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Flexibilität und Öffnung
MDR-Sendung zur Bundesversammlung der VdO 2004 – Teil 2 In der Ausgabe 3/2007 von „Oper&Tanz“ veröffentlichten
wir den
ersten Teil einer Podiumsdiskussion, die im Jahr 2004 vom
MDR mitgeschnitten und gesendet wurde. Die Diskussion war der Abschluss
der Bundesversammlung der VdO, in der über Situation, Bedeutung
und Bewusstsein der Opernchöre und Balletttänzer in Deutschland
nachgedacht wurde. Hier nun die Fortsetzung der Diskussion zwischen
Stefan Meuschel, Geschäftsführer der VdO, dem Journalisten
Frieder Reininghaus, dem Chordirekter der Semperoper, Matthias
Brauer, und Claudia Schäfer, Chorsängerin am Coburger
Theater. Moderiert wurde die Sendung von Bettina Volksdorf.
Bettina Volksdorf: Zum Kulturauftrag der Theater
gehört ja
auch, dass sich gerade große Theater dem zeitgenössischen
Musiktheater widmen, und ich denke, gerade die großen Häuser
haben da eine besondere Verpflichtung. Wenn ich an ein Ausnahmestück
denke wie Lachenmanns „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“:
Dieses Stück bedeutete für die meisten Chorsänger
absolutes Neuland, das war künstlerisch eine Grenzerfahrung,
weil es eben nicht mehr nur um den Umgang mit der Stimme, sondern
mit dem gesamten Körper ging. Brauchen Opernchöre möglicherweise
auch diese Ausnahmeprojekte, um dann entsprechend in der Öffentlichkeit
dafür honoriert zu werden? Frieder Reininghaus: Mit Sicherheit
bringen solche Stücke
das Theater insgesamt weiter und gewiss auch die Chorsänger;
zumal, wenn sie dort als Solisten agieren. Überhaupt kennt
das Theater keinen Stillstand – Regressionsphasen kennt es
durchaus. Seit es am Ende der Renaissance entstanden ist, entwickelte
gerade auch das Musiktheater sich ständig weiter, kreierte
immer wieder neue Gattungen, Genres, Stilrichtungen und Produktformen.
Der Chor profitiert in der Regel, wenn er von den Innovationsprozessen
nicht ausgeschlossen wird. Als größtes Problem erscheint
mir hinsichtlich des unaufhaltsamen Fortschritts jedoch, dass von
den wenigstens 100 Kompositionsaufträgen, die hier zu Lande
jedes Jahr vergeben werden, nur drei oder vier noch mit großer
Chorbesetzung bedacht werden. Der überwiegende Teil der Auftrags-Produktionen
führt zu Kammeropern; diese lassen sich gerade auch in kleinen
Häusern mit wenig Aufwand relativ rasch produzieren – eine
Sparmaßnahme. Ein Nebeneffekt besteht meist darin, dass die
Häuser durch die Uraufführung in die Presse kommen, vielleicht
sogar in die überregionale, dass die einzelnen Produktionen
jedoch vergleichsweise viel weniger kosten als eine gut ausgestattete
Mozart-Produktion oder irgendein mittlerer Verdi. Leicht kann der
Chor zu den Modernisierungsverlierern am Theater gehören.
Dagegen müssen die Chorvorstände und die Chorgewerkschaft
gegebenenfalls angehen und von den Intendanten fordern beziehungsweise
bei Mäzenen anregen, dass bei der Auftragsvergabe auf die
Mitwirkung des Chores geachtet wird.
Volksdorf: Um noch mal auf das „Mädchen mit den Schwefelhölzern“ zurückzukommen:
Die Einstudierung von Lachenmanns Musiktheater an der Staatsoper
Stuttgart war auch so etwas wie Knochenarbeit. Das war nicht nur
ein Jahr richtig straffe Arbeit gerade auch mit dem Chor, sondern
es kostete wohl bei einigen Kollegen aus dem Chor einige Überzeugungsarbeit.
Letzten Endes wurde das Produkt so abgeliefert, dass es überregional
für Aufmerksamkeit gesorgt hat, aber es braucht, glaube ich,
doch Mut, Neugierde und Begeisterungsfähigkeit gerade im Chor,
um so etwas realisieren zu können. Herr Meuschel, der Zeitfaktor
für die Einstudierung eines solchen zeitgenössischen
Werkes ist ja nicht zu unterschätzen. Wie stünden Sie
eigentlich dazu oder wie stünde die VdO als Berufsverband
dazu, wenn man jetzt mal laut darüber nachdenken würde,
die Probenzeiten gelegentlich etwas flexibler zu gestalten?
Stefan Meuschel: Dagegen ist nichts
einzuwenden und es gibt keinen zeitgemäßeren Tarifvertrag als den, den die Opernchöre
haben. In Übereinstimmung mit dem Opernchor-Vorstand kann
jede Arbeitszeit beliebig verlängert werden. Wir sind so flexibel,
wie die Arbeitgeberverbände nur träumen können.
Volksdorf: Herr Brauer, entspricht
das Ihren Erfahrungen als Chordirektor?
Matthias Brauer: Ich kann ja nur
von meiner ureigensten Erfahrung sprechen, die ich mit meinem Chor
in Dresden mache. Wir
sind schon
sehr flexibel in den Probenarbeiten, denke ich, und das ist ein
Geben und Nehmen. Aber so flexibel sehe ich das Tarifrecht, wenn
ich es schwarz auf weiß lese, überhaupt nicht. Es wäre
wunderschön, wenn es denn so wäre, aber kein Chorvorstand,
mag er noch so willig sein, wird sich gegen seine eigenen Chorkollegen
stellen. Im Zweifel findet diese Probe nur in den tarifrechtlich
vorgegebenen Zeiten statt. Ich persönlich habe diese Erfahrung
nicht gemacht und gerade in schwierigen Situationen haben wir sehr
flexible Lösungen in Dresden. Aber vom Tarifrecht her sehe
ich es so einfach nicht.
Ich möchte nur ganz kurz zu Lachenmann etwas sagen. Ich bin
kein Gegner der modernen Musik. Aber ich glaube, die Erfahrungen,
die man dabei macht, sind letztendlich immer Grenzerfahrungen.
Allein die technischen Möglichkeiten für ein solches
Stück sind für meine Begriffe begrenzt und in zu großer
Häufung leidet die Qualität der normalen Klangkultur
eines Chores darunter. Volksdorf: Wir haben einen Vertreter des Stuttgarter Opernchor-Ensembles
im Publikum. Herr Czerny, ist das so, wie Herr Brauer das formuliert
hat? Wäre das auf Dauer eine Stimmschädigung?
Henrik Czerny: Ja, das würde ich sofort unterschreiben. Wenn
man das auf Dauer macht, dann können Sie die klassische Oper
praktisch vergessen. Die Anforderungen, die wir dort hatten, waren
ja praktisch fern jeden Gesangs. Wir haben Geräusche produziert,
wir hatten mit Dingen zu tun, mit denen man sonst nie zu tun hat,
wir haben mit Styropor gearbeitet, mit Panflöten, die völlig
verfremdet wurden und Ähnliches. Aber vor allem die stimmliche
Belastung ist enorm, weil es wirklich mit Gesang nichts mehr zu
tun hat. Und wenn Sie das mehrfach im Jahr machen – abgesehen
davon, dass natürlich der Zeitaufwand immens ist und andere
Teile in der Oper oder im Opernchor, die probiert werden müssen,
darunter leiden – dann verlieren Sie schlichtweg irgendwann
den Kontakt zum ganz normalen Gesang.
Reininghaus: Ich musste nicht mitsingen,
könnte mir aber vorstellen,
dass fünf Jahre ausschließlicher Beschäftigung
mit Lachenmanns Musik zur Abkoppelung von anderen musikalischen
Erfahrungen führt. Für den Hörer und den Rezipienten
war eine bestimmte Tendenz, die der Oper inhärent ist, auf
die Spitze getrieben, nämlich die arbeitsteilige Erzeugung
eines Gesamtkunstwerkes. Das stellt besondere Belastungen an die
Mitwirkenden, stellt eine besondere Zumutung dar. Nun kann man
die Frage aufwerfen: Werden solche Stücke in Zukunft nur noch
von Spezial-Ensembles ausgeführt, die sich mit besonderen
Spiel- und Kultur-Techniken vertraut machen? Oder wird es im Repertoire-Betrieb
des deutschen Staats- und Stadttheaters auch noch mitgenommen als
Bestandteil eines breiten Spektrums, das von Monteverdi bis zur
Gegenwart reicht? Spezial-Ensembles werden ihre Aufgaben ggf. sehr
perfekt ausführen können. Wenn aber Oper mit breiter
Basis in einer konkreten kommunalen, regionalen Öffentlichkeit
funktioniert und Bedeutung behält, dann kann dies ein respektabler
Beitrag zu einem demokratischen kulturellen Spektrum sein. Das
Einmalige am mitteleuropäischen Theaterbetrieb ist ja, dass
bislang eine erhebliche Breite gegeben war und dass allen Opernkrisen
zum Trotz ein allgemeiner Anspruch des Musiktheaters aufrechterhalten
wurde. Man kann ihn preisgeben aus ökonomischen Gründen
oder aus künstlerischen Erwägungen, nach denen man erstrebenswerte
Perfektion nur noch Spezial-Ensembles zutraut. Ich neige aber gerade
aus kulturpolitischen Erwägungen dazu, den „breiten
Anspruch“ des Stadt- und Staatstheaters nicht vorschnell
preiszugeben.
Meuschel: Um Ihre Frage von vorhin zu beantworten:
Es ist schlagender Beweis, dass sich in den beiden Häusern Staatsoper Stuttgart
und Hamburgische Staatsoper auch die Produktion „Das Mädchen
mit den Schwefelhölzern“ völlig reibungslos in
den Betrieb einfügen ließ. Das sogenannte Tarifrecht
im Musiktheater-Bereich ist wirklich so flexibel, dass die Verantwortung
für die Verlängerungen der Probenzeit eben nicht vom
Tarifvertrag diktiert, sondern in den Betrieb verlagert wird. Wenn
das dann im Betrieb schiefgeht, wenn das Einvernehmen zwischen
Theaterleitung und Chor nicht hergestellt werden kann, dann muss
man fragen, warum das so ist.
Volksdorf: Ein Thema Ihres Kongresses
war auch die Frage nach „Chor
und Regie“. Das scheint ein heißes Eisen zu sein. Wir
sind vorhin auch über die Frage ins Gespräch gekommen,
inwiefern ein Chorvorstand zum Beispiel ein Mitspracherecht bei
der Spielplanpolitik haben sollte. Herr Reininghaus, ich dachte
ja, in Zeiten des modernen Regietheaters wäre nicht nur jeder
Solist, sondern auch fast jeder Chorist glücklich. Dem ist
nicht so.
Reininghaus: Der Konflikt zwischen
Regisseuren und Mitarbeitern hat mancherlei Ursachen und Ausprägungen. Ein Grund für
Unzufriedenheit der übrigen Mitarbeiter kann sich einstellen,
wenn ein Regisseur zum Beispiel seine Sichtweisen eines Stückes
beziehungsweise seine „Zutaten“ nicht aus der Sache
selbst ableitet, sondern wenn er offensichtlich von werkfremden
oder gar theaterfremden Überlegungen geleitet wird. Solange
Stücke aus dem Geist des Regietheaters interpretiert, die
Aktualisierungsbedürftigkeit und Brüchigkeit der Stücke
selber beim Wort genommen werden, solange die Vorgehensweisen auch
in den Häusern den Mitarbeitern vermittelt wird, müsste
und dürfte es funktionieren.
Meuschel: Der Chor maßt sich nicht an, Beurteiler des Regietheaters
zu sein oder eine wesentliche Partie in dieser heillosen Diskussion
um das Regietheater spielen zu wollen. Was der Chor aber zu Recht
verlangen kann: Ob Regietheater oder Nicht-Regietheater, wenn da
irgendein Schauspiel-Hansel kommt, der nicht einmal Noten lesen
kann, und behauptet, er inszeniere jetzt Oper; wenn irgendein hergelaufener
Filmregisseur kommt und dem Opernchorsänger einen Helm überstülpt
und sagt „Jetzt sing mal schön“ oder „Steh
dabei die ganze Zeit mit dem Rücken zum Publikum“ – gegen
all diese Dinge, die rein auf handwerklichem Unvermögen beruhen,
sollte sich der Chor viel stärker zur Wehr setzen, als er
es tut. Denn die schaden allen. Die schaden dem Musiktheater, die
schaden dem Chor und befördern eine Regiekultur, die wir nicht
haben wollen, nämlich die Regiekultur der Amateure.
Volksdorf: Herr Brauer, ist die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichsten
Regisseuren für Sie als Chordirektor ein ständiger Kompromiss
im Hinblick auf die Klangkultur?
Brauer: Oft, ja. Im Chorsaal versucht
man ein Optimum an Qualität
zu bringen, und dann kommt der Regisseur... Es gibt sehr viele
Regisseure, mit denen man wunderbar zusammenarbeiten kann. Es gibt
aber eben auch die Regisseure, die wirklich von der Musik keine
Ahnung haben, die sich ein Bild gemacht haben von einem Stück
ohne Musik, und die das dann versuchen umzusetzen. Die Menge der
Regisseure allerdings, gerade auch in der letzten Zeit, die bei
uns in Dresden gearbeitet haben, die haben schon wirklich ein sehr
gültiges und sehr gutes Konzept gehabt und sind vor allem
für Hinweise vom Chorvorstand oder von mir zur klanglichen
oder musikalischen Realisation dankbar.
Volksdorf: Herr Reininghaus, kürzlich erst veröffentlichte
die Zeitschrift „Opernwelt“ wie jedes Jahr ihre Umfrage,
eine Spielzeitbilanz für die Spielzeit 2003/2004. Da gibt
es nun in diesem Jahr kein Opernhaus des Jahres, sondern es wurde
das deutsche Stadttheater in seiner Gesamtheit zum Opernhaus des
Jahres gekürt. Hat denn dieses weltweit einzigartige deutsche
Stadttheatersystem eine Zukunft? Ist es so, wie es ist, wo jetzt
Glanz und Elend so nah beieinanderliegen, für kommende Generationen überhaupt
zu erhalten?
Reininghaus: Das deutsche Staats-
und Stadttheatersystem hat Zukunft – bei
allen ihm zugefügten Beschädigungen durch die immer wieder
zum Zuge kommenden Banden und Einzeltäter minderen Talents!
Die Frage ist nur, wie die Perspektiven aussehen: ob sie „weitere
Verschlankung“ bedeuten oder ob die Politiker – von
der Bundesebene bis hinunter zu denen der finanziell zweifellos
gebeutelten Städte – bereit sind, dieses Kleinod zu
erhalten und in der geopolitisch betrachtet kleinen Region Mitteleuropa
diese Besonderheit zuzulassen. Wenn sie das Theatersystem jetzt
demontieren, wird dieselbe Politikerkaste sich in 30 oder 50 Jahren
die Haare raufen und fragen, warum „man“ eine einst
zukunftsfähige Kulturlandschaft mutwillig beschädigte.
Volksdorf: Herr Meuschel, Sparen
contra Erhalt der historisch gewachsenen Theater- und Kulturlandschaft:
Was konkret kann denn die VdO tun,
um Kündigungen zu verhindern, um die Theater in ihrer Struktur,
in ihrer Substanz zu erhalten?
Meuschel: Sie leistet etwas, das
an sich gegen ihre Überzeugung
ist, sie schließt, gemeinsam mit anderen Gewerkschaften,
Haustarifverträge ab. Sie tut das an den Theatern, an denen
die Alternative heißt: Personalabbau, Spartenschließung
oder sonst eine einschneidende Maßnahme. Und sie tut es nach
Befragung ihrer Mitglieder: Was ist dir lieber, dein Gehalt oder
dein Arbeitsplatz? Und wie viel von deinem Gehalt bist du bereit,
aufs Spiel zu setzen, um deinen Arbeitsplatz zu erhalten? Es gibt
inzwischen 64 Haustarifverträge in der Bundesrepublik, die
im Orchesterbereich mit eingerechnet. Die VdO ist sozusagen eine
Art Mischung aus Notarzt und Feuerwehr.
Volksdorf: Wobei viele Häuser diese Haustariferträge
als eine Notlösung, eine Lösung für eine bestimmte
Zeit, also eine Überbrückungsphase oder -möglichkeit
verstehen.
Meuschel: Alle drei Künstlergewerkschaften, die Deutsche Orchestervereinigung,
die Bühnengenossenschaft und wir, waren sich einig: Dieses
Instrument darf nur dann angewendet werden, wenn ein absehbarer
Zeitraum wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu überbrücken
ist. Inzwischen haben wir natürlich lernen müssen, dass
dieser absehbare Zeitraum ein unabsehbarer geworden ist. Wie das
dann im Endeffekt enden soll und ob es überhaupt wieder die
Möglichkeit gibt, dass diese durch Haustarifverträge
schlechter zahlenden Theater sich wieder in den normalen Geleitzug
eines Flächentarifvertrages einreihen können, ist eine
offene Frage. Was die VdO aber auch machen kann: Wenn sich schon
alles ändert, müssen wir mithelfen beim Ändern und
müssen auch bereit sein zum Ändern. Da wird sicherlich
vieles auf die Chöre zukommen, nicht nur auf die Chöre,
sondern auch auf die Ensembles. Ich bin der Meinung, dass der Opernchor
sich – zum Beispiel durch eigene Konzerte – stärker
ins Kommunalleben einbringen könnte, als er es tut. Da bestehen
gewisse Chancen. Ich sagte vorhin kritisch, ein Kunstkommunikationsinstitut
wie das Theater leide unter dem Mangel an innerer Kommunikation.
Ein Großteil der Stadttheater leidet auch an einem Mangel
an Kommunikation nach außen. Wenn ich in eine Kartenverkaufshalle
eines Theaters morgens hineinkomme, und es ist kalt und staubig
und eine unfreundliche Verkäuferin weiß kaum, was abends
gespielt wird, dann frage ich mich: Warum liegen hier nicht Zeitungen,
und warum kann ich hier nicht meinen Espresso trinken, während
ich das Programmheft lese? Das Stadttheater sollte doch mehr sein
als nur die abendliche Darbietungsstelle für mehr oder weniger
gute Inszenierungen. In Aachen hatte Esterhazy das Problem: Soll
der Chor Adventssingen machen? Unsere Kollegen waren völlig
verdutzt, als sie bei uns um Rat fragten und wir sagten: Wenn das
unter vernünftigen Bedingungen stattfindet, dann raus mit
dem Chor und rein in die Stadt. Die Stadt muss wissen, dass es
euch gibt.
Volksdorf: Raus mit dem Chor und
rein in die Stadt – ich
glaube, damit hat Frau Schäfer mit ihrem 24 Mann starken Chor
kein Problem. Ich denke aber, es ist Zeit für ein Resümee,
und das würde ich gerne zuerst von Ihnen erfragen, Frau Schäfer:
Nicht alle haben drei Tage an diesem Kongress teilnehmen können,
dennoch, denke ich, gibt es bestimmte Ergebnisse, Hoffnungen und
Wünsche, Anregungen, die Sie von diesem Kongress, von dieser
ersten Bundesversammlung mitgenommen haben und die Sie jetzt natürlich
zu Hause an die Kollegen weitergeben werden Frau Schäfer?
Claudia Schäfer: Ja natürlich! Wir sind hierhergekommen
in der Hoffnung, dass wir unsere Position als VdO-Ortsdelegierte
stärken können, dass wir das lernen. Und soweit ich aus
Gesprächen mit vielen heraushören konnte, haben wir das
auch gelernt.
Meuschel: Und wir haben thematisiert, wo wir veränderungsbereitwillig
sind und wo wir vielleicht sogar gegen manche Überzeugung
an den Veränderungen mitarbeiten müssen. Volksdorf: Müssen Opernchorsänger per se mehr Eigeninitiative
entwickeln? Ist das vielleicht auch ein Ergebnis dieses Kongresses,
Frau Schäfer?
Schäfer: Ich denke, das ist
auf jeden Fall sehr wichtig. Wir versuchen das eigentlich schon
an den Häusern. Wir versuchen
ja, an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir haben letztes Jahr
in Coburg ein Galakonzert gegeben, weil wir wissen, wie wichtig
es ist, dass die Öffentlichkeit uns als eine Säule des
Theaters sieht.
Meuschel: So wenig die Gewerkschaft
einen pädagogischen Auftrag
gegenüber ihren Mitgliedern hat, war es aber doch auch ein
wenig das Bestreben: Ihr müsst euch an selbstständigeres
Handeln und Denken im Theater gewöhnen und es lernen, um eben
im Theater auch als Partner ernst genommen zu werden! Dass ihr
Euch im Dialog mit eurem Chordirektor bei den nicht stattfindenden
Regiesitzungen zu Wort melden könnt, dass ihr wirklich mal
gehört werdet: Wie beurteilen wir als die Macher eigentlich
eine Premiere? Anstatt uns nur auf die Anmerkungen der Kritiker
zu verlassen. Diese Selbstständigkeit des Ensemblekünstlers
im Theater zu fördern, war eines der Ziele dieser Bundesversammlung. |