|
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Berlin, Staatsoper
Das mit 113 Millionen Euro veranschlagte „kleine“ Sanierungskonzept
für den maroden Knobelsdorff-Bau Unter den Linden soll nunmehr
auf den Weg gebracht werden. Es sieht die „langfristige Sicherung
der Betriebssicherheit“ sowie die Schaffung neuer Proben-
und Magazinräume vor. Kultursenator Thomas Flierl (PDS) teilte
mit, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD)
der Aufnahme entsprechender Verhandlungen mit dem Bund und mit dem
Förderverein der Staatsoper zugestimmt habe. Der Förderverein
unter seinem Vorsitzenden Peter Dussmann hatte sich schon im Vorfeld
bereit erklärt, 30 Millionen Euro für die Renovierung
beizusteuern. Die Arbeiten sollen 2009 beginnen, für rund 18
Monate muss das Haus dann komplett geschlossen werden. Gegen einen
Umbau auch des Zuschauerraums mit dem Ziel, Akustik und Sichtverhältnisse
zu verbessern, sprächen neben dem Geldmangel auch denkmalschützerische
Gründe, erklärte Flierl.
Bonn
In der Bundesstadt Bonn werden Überlegungen angestellt, wie
es 2010 nach Auslaufen der Bundesförderung mit der Kulturfinanzierung
weiter gehen könne. Erwogen werden die Schließung der
Kammerspiele in Bad Godesberg und des Choreografischen Theaters
von Johann Kresnik. Bonns Kulturdezernent Ludwig Krapf äußerte,
spätestens 2008, wenn die Verträge mit dem Intendanten
Klaus Weise und dem GMD Roman Kofman ausgelaufen seien, müsse
ein tragfähiges Zukunftskonzept vorliegen.
Görlitz
Die 190 Beschäftigten der Musiktheater Oberlausitz/Niederschlesien
GmbH haben den sie vertretenden Gewerkschaften grünes Licht
gegeben, den seit 2004 laufenden Haustarifvertrag bis 2009 zu verlängern.
Der Abstand zu den regulären Gehältern der Flächentarifverträge
beläuft sich inzwischen auf rund 17 Prozent. Noch im April
wird sich entscheiden, ob Essen oder Görlitz im Jahr 2010 den
Titel „Kulturhauptstadt“ wird tragen können.
Koblenz/Ludwigshafen/Mainz
Der Tarifvertrag für die drei Staatsorchester in Rheinland-Pfalz
ist unter Dach und Fach. Er sieht eine Personalkosteneinsparung
von jährlich 1,9 Millionen Euro ab 2007 vor. Bis dahin soll
die Zahl der Musiker-Stellen, sozialverträglich und ohne Kündigungen,
in Koblenz von 77 auf 66, in Ludwigshafen von 93 auf 80 und in Mainz
von 81 auf 66 abgesenkt werden. Bis zu 56 Diensten in der Spielzeit
muss ein Musiker im Bedarfsfall in einem der anderen beiden Orchester
leisten. Die (auch Theater-)Orchester in Koblenz und Mainz werden
nach Vergütungsgruppe B mit Zulage eingruppiert, die Staatsphilharmonie
Ludwigshafen bleibt A-Orchester mit Zulage nach dem Konzer-Orchester-Tarifvertrag.
München, Gärtnerplatz
Schwer hat es Philip Taylors renommierte Modern-Dance-Compagnie,
das in Münchens zweitem Opernhaus, dem Gärtnerplatz-Theater
angesiedelte „ballett-theater münchen“ (btm). Schon
2004 von Auflösung bedroht (s. O&T Ausg. 6/04, S. 7), ohne
eigenen Etat von den Brosamen des Opernbetriebs lebend, bei Repertoire-Vorstellungen
oft nur mäßig besucht, kann es den kulinarischen Lockungen
des Bayerischen Staatsballetts, das zunehmend mit klassischen Handlungsballetten
in hervorragender Besetzung die Wünsche des Münchner Publikums
bedient, nur wenig entgegensetzen.
Die jüngsten Premieren machten das deutliche: „Imagine“
am Gärtnerplatz, das zwei hoch artifizielle Stücke Taylors
(„Breath Bandits“ und „Angel that sing“)
mit drei Werken jüngerer Haus-Choreografen (Damien Liger, Jennifer
Hanna, Annett Göhre) koppelt, zeigt großes ballettmeisterliches
Vermögen, erweist das stupende Können der Truppe und ihre
Beherrschung des modernen Bewegungsrepertoires, bleibt insgesamt
aber eine Vorführung artiger Kostproben. „Die silberne
Rose“ hingegen, die vom Australier Graeme Murphy choreografierte
Uraufführung einer oberflächlichen „Rosenkavalier“-Adaption
ohne Strauss und Hofmannsthal, bei der das Staatsballett –
vielleicht zu Ehren des scheidenden Sir Peter Jonas? – demonstriert,
dass es auch den Ansprüchen einer Londoner Music-Hall gewachsen
wäre, macht mit ihrer effektbedachten Mischung von klassischem
Pas de deux (Sherelle Charge und Lukas Slavicky) bis Slapstick das
Publikum in der Staatsoper jubeln. Armer, tapferere Taylor.
Der hatte dem ab 2007 amtierenden neuen Gärtnerplatz-Staatsintendanten
Ulrich Peters seine Vorstellungen und Bedingungen für die künftige
Zusammenarbeit unterbreitet, deren wichtigste die Unabhängigkeit
des btm vom Musiktheaterbetrieb ist. Der Konflikt war absehbar:
Die sich angesichts der – selbst bei den Bayerischen Staatstheatern
– enger werdenden Etats auch objektiv stellende Frage, ob
ein Opernhaus von der Größe des Gärtnerplatztheaters
es verkraften kann, eine Tanzcompagnie zu unterhalten, die für
den Ballettdienst in Oper, Operette und Musical nicht zur Verfügung
steht, brach in aller Schärfe aus. Das Tanztheater muss sie
aus Gründen seines Selbstverständnisses rigoros bejahen,
ein Opernchef, der wie Peters mit dem Ziel antritt, auch Publikumserfolg
zu haben, wird sie eher verneinen.
So kam es denn, wie Vesna Mlakar es in ihrem Beitrag zum zehnjährigen
Bestehen des btm („Sieger ohne Zukunft“ in O&T Ausg.
1/06, S. 14/15) schon geahnt hatte: Taylors Vertrag endet mit Ablauf
der Spielzeit 2006/2007. Sein Nachfolger wird Henning Paar. Der
1966 in Kassel geborene Absolvent der Heinz Bosl-Stiftung ist derzeit
Chef des Balletts des Staatstheaters Braunschweig; über Nordhausen
und Kassel führte ihn sein Weg dorthin. Was aus Taylor und
seiner Compagnie wird, steht noch in den Sternen; dem Vernehmen
nach prüfen sie die Möglichkeiten, als freie Truppe gemeinsam
weiterzuarbeiten.
Rostock
Die hoch verschuldete Hansestadt Rostock hat, um der staatlichen
Zwangsverwaltung zu entgehen, für die Jahre 2006 bis 2009 ein
Haushaltssicherungskonzept beschlossen, das gemeinsam von Bündnis
90, SPD, CDU und FDP getragen wird. Für das Volkstheater sind
in ihm eine Kürzung des städtischen Betriebszuschusses
von derzeit 8,7 auf 6,5 Millionen Euro und die alsbaldige Umwandlung
in eine GmbH vorgesehen. Der Oberbürgermeister wurde beauftragt,
entsprechende Haustarifvertragsverhandlungen in die Wege zu leiten.
Sollte mittelfristig die des Weiteren angepeilte Kooperation mit
dem Staatstheater Schwerin nicht zustande kommen, könne die
Auflösung der Sparte Musiktheater nicht ausgeschlossen werden.
|