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Kulturpolitik

 

Brennpunkte

Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Leuchttürme und Kannibalismus

Der Titel für ein modernes Opernintermezzo? Weit gefehlt – die harte Realität in Mecklenburg Vorpommern. Ein weiteres Mal zittert unser schönes Bundesland unter seinem Kultusminister und seinen leider gar nicht erfreulichen Ideen. Die Hoffnung der Bürger, eine neue Landesregierung möge der Kultur die Hand reichen und die seit über 15 Jahren eingefrorenen Landeszuschüsse dynamisieren, um die Theater zu erhalten und zu fördern, wurde jäh enttäuscht.

Eine Volksinitiative Anfang diesen Jahres brachte 47.000 Unterschriften innerhalb kürzester Zeit, Unterschriften von Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, die sich damit zu ihren Theatern und Orchestern bekennen. Ein Hilferuf auch an die Landesregierung, helfend tätig zu werden, die Kultur – wie in der Landesverfassung verankert – zu schützen.

Und die Landesregierung wurde tätig! Sie beauftragte ein Unternehmen in München, die METRUM Management GmbH, mindestens fünf Modelle zu erarbeiten, wie die stark gebeutelte Kultur in Mecklenburg bis zum Jahre 2020 mit einem Einsparpotenzial von 12 Millionen Euro erhalten bleiben kann. Das Ergebnis wurde Ende September präsentiert. METRUM war fleißig und legte der Landesregierung gleich neun Modelle vor. Vom Kultusminister wurde den Theatern eine Frist gesetzt, sich zu einigen, welches Modell man favorisiere. Seine eigene Entscheidung wollte der Kultusminister erst nach Beendigung der Frist bekanntgeben.

„Erstmals liegt ein detailliertes Gutachten vor, das betriebswirtschaftliche und künstlerische Belange berücksichtigt. Es geht differenziert nach den tatsächlichen Bedingungen der einzelnen Standorte und Sparten vor. Die neun Modelle sind, soweit es erforderlich ist, mit einem Rahmenspielplan untersetzt“, erläuterte Minister Brodkorb. „Außerdem wurden Bedingungen der Tarifverträge in die Überlegungen einbezogen. Das Gutachten ist daher eine sehr gute Grundlage für den weiteren Dialog mit den Bühnen, Orchestern, den künstlerischen Vorständen, Trägern, Personalvertretungen und Verbänden.“

Die neun Modelle hier zu erörtern, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Sie sind jedoch im Internet unter www.regierung-mv.de nachzulesen. Fakt ist, dass nicht ein einziges Modell dazu beiträgt, die bestehenden Strukturen zu unterstützen. Bei jeder Variante wird ein Standort beschädigt: Standorte, die seit Jahren massiv Personal abgebaut und unter größten Anstrengungen Einnahmen erhöht haben. Die von der Politik geforderten Kooperationen und Fusionen wurden nicht unter kulturpolitischen und inhaltlich konzeptionellen, sondern immer nur unter finanziellen Gesichtspunkten gefordert und vorangetrieben. Erstaunlicherweise war aber für die vielen Bestandsanalysen immer und immer wieder Geld vorhanden. „Vom vielen Wiegen wird das Schwein nicht fetter ...“ möchte man rufen.

Lediglich 0,5 Prozent des Landeshaushaltes fließen in die Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern. 0,5 Prozent!!! Ein wirklich verschwindend kleiner Betrag! Eine Dynamisierung der Landesmittel wird ab 2020 zugesagt – aber wohl erst, nachdem weiter kräftig runtergespart wurde in der Kultur. Und die Theater selbst sollen sich gegenseitig zerfleischen – schauen wir mal, wer übrig bleibt…

Die Kommunen im Land wollen ihre Theater behalten, werden aber in die Enge getrieben, da ein Vorschlag von METRUM beinhaltet, die Finanzierung auf das Prinzip des Matching-Funds umzustellen. Das bedeutet, die Landeszuschüsse für die einzelnen Theater werden nur voll ausgezahlt, wenn die Kommunen sich in gleicher Höhe beteiligen. Ein Horrorszenario – anders kann man es nicht nennen und absolut unverständlich, wenn man öffentlichen Medien Glauben schenken darf, welche berichten, dass in Mecklenburg nach jüngsten Steuereinschätzungen für 2012 mit Mehreinnahmen von 150 Millionen Euro gerechnet werden kann.

Den Theatern obliegt es jetzt, vernünftig zu sein, optimistisch in die Zukunft zu schauen, sich nicht zu Kannibalen machen zu lassen, sondern ihren kulturpolitischen Auftrag zu verfolgen. Und der Landesregierung sollte man wünschen, dass sie sich als ein Leuchtturm für ihre Theater versteht. Ein Leuchtturm, der die Richtung weist, Signale setzt und immer ein Licht ins Dunkel sendet, ein Licht, das Rettung bedeutet und nicht Untergang. [Sylke Urbanek]

Piratenangriff auf Bonn

Während der Bonner Oberbürgermeister und der Kölner Kulturdezernent darüber sinnieren, ob sich eine Stadt von 328.000 und eine von über 1 Million Einwohnern nicht (ungeachtet aller kulturhistorischen Unterschiede) einfach eine Oper teilen und damit ordentlich Geld sparen können, betreibt die Bonner „Piratenpartei“ die völlige Schließung der Oper in Bonn – und zwar unter dem Deckmantel eines Bürgerbegehrens, das, da es nicht von der Partei selbst initiiert werden darf, offiziell von 3 Mitgliedern derselben betrieben wird.

Das Szenario könnte folgendes sein: Wenn das Begehren von knapp 10.000 Bonner Bürgern per Unterschrift unterstützt wird, kommt es zu einer Abstimmung im Rat. Lehnt dieser das Ansinnen ab, kommt es zwingend zu einem Bürgerentscheid. Das Begehren muss dann umgesetzt werden, wenn 50Prozent der Abstimmenden, mindestens jedoch ca. 23.000 Wahlberechtigte zustimmen. Bei entsprechender Propaganda hängt die Hürde für den Kahlschlag nicht allzu hoch, zumal unter dem Motto „PSB – Pro Sportstadt Bonn“ die örtlichen Sportverbände, die beim Freiwerden von bislang für die Oper allokierten Mitteln eine kräftige weitere Subventionserhöhung für sich erhoffen, das Begehren zumindest unter der Hand kräftig unterstützen.

Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Kaltschnäuzigkeit eine Partei, die in ihrem Parteiprogramm der Kultur gerade einmal zwei Zeilen widmet, zugunsten einer diffusen „Breitenkultur“ nicht nur generell professionellen Künstlern ihr Einkommen aus dem Urheberrecht, sondern nun auch mindes tens 150 künstlerisch Beschäftigten der Oper Bonn die materielle Existenzgrundlage – quasi als „Kollateralschaden“ – entziehen will.

Völlig ignoriert wird bei der Argumentation, dass die Bühnen der Stadt Bonn seit Hauptstadt-Zeiten bereits eine zweistellige Millionensumme eingespart und rund 250 Stellen gestrichen haben. Damit haben sie sich – mit bemerkenswert wenigen Einschnitten in das künstlerische Angebot – zu einem effizienten schlanken, der Größe der Stadt angemessenen Theater entwickelt. Falsch ist auch die Behauptung, jede verkaufte Opernkarte werde mit ca. 300 Euro subventioniert. Zutreffend ist etwa die Hälfte, und damit wird es ermöglicht, dass ein Theaterbesuch für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich ist. Er ist übrigens billiger als der Besuch eines – mittelbar ebenfalls hoch subventionierten – Fußball-Bundesligaspiels, dem niemand nachsagt, es sei eine elitäre Veranstaltung für Wohlhabende. Und dass sich das Einkommen der meisten Bühnenkünstler im einstelligen Prozentbereich dessen von Bundesliga-Spielern bewegt, sei nur am Rande erwähnt.

Dass die Stadt Bonn 2 Prozent ihres Etats für das Musiktheater ausgibt, halten die „Piraten“ für die „übertriebene Förderung einer Oper, die zudem qualitativ umstritten“ sei. Woher sie insoweit ihre Urteilsfähigkeit und ihre Maßstäbe – sie vergleichen dieses Stadttheater mit Bayreuth und Salzburg – nehmen, bleibt unklar. Fest steht: Mit diesem „Argument“ ließen sich fast alle deutschen Theater schließen. Aber vielleicht ist ja genau das der Gedanke, der hinter der ganzen Aktion steht.


 

 

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