Feinsinnige Intelligenz
Zum Tod des Dramaturgen und Intendanten Klaus Schultz
Präsent bleiben wird der überraschend mit 66 Jahren verstorbene Klaus Schultz – allein schon durch den Auftritt als esoterisch wirkender Pianist und irgendwie hintersinniger Untermieter „Herr Weber“ in Loriots Film-Klassiker „Ödipussi“. Doch da ist auch eine heute opernweit selbstverständlich gewordene Programmheft-Kultur, die 1973 von der Oper Frankfurt ausging. Dort begann der studierte Bibliothekswissenschaftler Schultz als Dramaturg. Von da an wurden die zunächst kleinen, später gewichtigen „Programmbücher“ Sammelgegenstände: Auch für den Besuch einer anderen Inszenierung an anderem Ort lohnte sich das Nachschlagen, so analytisch, erhellend und nie intellektuell abgehoben wurde das jeweilige Werk durchleuchtet und in bislang nicht erkannte Zusammenhänge gestellt. Als August Everding dann ab 1977 Klaus Schultz an die Bayerische Staatsoper band, ergänzten sich umtriebiges Theatervollblut und intelligente Dramaturgie bis 1982.
Klaus Schultz bei seiner Ernennung zum Ehrenmitglied des Gärtnerplatztheaters, hier mit Josef E. Köpplinger. Foto: Christian Zach
Er arbeitete als Musikdramaturg für die Berliner Philharmoniker und wurde 1984 erstmals Intendant, zunächst – bis 1992 – in Aachen, dann – bis 1996 – in Mannheim. Seine wirkliche Heimat wurde dann bis 2007 das Münchner Staatstheater am Gärtnerplatz. Schultz erfand nicht nur den Titel „Münchens andere Oper“, sondern füllte ihn auch inhaltlich mit einem breiten Repertoire von Opern, Operetten, Musicals, Konzerten mit Musik aus vier Jahrhunderten und dem von Philip Taylor eigenständig konturierten „BallettTheater“. Das eher traditionell orientierte Gärtnerplatz-Publikum wurde gefordert: Strawinsky, Reimann, Henze, Uraufführungen von Hiller und Tarnopolski bis zu Großtaten wie Terterians „Das Beben“ 2003 mitsamt der Entdeckung des Jung-Regisseurs Claus Guth, dazu Schnebels „Majakowskis Tod“ und Luigi Nonos „Intolleranza 1960“. Andererseits war Schultz trotz Beratertätigkeit in Bayreuth keine charismatische Führungsfigur, und so wurde sein Vertrag 2007 politisch unschön nicht verlängert. Doch da wirkte er längst im Hintergrund von Loriots „Ring“- und anderen Opern-Erzählungen, an dessen neuem Text zu Bernsteins „Candide“, in Musikvorträgen, Buch-Beiträgen und einem Porträt-Band über Christoph von Dohnanyi. Jetzt ist die Stimme eines Kenners verstummt.
Wolf-Dieter Peter
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