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„Kultur ist kein Luxus“, war die Parole einer Großdemonstration in Madrid vor einigen Wochen, wie mir meine erst kürzlich aus Spanien zurückgekehrte Praktikantin berichtete. Angesichts der nicht enden wollenden Diskussionen über die finanzielle Ausstattung der Kulturetats in den Ländern wie in den Kommunen kann ich es nicht lassen, wieder und wieder auf dieses Thema zurückzukommen. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dieses Mal endlich über ein anderes Thema und etwas durchweg Positives zu schreiben, aber angesichts der verschiedenen aktuellen Nachrichten und Äußerungen von Kulturverantwortlichen bleibt mir nix anders als die traurige Jeremiade:
In Mecklenburg-Vorpommern hat die Metrum GmbH kürzlich ihre neun Modelle zur Weiterentwicklung der Theater- und Orchesterstrukturen vorgestellt (s. unsere „Brennpunkte“, S. 6). Leider wurde auch hier nicht die Quadratur des Kreises gefunden, mit der man mit weniger Mitteln (mehr) künstlerische Qualität schaffen bzw. erhalten kann. Das Perfide daran ist, dass sich die Landesregierung und das Kultusministerium mit diesem Schachzug einmal mehr aus der Verantwortung zu stehlen suchen, indem man einen externen Dienstleister beauftragt, alles zu begutachten und dann dessen Ergebnisse den Beteiligten zum Fraß vorwirft und Ihnen die Wahl lässt, für welchen Unsinn sie sich entscheiden sollen. Erst danach wollen die Verantwortlichen selbst Stellung beziehen. Dass sie mit ihren Vorgaben längst Stellung bezogen haben, lässt sich so schon fast geschickt verbergen. Denn die alles entscheidende Frage, die der Dynamisierung der Kulturfinanzierung, bleibt weiterhin – zumindest bis sich der unweigerliche kulturelle Kahlschlag unwiederbringlich realisiert hat – ungeklärt. Von nichts kommt eben nichts.
In Sachsen-Anhalt haben wir den Moderator des mit großem TAM-TAM ins Leben gerufenen Kulturkonvents, der nun in einem Interview die Solidarität der Theater anmahnt: „Ich denke, wichtig wäre, dass die verschiedenen künstlerischen Bereiche im Land besser zusammenarbeiten und untereinander Solidarität zeigen müssen. Der Theaterbereich muss besonders viel Solidarität zeigen.“ Eine schallende Ohrfeige ins Gesicht aller Beteiligten – unabhängig ob arbeitgeber- oder arbeitnehmerseits. Jegliche Mittelkürzungen, Strukturänderungen und -anpassungen der vergangenen Jahre einhergegangen mit einem Stellenabbau von mindestens einem Drittel der Beschäftigten sowie aktuelle Haustarifverträge mit individuellem Gehaltsverzicht von teilweise weit über zehn Prozent bleiben völlig außer Acht.
Gemeinsam haben Mecklenburg-Vorpommer und Sachsen-Anhalt, wie mehr oder weniger alle anderen Bundesländer auch, in diesem Falle, dass vor dem Hintergrund der verständlichen Konsolidierungsmaßnahmen Mittelkürzungen verabschiedet werden, die als unvermeidbar gelten. Dabei wird oftmals vergessen, dass allein durch Einsparungen im Kulturbereich, der in der Regel nur einen Bruchteil der Haushalte ausmacht, kein Haushalt saniert werden kann.
Kultur ist in diesem Sinne auch nicht unmittelbar wirtschaftlich messbar. „Kultur ist das, womit wir unsere Identität, unser Leben verhandeln, eine Grundlage.“, wie der Generalsekretär des Goethe-Institus Johannes Ebert erst kürzlich so passend in einem Interview im Magazin „Kulturaustausch“ (IV/12) konstatierte.
In ganz Europa greift der Raubbau an der Kultur um sich. Auch bei uns, so munkelt man, wird die Krise noch stärker zuschlagen. Deutschland sollte auch auf dem kulturellen Feld in Europa mit gutem Beispiel vorangehen. Unsere Kultur ist ein Anker in Krisenzeiten, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, etwas, das bestehen bleibt und durch Neuinterpretation und -Inszenierung die Aktualität nicht verliert. Wir sind am Zug. Wir müssen deutlich machen: Kultur ist Notwendigkeit und Lebenselixier. Kultur ist kein Luxus.
Gerrit Wedel
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