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Hoffnung für die Tanzausbildung
„Tanzplan Deutschland“ der Bundeskulturstiftung ·
Von Malve Gradinger
Jazzdance oder klassisches Ballett in der Highschool, ein Master
of Arts in Modern Dance – in den weniger körperfeindlichen
USA seit Jahrzehnten eine akademische Normalität. Davon ist
man im Land der Dichter und Denker bislang noch weit entfernt. Aber
jetzt bewegt sich etwas: Die Bundeskulturstiftung (BKS) hat mit
ihrem „Tanzplan Deutschland“ (TPD) ein Förderprojekt
auf den Weg gebracht, welches das Engagement für den künstlerischen
Tanz und seine öffentliche Anerkennung stärken, ihn vor
allem bundesweit als Bildungs-Grundausstattung im schulischen und
universitären Bereich ermöglichen soll.
Tanz vor Ort
Tanz als praktisches und theoretisch-wissenschaftliches Lehrangebot
wird endlich auch hierzulande ein breites Bewusstsein, ein Verständnis
und Interesse schaffen für die Kunst der tänzerischen
Bewegung – so hofft man zumindest, und mit guten Chancen.
Denn die Schüler und Studenten von heute sind die Tänzer
und Choreografen, sind auch die Zuschauer von morgen. 12,5 Millionen
Euro sind im TPD-Gesamttopf, daraus fließen 6,4 Millionen
Euro in den „Tanzplan vor Ort“. Im Rahmen dieses Teilprogramms
wurden bundesweit Städte eingeladen, Konzepte zur Profilierung
des Tanzes auszuarbeiten, auch auf der Basis schon vorhandener Strukturen.
Äußerst geschickt knüpfte die BKS diese zunächst
auf fünf Jahre angelegte Fördervergabe an eine gemeinsam
von Stadt und Land aufzubringende Hälfte-Beteiligung, so dass
für „Tanzplan vor Ort“ sogar 12,8 Millionen Euro
zusammenkamen, plus Drittmittel sogar 15,5 Millionen Euro oder 3,5
Millionen Euro pro Jahr. Die Bundeskulturförderung funktioniert
so praktisch als Anschub für weiteren Geldfluss. Von den 14
Städten, die sich mit zugesicherter staatlich-städtischer
Rückendeckung bewarben, hat das TPD-Kuratorium (Nele Hertling,
Reinhild Hoffmann, Johannes Odenthal, Gerald Sigmund) aufgrund jeweils
überzeugender Konzepte 8 ausgewählt: Bremen, Dresden,
Düsseldorf, Essen, Frankfurt, Hamburg, München und Potsdam.
Unterschiedliche Modelle
Bremen (zweimal 650.000 Euro) kann sein Pilotprojekt „TANZtours
– Norddeutsche Tanzlandschaft im Austausch“ konsolidieren.
Vom gegenseitigen Gastieren der Tanzcompagnien von Bremen, Braunschweig,
Hildesheim, Hannover und Oldenburg erhofft man sich eine bessere
Nutzung ihrer Kapazitäten, eine Qualitätssteigerung und
für alle mehr Publikum. Dresden (zweimal 558.000 Euro) bietet
von jetzt an mit seinem neu gegründeten „Tanz Studio
Dresden“ Abgängern deutscher Tanzhochschulen die einmalige
Chance eines sich unmittelbar an die Ausbildung anschließenden
Engagements. Unterstützt von einem Netzwerk der namhaften Choreografen
Frédéric Flamand, William Forsythe, Wayne McGregor
und Angelin Preljocaj und getragen von der Palucca Schule, der Semperoper
und dem Europäischen Zentrum der Künste Hellerau sollen
der Berufseinstieg erleichtert und Engagementchancen verbessert
werden. In Hamburg (zweimal 1.200.000 Euro) entsteht in den Kampnagel-Hallen
das „Hamburger Zentrum für Choreografieentwicklung und
-vermittlung“, einmal als Fortbildungsstätte (mit Schwerpunkt
auf produktionsspezifischen Aspekten) für junge Choreografen,
zugleich auch als Treffpunkt/Arbeitsort der lokalen Hamburger Tanzszene.
Ähnlich die „fabrik Potsdam“ (zweimal 630.000 Euro):
Mit einem „Artist-in-Residence“-Programm will sie sich
zu einem choreografischen Zentrum ausbauen, vorrangig mit Beziehungen
zu Osteuropa. Die anderen vier Städte konzentrieren sich auf
den lehrenden und vermittelnden Aspekt. Das in Laienarbeit erfahrene
„tanzhaus Düsseldorf“ (zweimal 1.000.000 Euro)
wird mit dem Programm „Take Off: Junge Tanzkunst“ Tanzpädagogen
schulen, neue Ausbildungskonzepte erproben und vor allem Tanzunterricht
in die Schulen und sozialen Zentren der Stadt bringen. In Essen
(zweimal 500.000 Euro) entsteht mit „Tanz Plan E“ ein
Lehr- und Lernzentrum mit Werkwochen, Symposien und internationalen
Treffen von Tanz- und Kunsthochschulen. Das „TANZLABOR 21
– Frankfurt/Rhein-Main“ (zweimal 1.150.000 Euro) gründet
zwei neue Masterstudiengänge: Tanzpädagogik – spezifisch
für den an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst
(HfmdK) unterrichteten zeitgenössischen Tanz – und den
Masterstudiengang für Choreografie/ Performance an der Hessischen
Theaterakademie. In München (zweimal 440.000 Euro) sind die
Konzeptmacher Staatsballett, Joint Adventures, die Muffathalle,
das LMU-Institut für Theaterwissenschaft, die Volkshochschule
un andere – zusammengeschlossen zur Tanzbasis München
– ein wenig enttäuscht. Ihr „Access to Dance –
Tanz für eine neue Generation“ wurde auf die beiden Schwerpunkte
„Tanz und u uWissenschaft“ und „Tanz und Schule“
reduziert. Reaktion von Joint-Adventures-Chef Walter Heun: „Die
Vermittlung von Tanz in Schule und Uni, das ist schon ein Riesenteilerfolg.
Unsere Idee war aber, die künstlerische Produktion gleichberechtigt
zu fördern. Hier kreierte Stücke sollen in regelmäßig
stattfindenden ,Tanzpunkten’ ein Schaufenster erhalten. Da
können wissenschaftliche Diskurse andocken, Studenten an der
Programmplanung mitwirken, eine Festivalzeitung herausgeben, sich
auf vielen Ebenen engagieren. Wir versuchen jetzt, mit dem Beitrag
von Stadt und Land noch den Aspekt Tanzproduktion abzusichern.“
Ein Anfang ist gemacht – und am Horizont der Hoffnungsschimmer,
dass die Tanzkunst zu einem Teil der Kultur unseres Landes wird,
so wie es für die Musik, die Bildende Kunst, die Literatur
ganz selbstverständlich ist.
Malve Gradinger
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