Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates glänzt mit Naivität
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, der bereits im vergangenen Jahr mit höchst missverständlichen Äußerungen im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Moderator des „Kulturkonvent Sachsen-Anhalt“ für Verstimmung bei Vertretern von Theatern und Theaterschaffenden gesorgt hat, hat sich nun in einem Beitrag im April-Heft der Zeitschrift „TANZ“ – wiederum ohne jede Abstimmung mit den im Deutschen Kulturrat vertretenen Tarifparteien – dezidiert gegen den Abschluss von Haustarifverträgen (HTV)ausgesprochen. Dabei unterstellt er, dass die Rechtsträger von Kultur-Einrichtungen wirtschaftlich hinreichend flexibel seien, um auf Finanzengpässe reagieren zu können, ohne von den Flächentarifverträgen abweichen zu müssen. Das mag ja objektiv sogar richtig sein, verkennt aber die politischen Realitäten in dramatischer Weise. Natürlich würde im „klassischen“ öffentlichen Dienst niemand auf die Idee kommen, die flächentarifliche Vergütung anzugreifen. In den Köpfen der politisch Verantwortlichen hat sich aber nun einmal die fixe Idee festgesetzt, Theater als „freiwillige Aufgabe“ sei eine insgesamt disponible Größe. Und da Dummheit nicht strafbar ist, kommt der Politiker dann auch leicht auf die Idee, durch „Einsparung“ des Theaters oder jedenfalls einzelner Sparten Haushalte sanieren zu können, obwohl dies in der Regel einen Effekt von maximal 1 – 2% des Gesamtetats, also weniger als die reine Zinslast der Schulden ausmacht.
Hat man es aber mit soviel Borniertheit zu tun, muss man darauf reagieren. Und das einzige Mittel, das den Theater-Befürwortern zu Gebote steht, ist nach derzeitigem Erkenntnisstand das, an bestimmten Standorten befristet und gegen Freizeit-Ausgleich sowie Verzicht auf betriebsbedingte Entlassungen auf Vergütungsanteile zu verzichten, um damit die Akzeptanz für den Erhalt der Institution zu erkaufen. Schön ist das nicht, aber oft das geringere Übel – und es wird von den Tarifparteien nur dort praktiziert, wo die betroffenen Beschäftigten dies ausdrücklich wollen, um ihre Arbeitsplätze zu erhalten!
Herr Zimmermann müsste es – gerade aus seiner Erfahrung in Sachen-Anhalt – besser wissen: Dort hatte der Kultur-Konvent empfohlen, die bestehenden HTV nicht zu erneuern. Hierfür hat er eine Aufstockung der Finanzmittel der Theater als notwendig gefordert. Und was macht die Politik – genauer gesagt die Landesregierung? Sie greift die Forderung nach der Abschaffung von HTV auf, streicht aber im Gegenzug die Mittel noch weiter zusammen und fordert von einigen der wichtigsten Theater Spartenschließungen, um mit den reduzierten Mitteln auszukommen. So funktioniert die Logik des mentalen Zerfalls – der aber ist Realität!
Niemand will HTV. Sie sind – genau aus den Gründen, die Zimmermann in seinem Votum darlegt – zutiefst ungerecht und lösen letztlich nicht wirklich Probleme. Wer ein besseres Mittel zur Verhinderung der Theater-Erosion kennt, möge es offenbaren. Doch das gelingt auch Herrn Zimmermann nicht. Und er sollte sich bewusst sein, welche Auswirkungen die Meinungsäußerungen des Geschäftsführers des Deutschen Kulturrates haben können.
Dessau
Wie in der letzten Ausgabe berichtet, fanden in Dessau besondere Verhandlungen zum Erhalt aller Sparten des Traditionsstandortes des Anhaltischen Theaters statt. Für diesen ausschließlich für Dessau in Betracht kommenden einzigartigen Weg konnte nun mit allen beteiligten Interessenvertretungen eine Einigung über eine Teilzeitregelung gefunden werden. Die Individualverträge sowie eine damit verbundene Rahmenvereinbarung, die zwischen der Stadt und den Gewerkschaften geschlossen werden soll, sind insoweit nun unterschriftsreif. Das Land Sachsen-Anhalt hatte, wie bereits berichtet, die Zuwendungen für das Theater in Millionenhöhe gekürzt. Auf die dadurch entstehende Bedrohung für die Kulturlandschaft hatten wir bereits hingewiesen, und es sei an dieser Stelle stellvertretend auf das in diesem Heft abgedruckte Interview mit Tomasz Kajdanski verwiesen (Seite 29). Das Land hat insoweit nun zu erklären, dass es wenigstens den hier gefundenen Weg mitgeht.
SNE Bautzen
Wie ebenfalls im letzten Heft an dieser Stelle angekündigt, fand am 09.04.2014 die Fortsetzung der Haustarif-Verhandlungen am Sorbischen Nationalensemble in Bautzen statt. Von den bisher erörterten Inhalten abweichend konnten sich die Tarifparteien nun auf einen Weg einigen. So soll die Laufzeit dieses Tarifvertrages rückwirkend vom 01.01.2014 bis 31.07.2016 betragen, ausgehend von dem jeweiligen flächentariflichen Stand des Jahres 2014 sollen die Mitarbeiter bei entsprechendem Freizeitausgleich zunächst auf 6,5 % ihres Jahresentgeltes verzichten, in 2015 wird der Verzicht um die in 2015 zu erwartenden Tarifsteigerungen zwischenzeitlich erhöht sein, aber ab 2016 zumindest in Relation zur Fläche wieder aufgefangen werden. Die noch im Streit befindlichen Verfahren (insbesondere im Bereich der Musiker) sollen parallel dazu beendet werden. Der Stiftungsrat der Stiftung für das sorbische Volk hat am 3. Juni 2014 diesen Eckpunkten bereits zugestimmt, auf der Grundlage dieser werden zurzeit die entsprechenden Tarifvertragsentwürfe erarbeitet.
HTV Schwerin
Ende Mai konnte nun auch für das Theater Schwerin im NV-Bühne Bereich eine haustarifliche Lösung gefunden werden. Problematisch hieran war insbesondere, dass im nichtkünstlerischen Bereich seitens ver.di grundsätzlich keine Verhandlungsbereitschaft bestand, aber dennoch auf einen Verzicht für Orchester und Chor seitens des Landes und der Stadt als Gesellschafter bestanden wurde. (S. O&T 6/13). Nach einer entsprechenden Erklärung des Theaters, die eine für den nichtkünstlerischen Bereich entsprechende Strukturanpassung vorsieht, verzichten nunmehr alle nach NV Bühne beschäftigten Künstler ab einer gewissen sozialen Grenze auf knapp zehn Prozent ihrer Vergütungen und haben damit bis zum Ende des Jahres 2020 Bestandsschutz.
Zu beachten ist, das der Verzicht in einem gesonderten Personalkostenbudget zu verwalten ist, das ausschließlich den jeweiligen Bereichen zuzuordnen ist, und dass es ein Sonderkündigungsrecht gibt für den Fall, dass das Land ab 2016 nicht als Gesellschafter des Theaters mit eintritt.
Hagen: PÜV steht
Die Verhandlungen zu einem Personalüberleitungsvertrag (PÜV), der durch die geplante Umwandlung des Stadttheaters in eine GmbH erforderlich geworden ist (vgl. O&T 2/14, S. 6), konnte nun – nicht zuletzt durch die gute Zusammenarbeit zwischen dem Gesamtpersonalrat, dem Theater-Personalrat und den Künstlergewerkschaften DOV, GDBA und VdO – relativ zügig ein befriedigendes Ergebnis erzielt werden. Der bestehende Entwurf sichert nunmehr die Rechtsposition der im Zeitpunkt des Betriebsüberganges auf die GmbH am Theater Beschäftigten ab – sowohl hinsichtlich ihrer tarifvertraglichen Rechte während der Fortführung des Theaterbetriebs durch die GmbH als auch für den Fall einer Schließung des Theaters bzw. einer Insolvenz der GmbH. Dem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB können die Beschäftigten damit gelassen entgegensehen; für den Gebrauch des gesetzlichen Widerspruchsrechts gibt es grundsätzlich keinen Anlass.
Natürlich ist das Problem der drohenden Unterfinanzierung des Theaters durch die angedrohte weitere Mittelkürzung ab 2018 damit nicht behoben. Aber es wird für die Stadt deutlich schwerer, sich des Theaters „auf kaltem Wege“ zu entledigen.
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