Kultur-Auf-Ruhr
Kultur-Perspektiv-Plan für das Ruhrgebiet · Von Eckart
Rohlfs
Mit Seitenblick auf die Bewerbung zur Europäischen Kulturmetropole
2010 entwickelte eine Expertengruppe unter der Leitung des ehemaligen
Duisburger Kulturdezernenten Konrad Schilling für die Region
Ruhr-Emscher einen Kultur-Perspektiv-Plan in Verbindung mit einer
kritischen Analyse ihres kulturellen Stärken- und Schwächen-Potenziales.
Privates Engagement
Bemerkenswert an diesem in Essen vorgestellten und dem Kulturstaatssekretär
Grosse-Brockhoff übergebenen Projektentwurf ist, dass es sich
um einen von privater Seite initiierten Appell – nämlich
vom Vorstandsvorsitzenden der Hypothekenbank Essen Schulte-Kemper,
– handelt, der sich an die Öffentliche Hand wendet und
unter anderem zu einem Kulturpakt der fünf Großstädte
des Ruhrgebietes unter der Schirmherrschaft des Landes aufruft.
Hierbei geht es nicht in erster Linie um freilich notwendige finanzielle
Aufstockung und Garantien, als vielmehr zunächst um Vernetzung,
Austausch und Synergie vorhandener Ressourcen der über 50 Kommunen
im Ruhr-Gebiet mit ihren allzu lokalbezogenen und singulären
Kultur- und Bildungsangeboten. Das Ziel: durch Zusammenwachsen und
Kooperation eine wirkliche Modellregion kultureller Bildung für
diese bevölkerungsreichste und durch Migration demographisch
stark veränderte Region zu schaffen.
Die verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelten so wie für
die Bereiche Bildende Kunst, Stadtbaukultur, Geschichtskultur auch
für Oper/Schauspiel und Musik konkrete Angebotsvorschläge,
mit denen das Verhalten der Bürger verändert und deren
kulturelle Bedürfnisse und Anteilnahmen gesteigert werden könnten.
Der Perspektivplan nennt hierzu unter anderem die Bildung einer
Ruhrphilharmonie auf der Basis der Duisburger Philharmoniker, Förderzentren
für hochbegabte Kinder und Jugendliche mit einer Jugendphilharmonie
Ruhr, ferner Kammermusikfestival, Popakademie, Haus der Chöre
und vor allem kreative Handlungsfelder (inter)kultureller und ästhetischer
Bildung im Interesse der Persönlichkeitsbildung junger Menschen,
sozusagen ein qualitativ verbesserte Aufguss des in seinen Erträgnissen
bescheiden gebliebenen Ergänzungsplanes „Musisch-kultureller
Bildung“ von 1977.
Theater und Tanz
Die Hochschul- und Theaterlandschaft verfügt zudem über
das notwendige Potenzial, sich zu einem europäischen Zentrum
der Theaterforschung und -ausbildung zu entwickeln. Die Vision einer
Nordrhein-Westfälischen Theaterakademie mit überregionaler
Bedeutung könnte sich zudem stützen auf das theaterwissenschaftliche
Institut der Ruhruniversität Bochum und auf die Folkwang-Schulen
und -Hochschulen.
Die Domäne Tanz in Nordrhein-Westfalen mit fünf festen
Tanzensembles allein in der Ruhr-Region fühlt sich durch Sparmaßnahmen
enorm betroffen. Die Folkwang-Hochschule mit ihrer weltweit anerkannten
traditionellen wie innovativen Tanzausbildung, das Folkwang Tanzstudio,
die hochschulvorbereitende Ausbildung im bundesweit einzigartige
Tanzgymnasium Essen, schließlich das Projekt Tanzlandschaft
Ruhr mit dem Choreographischen Zentrum NRW und die weitere Vielzahl
regionaler Tanz-Institutionen, teilweise vereinigt im „Tanzplan
E“ könnten Orientierungsmodelle für den bundesgeförderten
„Tanzplan Deutschland“ sein. Dies sind beste Voraussetzungen,
auch der Berufsfeld orientierten Ausbildung ein innovatives Konzept
zu verpassen, das neben den künstlerischen auch die, wissenschaftlichen
und praxisnahen Grenzbereiche wie Tanzpädagogik, Tanzjournalismus,
Tanzmanagement integrativ einschließt. Tanz als idealer Kommunikationsfaktor
für die Verständigung zwischen den Kulturen bedarf deshalb
entsprechender Aktionsfelder im Lernbereich Schule wie in der Tanz-Arbeit
mit Amateuren, Dafür stehen als Erfahrungswerte zum Beispiel
das Europäische Jugendtanzfestival in Duisburg und das „TanzAufRuhr
– Junges Tanztheater im Ruhrgebiet“ in Witten, an die
wohl wieder angeknüpft werden könnte. So denkt man an
jährliche Stadttanzfeste, vernetzt und offen für tänzerische
Äußerungen der jungen Generation, um ihr die Möglichkeit
kreativer Selbstverwirklichung zu geben.
Die Rede ist auf den 150 Seiten Perspektivplan „Kulturmetropole
Ruhr“ – neben Basiskultur und bereits bestehenden kulturellen
Glanzlichtern – unter anderem auch von neuen Europäischen
Opern- und Musikfestivals (in Fortsetzung der Tradition niederrheinischer
Musikfeste), aber auch von Hilfen für freie und private Produktionen.
Die Vision: Die Bürger dieser „Ruhrstadt“ zwischen
Duisburg, Dortmund und Hagen sollen sich als wirkliche Partizipanten
eines Kulturnetzes Ruhrregion unter der Maxime „Einheit in
Vielheit“ begreifen lernen. Dazu müssten auch die Medien
beitragen; denn was sei diese Kulturlandschaft ohne ein engagiertes
Mediensprachrohr?
Eckart Rohlfs
|