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Soli Deo Gloria
Choreograph John Neumeier verabschiedet sich nach 51 Jahren von Hamburg

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Soli Deo Gloria

Choreograph John Neumeier verabschiedet sich nach 51 Jahren von Hamburg

Tanz und Religion schließen einander nicht aus, auch wenn orthodoxe Kritiker dieses mit Sätzen wie „Tanz ist der in die Vertikale verlegte Geschlechtsakt“ hintertreiben wollen. Der Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb oder die Tänze der Derwische – Bewegung des menschlichen Körpers, Ebenbild Gottes, auf der ganzen Breite zwischen blasphemischem Gebet einerseits und höchster Askese und innerer Spiritualität andererseits.

Sitzend von links: Bischöfin Kirsten Fehrs, John Neumeier, Jörn Rieckhoff (Direktor Kommunikation und Dramaturgie beim Hamburg Ballett John Neumeier); auf der Bühne: Tänzer Alexandr Trusch mit „A Simple Song“ aus Neumeiers Choreographie „Bernstein Dances“ über den 2. Satz aus Leonard Bernsteins „Mass“. Foto: Kiran West

Sitzend von links: Bischöfin Kirsten Fehrs, John Neumeier, Jörn Rieckhoff (Direktor Kommunikation und Dramaturgie beim Hamburg Ballett John Neumeier); auf der Bühne: Tänzer Alexandr Trusch mit „A Simple Song“ aus Neumeiers Choreographie „Bernstein Dances“ über den 2. Satz aus Leonard Bernsteins „Mass“. Foto: Kiran West

Die großen kirchenmusikalischen Werke des Abendlandes einem Ballett anzuvertrauen, ist also durchaus naheliegend. Für den von Jesuiten erzogenen John Neumeier war dieser Prozess weder selbstverständlich noch einfach: „Die Grundfrage am Beginn der Arbeit war: Wie choreographiert man eine Musik, vor der man mit großer Demut steht?“ Er zitiert aber auch eine Äußerung Jesu aus den apokryphen 1. Johannesakten: „Wer nicht tanzt, kennt den Weg des Lebens nicht.“

Johann Sebastian Bachs „Matthäuspassion“ hat der gebürtige US-Amerikaner erst als junger Mann in Deutschland kennengelernt. Nach der Aufführung wusste er, dass er dieses Werk visualisieren wollte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er einige eher kleinere Choreographien ersonnen – bis zur Realisierung der „Matthäuspassion“ sollte dann noch einige Zeit vergehen. Aus der Reihe der Skeptiker sei nur der damalige Intendant der Hamburgischen Staatsoper, Christoph von Dohnányi, genannt, der diese Idee für ein wenig erfolgversprechendes Experiment hielt.

Günter Jena, Kirchenmusiker an der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis, fragte Neumeier, ob er es sich vorstellen könnte, für den Michel Orgelchoräle von Bach zu choreographieren. Neumeier hörte sich diese an und „war nicht inspiriert davon“. Mit der Rückfrage, ob Jena sich im Michel Szenen aus der „Matthäuspassion“ vorstellen könne, entlockte er diesem ein „das ist der Traum meines Lebens“. So fand dort am 13. November 1980 die Uraufführung der ersten ausgewählten Szenen statt.

Die Kritiken waren damals nicht durchweg positiv: „Bach – barfuß“ oder „Der Tanz um die goldene Kanzel“ in Anspielung auf die optisch herausstechende Kanzel im Michel. Der weltweite Siegeszug dieses Balletts wurde dadurch aber nicht aufgehalten. Fortan galt Neu­meier als „Spezialist“ für die Gattung „geistliches Ballett“. Es folgten unter anderem Bachs „Magnificat“ (1987), Wolfgang Amadeus Mozarts „Requiem“ (1991), Georg Friedrich Händels „Messias“ (1999) und Neumeiers ursprünglich als Choreographie zum Abschied von Hamburg gedachtes „Dona nobis pacem“ (2023) nach Bachs h-Moll-Messe. Neumeier blieb dann aber noch eine weitere Spielzeit, um den Übergang zu seinem Nachfolger nahtlos zu gestalten.

Unter dem Titel „Ich bin Christ und Tänzer“ verabschiedete sich Neumeier – nach 51 Jahren – am 8. Juli in einem Gespräch mit Bischöfin Kirsten Fehrs und einigen Ausschnitten aus seinem geistlichen Programm im Michel von seinem Hamburger Publikum. Hier gab es wenig harte Fakten über Techniken und Methoden des Choreographen zu erfahren. Aber wir wissen nun, dass Neumeier es als Privileg sieht, „Künstler sein zu dürfen“ und dass, so Fehrs, er sich mit seiner Compagnie immer in Demut hinter das Werk gestellt habe. Vielleicht werden aber genau hierin Kongenialität und Erfolg Neumeiers und Bachs deutlich – getreu dem Motto: Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre!

Ralf-Thomas Lindner

 

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