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Forum: Kammersänger Bernd Weikl
Die Aufarbeitung der antisemitischen Vergangenheit in Bayreuth
Eine Installation „Verstummte Stimmen” umkreist seit dem Sommer 2012 die Büste Richard Wagners vor dem Festspielhaus in Bayreuth. Sie vermittelt dem Besucher auf deutliche Weise einen „antisemitischen“ Wagner und seine Mitschuld an der Ausgrenzung und Ermordung jüdischer Künstler im Nationalsozialismus.
Geht man davon aus, dass die meisten Besucher Bayreuths nicht unbedingt jene Schriften des Komponisten von 1850 und 1869 gelesen haben und wenig oder gar nichts wissen über Wagners Buddhismus und Regenerationsschrift, dann vermittelt ihnen diese Installation ein erschreckendes Bild zur Person des Autors und Komponisten. Es ist daher auch diesbezüglich Aufklärung und damit Aufarbeitung dringend notwendig, oder sollen wir die Bayreuther Festspiele endlich schließen? Ausländische Bühnen würden sich freuen und einen hohen Zuwachs an Publikum verzeichnen.
Die Erstveröffentlichung von Richard Wagners Schrift an Frau Mucha-noff (1869) ist in einen Text („Brief“) eingeschlossen, in welchem Wagner die Reaktionen auf seine gegen Juden polemisierende Publikation von 1850 kritisiert:
„Gröbliche Anfälle und schimpfende Abwehr der dem Verfasser des Aufsatzes untergelegten, für unsre aufgeklärten Zeiten so schmachvollen, mittelalterlichen Judenhass-Tendenz, waren das Einzige, was neben absurden Verdrehungen und Fälschungen des Gesagten zum Vorschein kam.“
Schon damals beklagte sich also Wagner darüber, dass er nicht verstanden worden sei und seine Ansichten verfälscht und verdreht würden. Er wurde später von Deutschnationalen und den Nationalsozialisten, sowie seinen eigenen Nachkommen missbraucht und wird heute dafür schuldig gesprochen und als Antisemit bezeichnet. Das ist nicht nur wissenschaftlich unhaltbar!
Wagner kritisierte Juden – wie im 19. Jahrhundert üblich – auf infame Art und ebenso Nichtjuden oder besonders das Christentum. Als Institution bekommt es ebenfalls seine vernichtende Kritik: „... es rechtfertigt eine ehrlose, unnütze und jämmerliche Existenz des Menschen auf Erden.“ Das Christentum habe demnach kein freudiges, selbstbewußtes irdisches Dasein geprägt, sondern den sich selbst verachtenden und schuldbewußten Menschen in einen ekelhaften Kerker eingeschlossen, um ihm post mortem ein Himmelreich zu versprechen. Die Heuchelei, so Wagner, sei überhaupt der hervorstechendste Zug „... der ganzen christlichen Jahrhunderte bis auf unsere Tage ... wie wir in der ganzen Geschichte immer nur ... auf den Despotismus der römischen Kirche ... träfen ...“. Hätte der Nationalsozialismus auch alle Christen in Konzentrationslager gesteckt und umbringen lassen, würde man Richard Wagner dafür schuldig sprechen?
Zur geforderten Aufarbeitung in Bayreuth: Die Historikerin Brigitte Hamann hat Wolfgang Wagners Akten bereits vor Jahren durchsucht und Winifreds Nähe zum Nationalsozialismus und Freund Adolf detailliert beschrieben: „Winifred Wagner und Hitlers Bayreuth“. Und gilt es als völlig richtig, über die während dieser schlimmen Zeit von den Festspielen ausgegrenzten Stimmen zu berichten, dann werden auch heute Künstler in Deutschland verschmäht, wenn sie nicht bereit sind, unter Hakenkreuzen aufzutreten. Deutsche Aufführungspraxis suggeriert zum Beispiel auch dem Ausland, dass Opern von Richard Wagner nur in Begleitung mit nationalsozialistischen Bildern gezeigt werden dürfen. Ohne Hakenkreuze werden Inszenierungen von Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ heute sogar in Tokio als inhaltlich bereinigt und daher als falsch kritisiert.
Der britische Autor und Schauspieler Stephen Frey hat jüdische Wurzeln. Seine Mutter war die Tochter jüdischer Emigranten aus Österreich. In seinem jüngsten Dokumentarfilm „Wagner & Me“ geht er seiner Liebe zu Richard Wagner auf den Grund. Seine Erklärung: Wagners Musik ist wie ein wunderschöner Seidenstoff, den Hitler und die Nazis befleckt haben ... Wagners Musik ist größer, als Hitler sie sich je vorstellen konnte. Stephen Frey erfüllt als Jude genau das, was Theodor W. Adorno wollte, wenn dieser sagte, er habe nichts dagegen, wenn deutsche Kultur vernichtet würde, nur dürfe es nicht durch Juden geschehen ... Auch die großen jüdischen Dirigenten seit Wagner und besonders von heute setzen sich für Bayreuth ein - während eine tendenziöse Heer-Ausstellung, die rund um die Büste Wagners aufgebaut ist und dort auch noch in 2013 bleiben wird, kontraproduktiv wirksam sein muß. Aufgrund dieser Demonstration in Bayreuth und anderswo werden noch mehr Hakenkreuze auf deutschen Bühnen gezeigt werden. Und der damit tätowierte und in Bayreuth entfernte russische Bariton Evgeny Nikitin hätte lieber erklären sollen, dass er sich bewusst so bemalen ließ, um in deutschen Inszenierungen mitwirken zu können.
Wie gut, dass Wagner, der in seiner Zeit von Juden umgeben war, auch heute treue jüdische Freunde hat, die als Dirigenten und sensible Bewunderer seiner Werke weltweit tätig sind und waren. Ich denke dabei unter anderem an James Levine, Lorin Maazel, Georg Solti, Daniel Barenboim (Wir dürfen Wagner nicht den Nazis überlassen) und Leonard Bernstein, dem ich zur Erinnerung an unsere Freundschaft mein neues Buch gewidmet habe. Übrigens hat sich jetzt auch ein Wagner-Verein in Israel gegründet ...
Bernd Weikl
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