Multimediales Seebühnen-Spektakel
„Tosca“ in Bregenz · Von Stefan Rimek
Die Musiktheaterproduktionen auf der Bregenzer Seebühne haben
naturgemäß immer auch etwas Imposantes. Das liegt schon
allein an den Ausmaßen des Bühnenbildes und der Kulisse.
Aber natürlich muss man aus diesem gigantischen Ambiente auch
etwas machen. Und wie schon den Regisseuren der letzten Jahre,
die Puccinis „Bohème“ oder Verdis „Troubadour“ fesselnd
inszenierten, gelang das auch Philipp Himmelmann, der in diesem
Jahr Giacomo Puccinis „Tosca“ auf die Bühne brachte.
Die Inszenierung weist so viele originelle Einfälle auf,
dass es den Rahmen einer Rezension sprengen würde, wollte
man auf alle diese Innovationen näher eingehen. Eine der imposantesten
Szenen ist zweifelsohne jene als der hingerichtete Cavaradossi
am Ende von einem sich neigenden, kreisförmigen Podest in
den Bodensee entsorgt wird und somit nach mehreren Metern freiem
Fall der Länge nach auf dem Wasser aufklatscht und mit viel
Gischt in den Fluten verschwindet. Eine echte Herausforderung für
einen Operntenor, zumal dieser dann im Rahmen dieses spektakulären
Abgangs nach dem Abtauchen auch noch unter die Seebühne schwimmen
muss. (Sollte das Ganze dennoch ein Stunt gewesen sein, war dieser
gut verdeckt.)
Aber nun der Reihe nach: Das von Johannes Leiacker gestaltete
gigantische Bühnenbild der Bregenzer Bühne, das von einer 50 Meter
langen und 25 Meter hohen Wand geprägt wird, welche ein riesiges
Auge enthält, bietet ein breites Forum für die von Himmelmann
abwechslungsreich angelegten Bewegungsabläufe. Das Auge verkörpert
das zentrale Motiv der Inszenierung, die sich mit dem Thema Freiheit
ebenso wie mit deren Missbrauch auseinandersetzt. Das Auge klappt
seine Iris nach vorn, bietet damit eine kreisförmige Podestbühne
für die Auseinandersetzung zwischen Scarpia und Tosca und
gibt somit auch den Blick frei auf die dahinter harrende geballte
Geistlichkeit, welche dem menschenverachtenden Treiben Scarpias
und seiner Schergen regungslos zusieht.
Die Lücke der vorgeklappten Iris wird dann mit flexiblem
Material verschlossen und bietet somit eine Trennwand zwischen
Scarpias Büro und der Folterkammer einerseits sowie eine Projektionsfläche
für die bis in das Unterbewusste reichende fesselnde Videokunst
andererseits. Um in das Innere von Cavaradossis Verlies zu gelangen,
klappt sich lediglich die Pupille des Auges weg.
Die überraschenden Soundeffekte mit den Kirchenglocken aus
allen Richtungen sowie die Klangfarben einer Hybridorgel komplettieren
die multimediale Auslegung der Inszenierung. Die zeitgenössischen
Kostüme von Jorge Jara (Tosca im roten Seidenhosenanzug, dann
im geschlitzten rosa Abendkleid, Scarpia im weißen Smoking)
unterstreichen die zeitlose Aktualität dieser Produktion.
Von den Bühnenakteuren beeindruckte an diesem Premierenabend
am meisten Zoran Todorovich durch seine geschmeidige und in den
Fortissimo-Passagen packend kraftvolle Tenorstimme. Auch seine
verständliche Textartikulation verdient Lob. Kaum nach stand
ihm Nadja Michael als Tosca. Gidon Saks gab zwar keinen Scarpia
nach Heldenbariton-Manier, trug aber ebenso wie Sebastian Soules
als Angelotti oder Martin Winkler in den Rollen des Mesners und
Kerkermeisters zum gelungenen Auftakt der Inszenierung bei.
Die Wiener Symphoniker agierten unter der Leitung von Ulf Schirmer
durchwegs leidenschaftlich und loteten die Dynamikgefälle
der Partitur packend aus. Selbiges gilt auch für den von Philip
Sunderland geleiteten Festspielchor. Der intensive Applaus der
7.000 Besucher war gerechtfertigt.
Stefan Rimek |