerin Dagmar Manzel nun den Auftakt zu ihrer Deutschlandtournee mit Liedern des Kabarett- und Chanson-Komponisten Hollaender zelebrierte: just auf der Bühne der Komischen Oper, früher: Metropol-Theater, wo Holländer schon als Kind Bühnenluft schnupperte und Geschmack fand an all dem, was man heute Kleinkunst nennt.
Dagmar Manzel singt Friedrich Hollaender an der Komischen Oper Berlin. Foto: Brigitte Heinrich
Nein, Dagmar Manzel ist weder kindlich-frech wie die Ebinger noch verführerisch-lasziv wie die Dietrich. Sie ist einfach sie selbst, wenn sie ganz unspektakulär auf der Bühne steht, einerseits ihren berühmten Vorgängerinnen Referenz erweist, andererseits ihre eigene – heutige – Version der nach wie vor aktuellen und bekannten Lieder singt mit einer teils samtigen, teils rauchigen Stimme, die den Zuhörer die Versionen, die er vorher kannte, nicht vermissen lässt. Man muss hier ganz einfach nicht vergleichen…
„Wenn ick mal tot bin und im weißen Seidenkleid in meinem Sarje liege mit Bescheidenheit. Dann fällt die Schule aus, dann geht’s zum Kirchhof raus…“. Manzel nennt das Lied, das Hollaender seiner damaligen Lebensgefährtin Blandine Ebinger auf den Leib schrieb, ihr „allerliebstes Lieblingslied“. Und es gelingt ihr, den makaber-melancholischen Charakter des Liedes herauszusingen. Aus dem Liederzyklus „Lieder eines armen Mädchens“, den Hollaender für Lieschen Puderbach (alias Ebinger) schrieb, stammen eine Reihe der Songs, die Manzel an diesem Abend vorträgt, zum Beispiel die „Currendemädchen“, „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ oder auch „Oh Mond“. Diese zarten, sehnsuchtsvollen Töne trifft die vielseitige Künstlerin ebenso wie die frechen, spritzigen aus „Die Kleptomanin“ oder „Das Nachtgespenst“.
Und auch den Ohrwürmern einer Marlene Dietrich wie „Ich bin von Kopf bis Fuß“ oder „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ verleiht die Sängerin ihre eigene Note. Sie überzeugt mit ihrer tiefen, weichen Stimme, ist ganz Frau, aber eben die aus den 2010er-Jahren. Aus Billy Wilders Film „Eine auswärtige Affäre“ von 1948 mit Marlene Dietrich in einer Hauptrolle stammen „Black Market“, „The Ruins of Berlin“ und „Illusions“. Hollaender, der schon in den 1920er-Jahren als Filmkomponist erfolgreich war und 1933 vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen musste, verdiente sich in diesen Jahren des Exils sein Geld vor allem in dieser Branche. Noch in den USA schrieb er die Lieder für den Wilder-Film, in dem die Dietrich eine Nachtclubsängerin mit Nazi-Vergangenheit und besten Beziehungen zu den Besatzern aus Amerika spielt. Auch diese Songs stehen auf Manzels Programm.
1955 kehrte Friedrich Hollaender in ein verändertes Deutschland zurück. Hier findet er eine neue künstlerische Heimat in der „Kleinen Freiheit“ in München, die sich im Lauf der 1950er-Jahre vom Kabarett in ein kabarettistisches Revue-Theater gewandelt hatte. Für diese Bühne schrieb Hollaen-der mehrere „Revuetten“, unter anderem „Futschikato“ mit „Circe“ (1961). Manzel singt diese humorvolle Erzählung von der Zauberin und dem Helden Odysseus, der hier so gar nicht heldenhaft rüberkommt, und es gelingt ihr bestens, das Spritzig-Alberne in Hollaenders Musik und Text zu vermitteln.
Begleitet wird Manzel von Musikern des Orchesters der Komischen Oper Berlin, die – unter der Leitung des überaus präsenten Pianisten Michael Abramovich – diese Aufgabe bestens meistern. Ein unterhaltsamer und gelungener Abend!
Barbara Haack
|