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Zwei Ereignisse, die zufällig fast zeitgleich, zufällig
beide im Land Sachsen-Anhalt sich abspielten, setzten gegen Ende
der abgelaufenen Spielzeit 2006/2007 öffentlich wahrgenommene
kulturpolitische Ausrufungszeichen. Die Ereignisse fanden unter
gänzlich verschiedenen Vorgaben statt – gesittete Kulturpolitiker
im verbalen Argumentestreit mit Theatermachern hie, ungesittete
Politrabauken in handfester Prügelei mit Theatermachern dort – und
waren doch die zwei Seiten einer Medaille.
Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz hatte
zum 30. Mai zu einer Theaterkonferenz ins Anhaltische Theater Dessau
geladen,
die den Auftakt zu den Verhandlungen über die Landeszuschüsse
in den Jahren 2009 bis 2012 an die in Sachsen-Anhalt ausschließlich
kommunalen Theaterträger bilden sollte.
Olbertz selbst appellierte eingangs an die Kommunen, sich auch
finanziell zu ihren Theatern zu bekennen, sie könnten sich
dann auch auf das Land verlassen. Dem hielt Dessaus Oberbürgermeister
Karl Gröger entgegen, dass der Stadtrat zwar zu seinem Theater
stehe, seine Finanzierungsmöglichkeiten aber ebenso erschöpft
seien wie die Sparpotentiale des Theaters. Der neue Finanzierungsvertrag
werde mehr als bisher zu leisten haben. Das aber wollte der Minister
nicht hören: Auch Kultur dürfe nur in dem Umfang gefördert
werden, den man sich leisten könne. Sachsen-Anhalt unterhalte
immerhin elf Bühnen an sieben Standorten.
Nur
kulturell erfolgreiche Gesellschaften könnten auch ökonomisch
erfolgreich sein, stellte Ulrich Blum, Präsident des Instituts
für Wirtschaftsforschung in Halle, daraufhin lapidar fest.
Es beruhe der Erfolg der französischen Küche nicht auf
den Köchen, sondern auf den Gaumen der Speisenden. Kultur
sei, korrigierte er den Minister, ein Optionsgut, eine Veranstaltung
mit einem hohen Grad „gesellschaftlicher Pfadfindung“,
ein „dem Airbag vergleichbares Vertrauensgut“, das
der Investitionen bedürfe.
Des Bühnenvereins Präsident, Klaus Zehelein, hieb in
die gleiche Kerbe: Er verwies auf die rund 200 Haustarifverträge,
die zum Erhalt der Theaterstandorte abgeschlossen wurden, und auf
den seit 1992 erfolgten Personalabbau: von 45.000 Beschäftigten
in Theatern und Orchestern seien nur noch 38.000 übrig geblieben.
Die Kürzungspolitik der Länder und Kommunen müsse
jetzt ein Ende haben, könne es angesichts des wirtschaftlichen
Aufschwungs auch. Sachsen-Anhalt werde 2007 237 Millionen Steuer-Mehreinnahmen
verbuchen. Theater sei ein unverzichtbares „Gehäuse
eines gesellschaftlichen Gedächtnisses, in dem Vergangenheit
aufgerufen und die gegenwärtig vorgestellte Zukunft verhandelt“ werde.
Gleich Blum warnte er vor kurzfristigen Kosten-Nutzen-Rechnungen
in der Kulturpolitik.
Die Aktualität dieser ja beinahe schon rituellen Debatte erwies
sich wenig später. In der Nacht zum 9. Juni wurden in Halberstadt
fünf Mitglieder des Nordharzer Städtebundtheaters nach
der Premiere der „Rocky Horror Show“ von Neonazis überfallen
und krankenhausreif geprügelt. Natürlich nicht, weil
sie Schauspieler, sondern weil sie anders waren. Aber weil sie
Schauspieler waren, bekam der Vorfall ein besonderes, vor allem
medienträchtiges Gewicht. Die Politik entdeckte die politische
Dimension, die zivilgesellschaftliche Bedeutung des Theaters, selbst
wenn es nicht „Fidelio“ oder „Anne Frank“ spielt.
Halberstadts Oberbürgermeister, Andreas Heller, musste einräumen: „Eine
Gesellschaft, die an der Kultur spart, entwickelt eine Unkultur,
sie verroht.“ Die Verrohung einer alleingelassenen, perspektivlosen
Jugend ist das überwölbende Problem, in dessen Folge
dann erst die neonazistischen Horden in Halberstadt oder die in
Frankfurts S-Bahn die Fahrgäste anpöbelnden Jugendlichen
in Erscheinung treten. Heller will sich dafür stark machen,
die bereits beschlossene Kürzung der Betriebszuschüsse
für das Städtebundtheater, die faktisch seine Schließung
bedeuten würde, wieder rückgängig zu machen. Das
sollte dann auch das Land Sachsen-Anhalt honorieren, weil es sich
leisten muss, was es leisten muss.
Nicht nur dem Nordharzer Städtebundtheater ein herzliches „toi,
toi, toi!“ für die neue Spielzeit. Ihr Stefan Meuschel
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