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Land des Schwächelns?
Die Operette – Musikmagazin „taktlos“ über eine aussterbende Gattung
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Die Künstler erhalten einen Korb

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Ich finde mein Leben wunderbar
Christoph Forsthoff im Gespräch mit der Sängerin Angela Denoke
Die Kunst soll irritieren
Reinhard Schulz im Gespräch mit Olga Neuwirth

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Kulturpolitik

Brennpunkte

Zur Situation deutscher Theater und Orchester

Berlin

Die FDP-Fraktion hat der Bundesregierung eine nicht weniger als 77 Punkte umfassende Große Anfrage zum finanziellen Engagement des Bundes in den Kultureinrichtungen Berlins vorgelegt. Kritisiert wird vor allem der Umfang der Förderung der hauptstädtischen Kultureinrichtungen durch den Bund: 64,3 Prozent des Etats der Staatsministerin für Kultur, mehr als 400 Millionen Euro pro Jahr, flössen in die Berliner Kultur, ohne dass demokratische Transparenz gewährleistet oder ein Konzept erkennbar sei.

Anlass der Anfrage dürfte die harsche Kritik des Bundesrechnungshofes an der Vergabepraxis der Mittel des 10,3 Millionen Euro umfassenden „Hauptstadt Kulturfonds“ sein, der allein vom Bund gespeist, aber nahezu allein von der Stadt verteilt wird. Doch der tatsächliche Grund ist wohl, dass die FDP-Bundestagsfraktion sich wieder einmal von der Berliner FDP instrumentalisieren lässt, der die ganze Richtung der Berliner Kulturpolitik nicht passt und die es nicht verwunden hat, dass sie die Errichtung der Stiftung Oper in Berlin nicht verhindern konnte. Deutlich wird diese Stoßrichtung, wenn die Bundestagsfraktion gegen das Gesetz zur Übernahme der Akademie der Künste, der Stiftung Kinemathek und der Betriebskosten des „Hamburger Bahnhofs“ durch den Bund stimmt, ist dieses doch die Voraussetzung dafür, den Berliner Kulturhaushalt zu Gunsten der Opernstiftung um 22,2 Millionen Euro zu entlasten.

Nur eine Frage der FDP wäre verständlich: Wann endlich im Dschungel von Föderalismus-, Verfassungs-, Kulturenquete-Kommissionen und -unterkommissionen verfassungsrechtlich geklärt wird, welche Pflichten und Rechte der Bund für seine Hauptstadt hat. Deren Kulturpolitik zeichnet sich allerdings eher durch Tollpatschigkeit als durch Geschick aus. Als bei der Suche nach einem Opernstiftungsdirektor, bei der wenige der mitteleuropäischen Musiktheatermanager unangefragt, und nur Frankfurts Geschäftsführender Intendant Bernd Fülle und Basels Künstlerischer Direktor Michael Schindhelm als Kandidaten übrig geblieben waren, platzte der Entscheidungsprozess, weil Fülle sich durch ein vermeintliches Ausspionieren seiner Fähigkeiten durch den Feuilleton-Chef des Berliner „Tagesspiegel“ wohl zu recht desavouiert fühlte und dem Kultursenator Thomas Flierl mitteilte, „das nunmehr detaillierte Wissen um Ihre Methoden der Entscheidungsvorbereitung zur Besetzung der Stelle“ des Opernstiftungsdirektors beende seine Bereitschaft, nach Berlin zu gehen. Alle Beteiligten räumen Fehler ein, äußern ihr Bedauern, wollen nichts Böses im Schilde geführt haben – doch es bleiben angesichts dieser Vorgänge, die an Heinrich Manns Kleinstädter erinnern, nicht nur ein übler Nachgeschmack, sondern vor allem die Feststellung, dass Flierl seinem Stiftungsprojekt Schaden zugefügt hat. Die Berliner SPD hat den Stiftungsrat aufgefordert, das Verfahren der Kandidatensuche neu aufzunehmen.

Das Schlossparktheater in Berlin-Steglitz, einst Kleines Haus des Schiller-Theaters, nahm inzwischen unter neuer, privater Leitung seinen Spielbetrieb wieder auf: Das Publikum feierte die Europapremiere des Broadway-Musicals „Pinkelstadt“ („Urinetown – The Musical“) mit stehenden Ovationen.

Freiberg-Döbeln

Die neue Regierung des Freistaats Sachsen will die ihr hinterlassenen Fusionspläne, die auch das Mittelsächsische Theater und die Landesbühnen Sachsen in Radebeul betrafen (s. „Oper & Tanz“, Ausgabe 6/03, S. 6) überprüfen. Die Mittelsächsische Theater und Philharmonie GmbH in Freiberg-Döbeln bleibt zunächst selbstständig; die zur Finanzierung beitragenden Haustarifverträge sollen für die Spielzeiten 2005/06 und 2006/07 verlängert werden.

Freiburg

Das Theater Freiburg muss, angesichts der angespannten Haushaltslage der Stadt, Ende dieser Spielzeit eine seiner vier Spielstätten schließen. Die Aufgabe des bisher überwiegend der Kleinkunst dienenden „Theatercafé“ mit 165 Plätzen entlastet den Etat um jährlich 300.000 Euro.

Leipzig

„In (der Industriestadt) Chemnitz wird das Geld verdient, in (der Handels- und Bankenstadt) Leipzig wird es vermehrt und in (der Hauptstadt) Dresden wird es ausgegeben“, sagte einstmals der sächsische Volksmund. Und die Stadt Leipzig beherzigte seit jeher das von dem liberalen Politiker der 1848er-Revolution, Robert Gerwig, vortrefflich formulierte ökonomische Erfolgsrezept: „Das Gewerbe muss auf der Wissenschaft fußen, die Kunst muss es kleiden, der Handel es ernähren.“
Ihre Kleidung lässt die Stadt Leipzig sich durchaus etwas kosten; rund zehn Prozent des Etats fließen in die Kultur. Allein für ihre drei Theater (Oper Leipzig, Schauspiel Leipzig, Theater der Jungen Welt) und das Gewandhaus(-orchester) zu Leipzig stellt sie pro Spielzeit rund 70 Millionen Euro an Betriebszuschüssen bereit. „Doch jetzt haben wir ein Problem“, sagt umschreibend Leipzigs Kulturdezernent Georg Girardet. Einerseits erfordert auch der Leipziger Kommunalhaushalt, gleich allen anderen Deutschlands, erhebliche Konsolidierungsanstrengungen; 1.660.700 Euro sollen Oper und Gewandhaus jeweils in den Haushaltsjahren 2005 bis 2007 einsparen – durch Gehaltsverzicht der Beschäftigten? Andererseits wurde dem Mailänder Dirigenten Riccardo Chailly, den die Stadt ab der Spielzeit 2005/06 als Gewandhaus Kapellmeister und Generalmusikdirektor der Oper verpflichtet hat, eine Aufstockung der Betriebszuschüsse für Oper und Gewandhaus um zwei Millionen Euro unter anderem für seinen Gästeetat zugesichert. Pressemeldungen zufolge hat Chailly nach seinem umjubelten Einstandskonzert, Verdis Messa da Requiem im Opernhaus, angedroht, sein Amt gar nicht erst anzutreten, sollten die ihm gemachten Zusagen nicht eingehalten werden. „Chailly steht zu Leipzig, hat aber mahnend den Zeigefinger gehoben“, ließ Gewandhausdirektor Andreas Schulz verlauten.

Girardets „Problem“ ist ein einfaches Rechenexempel: Rund 3,7 Millionen Euro im Jahr fehlen, um Leipzig, wie von allen gewollt, wieder zur Musikmetropole zu machen. Zwei Millionen, hofft Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee, könnte der Freistaat Sachsen beisteuern, dessen neue CDU/SPD-Koalition eine Anhebung der Kulturraumgelder vereinbart hat. 1,7 Millionen brächte die Gehaltsabsenkung, die von der Stadt von allen ihren Beschäftigten gefordert wird. Sie hat den Deutschen Bühnenverein bereits beauftragt, mit den Gewerkschaften Verhandlungen über einen entsprechenden Haustarifvertrag aufzunehmen.

Der sächsische Volksmund von Einst ist derzeit nicht zitierfähig, Robert Gerwigs Erfolgsrezept von 1848 aber sollte nicht in Vergessenheit geraten.

München

 
 

Edita Gruberova: Protest gegen Orchesterauflösung. Foto: Timpe

 

Ist es dem Staatsintendanten Klaus Schultz gerade gelungen, die Auflösung des am Gärtnerplatz-Theater beheimateten Ballett-Theaters München unter der Leitung von Philip Taylor zu verhindern (s. „Oper & Tanz“, Ausgabe 5/04, S. 8), wobei die mit dem Kunstministerium gefundene „konstruktive Lösung“ hinsichtlich ihrer Finanzierung einigermaßen im Dunkeln bleibt (geringfügige Erhöhung der Eintrittspreise und Umschichtungen im Etat), so droht der Landeshauptstadt schon neues Unheil: Der Bayerische Rundfunk hat als Reaktion auf die höchstwahrscheinlich geringer, als von der KEF empfohlen, ausfallende Anhebung der Rundfunkgebühren (0,88 statt 1,09 Euro) beschlossen, das Kleinere seiner beiden Orchester, das „Münchner Rundfunkorchester“ im Jahr 2006 aufzulösen. Dessen Chefdirigent, der Leiter des „La Fenice“ in Venedig Marcello Viotti, legte mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder. Münchens Opernliebling, die Sopranistin Edita Gruberova, wandte sich in einem Offenen Brief an Ministerpräsident Edmund Stoiber, der einer der Verursacher der geringeren Gebührenanhebung ist, und forderte den Erhalt des 71-köpfigen Orchesters, das sich vor allem seiner Jugendarbeit wegen verdient macht. Sie erbitte die persönliche Hilfe Stoibers, schrieb Gruberova, „bei der Zähmung gewisser Sparwüteriche, die durch ihre Kunst- und Kultur-Zerschmetteraktionen die deutsche Nation in bessere Zukunft zu führen glauben“.

Plauen-Zwickau

Für den Fortbestand der durch die einschneidenden Betriebszuschuss-Kürzungen durch die Stadt Zwickau gefährdeten Theater Plauen-Zwickau gGmbH samt Philharmonischem Orchester gibt es wieder Hoffnung (s. hierzu „Oper & Tanz“, Ausgabe 3/04, S. 6 und Ausgabe 5/04, S. 8). In Erwartung einer Anhebung der für die sächsischen Kulturräume zur Verfügung stehenden Mittel und einer moderateren Kürzung der Zwickauer Zuschüsse hat das Theater den Deutschen Bühnenverein gebeten, bei den Gewerkschaften zu sondieren, ob durch haustarifvertragliche Gehaltsverzichte der Beschäftigen das Haus gesichert werden könne.

Saarbrücken

Jetzt hat die Kultur-Abrissbirne mit voller Wucht erstmals auch ein veritables Staatstheater getroffen. Die saarländische Landesregierung hat beschlossen, die Zuwendungen an die Staatstheater GmbH (Saarländisches Staatstheater und Staatsorchester Saarbrücken, ein Dreispartenhaus mit rund 480 ständig Beschäftigten) in den Jahren 2006 bis 2009 von derzeit 24,5 Millionen Euro degressiv in vier Jahresschritten auf 18,5 Millionen Euro abzubauen. Bereits in der Spielzeit 2005/06 wird die Kürzung rund eine Million Euro betragen. „In einem Kulturbetrieb wie dem Saarländischen Staatstheater“, schrieb einen Tag vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe der Generalintendant Kurt Josef Schildknecht der VdO, „dessen größter Aufwandsposten die Personalausgaben sind (etwa 82 Prozent der Gesamtaufwendungen) und dessen Zuschuss letztendlich um 25 Prozent gekürzt wird, kann nur ein Personalabbau zu wirksamen Einsparungen führen...“.

In der Tat ist es fraglich, ob eine solch brutale Maßnahme durch Haustarifverträge derart abzufangen ist, dass Struktur und Qualität des Theaters nicht im Kern beschädigt werden. Theaterleitung, Gewerkschaften und Betriebsrat sind politisch und konzeptionell gefordert.

Sachsen-Anhalt

Wenn der Landtag in Magdeburg dem mit den Stimmen der CDU-/FDP-Koalition gefassten Beschluss seines Kulturausschusses folgt, werden die Theater in Dessau, Halle und Magdeburg in den Jahren 2005 und 2006 jährliche Kürzungen der Betriebszuschüsse zwischen sechs und sieben Prozent hinnehmen müssen. Einen Antrag der SPD, wenigstens nach Übergangslösungen zu suchen, die den Theatern eine Vorbereitung auf die Etateinbrüche erlaube, wies Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz mit den Argumenten zurück, die Mittelkürzungen seien den Bühnen schon vor Jahresfrist angekündigt worden, sie seien geringer als geplant ausgefallen und jede Verzögerung schiebe auch die notwendigen Strukturreformen hinaus. Tatsächlich sprach er von „Reformen“.

Das Anhaltische Theater wird gegebenenfalls mit 605.000 Euro gekürztem Betriebszuschuss auskommen müssen, den Bühnen der Stadt Halle werden 704.000 Euro fehlen, dem Theater Magdeburg 523.000 Euro (vgl. „Oper & Tanz“, Ausgabe 5/04, S. 8). Weiterer Gehaltsverzicht, Personalabbau oder Spartenschließungen lautet wie stets die Frage.

Thüringen

Bis 2008 laufen die Theater- und Orchester-Zuwendungsverträge, die der Freistaat Thüringen mit den Rechtsträgern der Kultureinrichtungen abgeschlossen hat. Ministerpräsident Dieter Althaus und sein neuer für die Kultur zuständiger Minister Jens Goebel (beide CDU) haben angekündigt, dass die Förderung ab 2009 weder in der bisherigen Form, noch in der bisherigen Höhe fortgesetzt werden könne. Ein entsprechendes Konzept werde die Regierung Ende 2005 vorlegen.

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