Wege zu Schönberg
Mutiges Engagement und hohe Kompetenz
Arnold Schönberg (1874–1951):
Frühe Lieder op. 6, 14, und 15
Melanie Heinz, Mezzosopran
Josef Anton Scherrer, Klavier
panOfon 2006 – MS 10604CD
Arnold Schönbergs Wunsch, man möge ihn für „eine
bessere Art von Tschaikowsky halten, um Gottes Willen ein bisschen
besser, aber das ist auch alles. Höchstens, dass man meine
Melodien kennt und nachpfeift …“, verrät mancherlei:
Humor, die eigene Fehleinordnung seines kompositorischen Schaffens,
vor allem die seit bald 120 Jahren immer größer werdende
Kluft zwischen der nicht zum Popbereich gehörenden musikalischen
Entwicklung und den Hör- und Rezeptionsgewohnheiten eines
breiteren Publikums. Populär ist Schönberg allenfalls
unter dem Namen des von Thomas Mann erdichteten Tonsetzers Adrian
Leverkühn, dem im „Doktor Faustus“ das Zwölftonsystem
zugeschrieben wird. Melodien aus den Gurreliedern (1911) pfeift
wohl niemand und der Opernleiter, der „Moses und Aron“ (1930/32)
auf den Spielplan setzt, mutet seinen Abonnenten „zeitgenössische
Klassik“ zu.
So ist es denn weniger die Entdeckung einer Marktnische als vielmehr
mutiges Engagement, wenn Melanie Heinz (Mezzosopran) und Josef
Anton Scherrer (Klavier) auf ihrer ersten CD eine Auswahl der frühen
Lieder Schönbergs vorlegen: die acht Lieder op. 6 (1903–1905),
die zwei Lieder op. 14 (1907–1908) und vor allem die fünfzehn
Lieder nach Gedichten aus „Das Buch der hängenden Gärten“ von
Stefan George op. 15 (1908–1909). Sind in Opus 6 und Opus
14 noch Schönbergs Nähe zu Hugo Wolf und der Einfluss
seines Lehrers (und Schwagers) Alexander von Zemlinsky hörbar,
so findet Schönberg bei der George-Komposition den Weg zu
seinem eigenen Stil einer zunächst spätromantischen Atonalität.
Die um 1895 für Ida Coblenz, Georges wohl einzige nicht-homoerotische
Affektion, geschriebenen „Hängenden Gärten“ sind
von weit gefächertem gedanklichen und sprachlichen Anspruch;
wie Melanie Heinz den geheimnisvollen Text und seine Brechung durch
Schönbergs musikalische Umformungen text- und zugleich sinnverständlich
interpretiert, ist von hoher Kompetenz. Ihr weicher, klarer Mezzo
vermag im Dialog mit Scherrers mal unisono, mal polyphon geführter
Klavierpartnerschaft dem einigermaßen morbiden George-Text
voller Bilder unerfüllter Liebesseligkeiten seinen Zeitgeist
zu belassen und ihn dennoch notentextgetreu zu vergegenwärtigen.
Melanie Heinz, bei Margit Kobeck und Sena Jurinac ausgebildet,
1988 Bayreuth-Stipendiatin des Richard-Wagner-Verbandes, ist Mitglied
des Staatsopernchores Hannover unter Chordirektor Dan Ratiu. „Die
Befähigung zu solistischer Leistung ist Voraussetzung für
die Mitgliedschaft einer Opernsängerin im Chor“, hatte
schon Walter Hagen-Groll formuliert. Nikolaus Kuhn
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