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Der Zukunft zugewandt
Die 3. Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes · Von
Stefan Meuschel
Das 1983 in Kraft getretene „Gesetz über die Sozialversicherung
der Künstler und Publizisten“, kurz „Künstlersozialversicherungsgesetz“ (KSVG)
genannt, ist mit Zustimmung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages – nur „Die
Linke“ stimmte dagegen – im März 2007 zum dritten
Male novelliert worden. Dank intensiver Vorberatung im Beirat der
Künstlersozialkasse und an dem vom Deutschen Kulturrat und
dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiierten „Runden
Tisch“, an dem Künstler und Publizisten sowie die so
genannten Verwerter gemeinsam berieten, waren diese zum 1. Juli
2007 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen auch von breitem
Konsens der Interessengruppen der Kunst- und Medienbranche getragen.
Das KSVG regelt die Renten-, Kranken- und soziale Pflegeversicherung
der selbständigen Künstler und Publizisten. Abgrenzungskriterium
ist also die „Selbständigkeit“. Wer als Arbeitnehmer
abhängig beschäftigt ist, fällt nicht in den Geltungsbereich
des KSVG sondern unterliegt den allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen
Bestimmungen einschließlich der Arbeitslosenversicherung,
die das KSVG nicht kennt.
An den deutschen Bühnen nach Normalvertrag Bühne beschäftigte
Künstler sind in aller Regel Arbeitnehmer. Ausnahmen können
bei projektbezogenen Gastverträgen vorliegen, wobei es jedoch
immer auf den Vollzug der künstlerischen Tätigkeit in
der Praxis, nicht auf die Formulierungen des Gast-, Arbeits-. Dienst-
oder Werkvertrages ankommt. Angesichts des einigermaßen chaotischen
deutschen Statusrechts, nach dem es allgemeinverbindliche Begriffe
für selbständige Freiberuflichkeit einerseits, abhängige
Arbeitnehmereigenschaft andererseits im Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht
nicht gibt, ist in Zweifelsfällen Einzelfallprüfung,
sogar ein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung-Bund
(früher BfA) ratsam.
Übt der Bühnenkünstler neben seiner abhängigen
Beschäftigung zusätzlich freiberuflich versicherungspflichtige
Tätigkeiten aus, entscheidet die für ihn zuständige
Krankenkasse, welche seiner Tätigkeiten als die ihrer wirtschaftlichen
Bedeutung nach für ihn hauptberufliche anzusehen ist und nimmt
die entsprechenden Verrechnungen vor.
Da diese Probleme unter sozialversicherungsrechtlichem Blickwinkel
allein nicht lösbar sind, hat die jüngste Novellierung
des KSVG sich mit ihnen nicht befaßt. Ebenso wenig sahen „Runder
Tisch“ und Gesetzgeber sich in der Lage, einem im Koalitionsvertrag
zwischen CDU/CSU und SPD des weiteren formulierten Auftrag zur
Sicherung des KSVG nachzukommen. „Zur Stabilisierung der
Finanzierung (ist) eine sachgerechte Beschreibung des Kreises der
Begünstigten vorzunehmen...“, heißt es da. Mit „Begünstigten“ meinten
die Koalitionspartner die pflichtversicherten Künstler und
Publizisten, deren Zahl zwischen 1992 und 2005 von 58.460 auf 148.303
angewachsen war. Weil diesem Aufwuchs keine entsprechende Entwicklung
der Verwerterabgaben gegenüber steht, der Bundeszuschuß trotz
1999 erfolgter Absenkung von 25 auf 20 Prozent schon 2005 die 100
Millionen-Euro-Marke überschritten hatte, drohte das auf 50
% Versichertenbeiträgen, 30 % Verwerterabgaben und 20 % Bundeszuschuß basierende
Finanzierungsmodell aus dem Ruder zu laufen. Der Abgabesatz für
die Verwerter, der im Jahr 2000 noch 4 % der Entgelte betragen
hatte, kletterte 2005 auf 5,8 %. Die jetzt erfolgte Novelle verfolgte
vor allem den Zweck, diese systembedrohende Entwicklung aufzuhalten
und das kultur- und sozialpolitisch beispielhafte Versicherungsmodell
zukunftsfest zu machen.
Die „Begünstigten“, die da „sachgerecht
zu beschreiben“ wären, sind in § 2 des KSVG genannt: „Künstler
im Sinne dieses Gesetzes ist, wer Musik, darstellende oder bildende
Kunst schafft, ausübt oder lehrt. Publizist im Sinne dieses
Gesetzes ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer
Weise publizistisch tätig ist oder Publizistik lehrt.“ Künstler
ist, wer Kunst schafft – soll der Gesetzgeber also „sachgerecht
beschreiben“, was Kunst ist? Kann er das überhaupt,
wo doch schon das Bundesverfassungsgericht, ihm nachfolgend das
Bundessozialgericht zu nicht mehr gelangt sind, als „eine
in den Werken und Darbietungen zum Ausdruck kommende eigenschöpferische
Leistung“ dem Kunstbegriff zu Grunde zu legen und „als
materielle Voraussetzung aber ein relativ niedriges Niveau an freier
schöpferischer Gestaltung genügen zu lassen.“ In
der „Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht“ hat
Andreas Schrierer in seinem Beitrag „Der Begriff der Kunst
im Künstlersozialversicherungsrecht“ die Schwierigkeiten
dieser Begriffsfindung beschrieben, die heute mehr denn je dem
aus dem Märchen bekannten Graben eines Tunnels durch den Grießbrei ähnelt.
Der „Runde Tisch“ debattierte Qualitätskriterien,
eine Anknüpfung an das Urheberrechtsgesetz und einen Künstlerkatalog – um
es dann doch als sachgerecht anzusehen, weiterhin der Kasuistik
der Gerichte zu vertrauen.
Dennoch besteht begründete Hoffnung, die Gesetzesnovelle werde
ihren Zweck erfüllen. Die „Begünstigten“ werden
künftig zwar nicht auf ihr Künstlertum, aber auf ihre
Berechtigung überprüft, Mitglied der Künstlersozialkasse
sein zu können. Voraussetzung hierfür ist die erwerbsmäßige
und dauerhafte Ausübung einer selbständigen Tätigkeit
als Künstler oder Publizist, die sowohl ein Mindesteinkommen
voraussetzt als auch korrekte Einkommenseinschätzungen und
gegebenenfalls –korrekturen. Künftig wird pro Jahr eine
Stichprobe von mindestens 5 % der Versicherten gezogen, die auf
Verlangen Einkommensteuerbescheide oder Gewinn- und Verlustrechnungen
vorzulegen haben.
Auch die zur Entrichtung der Künstlersozialabgabe verpflichteten
Unternehmen, Kultureinrichtungen und Vereine, die Leistungen freiberuflicher
Künstler und Publizisten in Anspruch nehmen, werden künftig
besser erfaßt und überprüft. Die Prüfverfahren,
zu denen die Künstlersozialkasse mit ihrem äußerst
knapp bemessenen Personalstand nur sporadisch in der Lage war,
werden ab Juli 2007 von den Prüfern der Deutschen Rentenversicherung
vorgenommen und zwar im Rahmen der turnusmäßigen Kontrolle
der ordnungsgemäßen Entrichtung der Sozialabgaben für
die jeweils abhängig Beschäftigten. Verwerter und Künstlersozialkasse
erwarten sich als Folge dieser Neuerungen endlich Abgabengerechtigkeit
und nicht zuletzt eine allmähliche Absenkung des Abgabesatzes,
der bereits für 2007 von 5,8 auf 5,1 % gemindert wurde.
Kontakte:
Künstlersozialkasse bei der Unfallkasse des Bundes, Gökerstraße
14, 26384 Wilhelmshaven
Telefon: 04421/7543-9
Deutsche Rentenversicherung Bund, Hallesche Straße 1,
10963 Berlin
Telefon: 030/ 865-1
Weitere Informationen zur Künstlersozialversicherung:
„
Entwurf eines III. Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes“ (Autoren:
Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz). Das Buch kann unter der
Bestellnummer A 299 beim Bundesministerium für Arbeit und
Soziales per Telefon 0180/51 51 510, per Telefax unter 0180/51
51 511 oder
per E-mail
unter info@bmas.bund.de bestellt
werden. Es wird kostenlos abgegeben.
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