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Eine verpasste Chance
„Fausta“-Uraufführung in Trier · Von Andreas Hauff
Fausta, die Titelheldin der am Theater Trier uraufgeführten
Oper, war die zweite Frau Konstantins des Großen. Diesem
römischen Kaiser widmet sich zurzeit die viel beachtete „Landesausstellung
zur Kulturhauptstadt 2007 Luxemburg und Großregion“.
Drei Teilausstellungen in den großen Museen der Stadt vermitteln
ein lebendiges Bild jener Umbruchzeit im 4. Jahrhundert, als sich
das Christentum durchsetzte und Trier prachtvolle Kaiserresidenz
war. Zu den Glanzstücken der Schau im Dom- und Diözesanmuseum
gehört die Rekonstruktion eines unter dem Dom gefundenen römischen
Deckengemäldes, das Fausta in der Mitte zeigt. Es ist eine
Trierer Geschichte und zugleich eine Staatsaffäre, derer sich
der Trierer Komponist Heinz Heckmann (geb. 1932) und sein Librettist,
der Trierer Arzt und Schriftsteller Heiner Martini (1915–2001),
angenommen haben. Konzipiert wurde ihr Werk schon 1981 – 1984
als szenisches Oratorium.
Die Premiere der Oper war späte Wiedergutmachung für
die 1985 an der Raumfrage gescheiterte Uraufführung, Nachdem
Konstantin von den Truppen seines verstorbenen Vaters im britischen
York zum Kaiser ausgerufen worden war, sorgten die Scheidung von
seiner ersten Frau und die Verbindung mit Fausta, der Tochter des
in Rom residierenden Kaisers Maximian, für die nötige
politische Legitimation. Doch 326 kam es am Kaiserhof zu einer
Familientragödie. Konstantin ließ zuerst Crispus, seinen
Sohn aus erster Ehe, vergiften und einige Zeit später Fausta
beim Bad ersticken. Angeblich hatten die zwei eine Liebesaffäre,
doch das kann auch ein Vorwand gewesen sein, um sie aus dem Weg
zu schaffen. Heckmann und Martini bleiben bei der offiziellen Lesart
und deuten sie idealistisch. Sie sehen den Monarchen gefangen zwischen
der Liebe zu seiner ehebrüchigen Frau und der Staatsräson.
Letztere wird durch die Kaiserinmutter Helena vertreten, die vehement
gleiches Recht für alle Delinquenten fordert.
Zunächst reflektieren die Figuren der Handlung (einschließlich
des in Rückblende auftretenden Crispus) zusammen mit dem Chor
Geschehenes und Künftiges. Dann wird Konstantins Ehefrau Fausta
verurteilt, hingerichtet und von einem Fährmann in die Unterwelt
geleitet. Den verzweifelten Kaiser tröstet der Kirchenvater
Laktanz mit der Aussicht auf künftige christliche Barmherzigkeit,
und der Chor besingt das aus Liebe erfolgte Selbstopfer. Inhaltlich
ist das unbefriedigend, denn schon das heidnische Rom kannte die
sprichwörtliche „kaiserliche Milde“, während
sich das Christentum oft genug blutrünstig zeigen sollte.
Und anstatt die Unwiderruflichkeit der Todesstrafe zu problematisieren,
verwechseln Heinz Heckmann und Heiner Martini Fremdgehen mit Nächstenliebe.
Eine intelligente Inszenierung allerdings könnte diese Widersprüche
fruchtbar machen und zugleich einer interessanten Facette des Werkes
nachgehen: der Überlagerung christlicher und heidnischer Bilder
und Vorstellungen, wie sie im 4. Jahrhundert tatsächlich an
der Tagesordnung war.
Regisseur Hermann Keckeis und Bühnenbildner Karel Spanhak
boten plumpe Personenführung und plakative Bebilderung über
dem mit Vorhängen zugedeckten Orchestergraben. Angefangen
von den wie Wagnersche Nibelungenzwerge unter den Abdeckungen hervorquellenden
Bühnenarbeitern über die völlig verquere Stilisierung
des heidnischen Fährmanns zum orthodoxen Juden bis hin zur
Apotheose des Ehebruchs unter dem Zeichen des Kreuzes erlebte man
eine Aneinanderreihung szenischer Peinlichkeiten. Der Chor war
trotz seiner Schlüsselrolle von der Bühne verbannt. Sein
Part kam aus dem Lautsprecher und verriet schlechte Vorbereitung:
Unsauber und angestrengt wirkten vor allem die hohen Stimmen. Von
den Solisten überzeugte nur Annette Johansson. Sie verlieh
der Fausta einen Charme und eine Zerbrechlichkeit, die berührten.
Das auf der Bühne sitzende Philharmonische Orchester allerdings
brachte unter GMD István Dénes die Partitur sensibel
und sauber zur Geltung. Einzig hier spürte man die atmosphärische
Kraft von Heckmanns Musik, die erkennbar auf Breitenwirkung und
Verständlichkeit zielt. Oft erinnert sie an Hindemiths oder
Weills Stil der frühen 30er-Jahre. Nur dem Orchester gelang
damit die Anknüpfung an das hohe Niveau, das das Trierer Ensemble
zuvor bei „Andrea Chénier“ und „Wozzeck“ bewies.
Schade um die verpasste Chance! Insgesamt rächte sich wohl
die Halbherzigkeit, mit der diese Uraufführung angegangen
wurde: Um Platz für die Antikenfestspiele zu machen, verschwand „Fausta“ schon
nach der zweiten Aufführung wieder vom Spielplan. Dabei hat
Saint-Saëns’ Oper „Samson und Delila“ mit
der römischen Antike nichts zu tun. Ohne organisatorische
und inhaltliche Vernetzung der Kulturangebote aber, wie sie etwa
den Wormser Nibelungen-Festspielen gelingt, haben auch die Antikenfestspiele
keine Zukunft.
Andreas Hauff
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