Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater
Bautzen/Budyšin
Das Vorhaben, die Theater in Bautzen, Görlitz und Zittau zu
einem Städtebund- oder Kulturkreistheater zusammen zu legen,
ist vom Tisch. Das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen (Schauspiel)
und das Sorbische National-Ensemble Bautzen (Musiktheater) werden
fusioniert. Ersteres muss jedoch im Juni 2003 seinen Spielbetrieb
auf der Hauptbühne wegen erheblicher Brandschutzmängel
einstellen. Da die Mittel für die vorgesehene Sanierung –
rund 1,3 Millionen Euro – nur zu einem Drittel vorhanden sind,
ist die für Februar 2004 geplante Wiedereröffnung in Frage
gestellt. Das National-Ensemble verfügt über keine eigene
Spielstätte. „Und weiß der Wind nicht mehr wohin,
so weht er über Budyšin“, heißt es im Lied.
Berlin
Kulturstaatsministerin Christina Weiss hat dem Land Berlin eine
Mitfinanzierung der Berliner Opernstiftung und des so genannten
„Stellenpools“ aus Bundesmitteln zugesagt. Bedingung
sei jedoch, dass der Senat alsbald zu einer auch haushaltsrechtlichen
Einigung über das Strukturkonzept „Oper in Berlin“
gelange.
Der Austritt des Landes Berlin aus dem kommunalen Arbeitgeberverband
unmittelbar vor dem Abschluss der diesjährigen Lohn- und Gehaltsrunde
mit dem Ziel, die Tarifsteigerungen nicht übernehmen zu müssen,
sei rechtsunwirksam, befand das Berliner Arbeitsgericht und gab
damit der Gewerkschaft ver.di Recht. Abgesehen davon, dass das Land
Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen will, hat es für die
Angestellten des Landes Berlin – und damit auch für die
ausgesetzten Verhandlungen zwischen dem Deutschen Bühnenverein
und den Künstlergewerkschaften VdO, GDBA und DOV keine Bedeutung;
es bezieht sich nur auf die Arbeiter.
Brandenburg
Der Städteverbund-Vertrag, der nach dem beispiellosen Kulturabbau
im Land Brandenburg (siehe O&T, Ausg. 2/99) zwischen den Städten
Brandenburg, Frankfurt/Oder und Potsdam geschlossen wurde, um eine
Art Notversorgung zu sichern, die von unzurechnungsfähigen
Kultur-Ministerialen allerdings als Modell gepriesen wurde, läuft
Ende 2003 aus. Unter Moderation der brandenburgischen Kulturministerin
Johanna Wanka wird derzeit ein Folgevertrag beraten.
Der Vertrag bündelt die Reste des Kulturkahlschlags, den ihr
Vorgänger Steffen Reiche veranstaltet hatte: Die Stadt Brandenburg
ist für das Musiktheater zuständig, verfügt aber
weder über Opernchor, Solistenensemble oder Werkstätten,
muss also alles fallweise engagieren beziehungsweise in Auftrag
geben; in Frankfurt/Oder sitzt das für Sinfonie-Konzerte, aber
nicht für Opernproduktionen zuständige Staatsorchester
und das Potsdamer Hans-Otto-Theater betreibt vor allem das Schauspiel.
Da der Vertrag nur die wechselseitigen Gastspiele regelt, es aber
– anders als bei einem echten Städtebund- oder Landestheater
– sowohl an gemeinsamer Leitung als auch Planung mangelt,
funktioniert dieser Verbund dreier selbstständiger Rechtsträger
mehr schlecht als recht.
Die Ministerin, der obendrein Sparauflagen mit auf den Verhandlungsweg
gegeben wurden, sollte die Konstruktionsfehler des auslaufenden
Vertrags erkennen und in der Lage sein, die drei Städte von
der Notwendigkeit der Errichtung eines gemeinsamen Städtebundtheaters
zu überzeugen.
Das Positive zum Schluss: Nach dem Entwurf des Kölner Architekten
Gottfried Böhm ist mit dem Neubau des Hans-Otto-Theaters in
Potsdam begonnen worden; am Fundament im märkischen Sand wird
bereits gearbeitet.
Dortmund
Das Theater Dortmund muss eine Absenkung des Betriebszuschusses
um rund 265.000 Euro verkraften. Das Land Nordrhein-Westfalen, das
im Vergleich zu anderen Bundesländern die geringsten Mittel
für die Theater aufwendet und auch kein eigenes Theater unterhält,
hat den Zuschuss um rund 18 Prozent gekürzt.
Staatsoperette Dresden
Gerade mal an der Schließung vorbeigeschrammt (vgl. O&T
Ausg. 6/02, S. 8) sieht sich die Staatsoperette Dresden, ungeachtet
ihres Namens ein städtisches Theater, neuen Schwierigkeiten
ausgesetzt. Die Landeshauptstadt Dresden hat für ihre Bediensteten
einen Bezirkstarifvertrag abgeschlossen, nach dem deren regelmäßige
wöchentliche Arbeitszeit ohne Lohnausgleich ab ersten April
2003 auf 36, ab ersten Januar 2004 auf 37 Stunden heruntergefahren
wird. Die Stadt will mit dieser Arbeitszeitverkürzung rund
11,7 Millionen Euro sparen.
Da diese Maßnahme auch das nicht-künstlerische Personal
der Staatsoperette, der Dresdner Philharmonie und des Theaters Junge
Generation betrifft, müssten, so Staatsoperettenintendant Wendrich,
monatlich vier Vorstellungen ausfallen – für ein Haus
mit hoher Auslastung und entsprechend hohen Eigeneinnahmen eine
Horrorvorstellung.
Eisenach
Wenn der Stiftungsrat der Kulturstiftung Meiningen, der Rechtsträger
des Südthüringischen Staatstheaters Meiningen, mitspielt,
dann stellen sich Oberbürgermeister und Stadtrat der Stadt
Eisenach die Zukunft ihres ab der Spielzeit 2003/04 wieder selbständigen
Musik- und Tanztheaters folgendermaßen vor: In der Spielzeit
2003/04 wird ein „Repertoire des Übergangs“ gespielt,
währenddessen die Landeskapelle zunächst von 51 auf 41,5
Stellen, dann auf 36 Stellen reduziert, das Tanzensemble von 10
auf 15 Stellen aufgestockt wird. Höchstens zwölf Sänger
werden engagiert; der Opernchor wird zum Ende der Spielzeit aufgelöst.
Ab der Spielzeit 2004/05 steht der Meininger Opernchor „aufgrund
der geringeren Anzahl hauseigener Produktionen auch für Eisenach
zur Verfügung.“ Für die beiden großen Bühnen
in Meiningen und Eisenach produziert ab 2004/05 Meiningen drei bis
vier Musiktheater- und drei Schauspielinszenierungen, Eisenach zwei
Spielopern oder Operetten sowie je ein Musical und einen Ballettabend.
Drei Konzerte werden gemeinsam durchgeführt, auch eine Märchenvorstellung.
Im Übrigen produziert Meiningen weitere Schauspiele, Eisenach
Tanzabende und Kammeropern.
Umgesetzt wird sein Beschluss, so der Eisenacher Stadtrat, erst
dann, wenn Meiningen die Verringerung der Stellenzahl seines Orchesters
von derzeit 68 „auf unter 60“ beschlossen haben wird.
Von einer Fusion zu sprechen, weigern sich beide Städte. Von
„engerer Zusammenarbeit“ ist die Rede; Eisenachs „Theatertod
in Raten“ ist die zutreffende Bezeichnung.
Görlitz
Es sah bedrohlich aus: Die Gesellschafterversammlung der Musiktheater
Oberlausitz/Niederschlesien GmbH, deren alleiniger Gesellschafter
ab dem 1. April 2004 die rund 65.000 Einwohner zählende Stadt
Görlitz sein wird, hatte unter dem Druck der Sparzwänge
beschlossen, den 20-köpfigen Opernchor aufzulösen, die
Lausitzer Philharmonie von derzeit 56 auf 21 Stellen abzuschmelzen
und weiteres Personal zu entlassen. Taschen-Musiktheater auf Sparflamme!
Hintergrund dieses Vorhabens war die hohe Verschuldung der Stadt
an der polnischen Grenze, deren Beschäftigte aufgrund eines
Bezirkstarifvertrages bereits auf rund zehn Prozent ihrer Vergütungen
verzichten, und das Ausscheiden der bisherigen Mitgesellschafter,
der Stadt Hoyerswerda und des Kulturraumes Oberlausitz/Niederschlesien.
Nachdem die Beschäftigten des Theaters, wie in Altenburg-Gera
unter Anführung eines rührigen Betriebsrates und unterstützt
von der Görlitzer Bevölkerung, zu erkennen gaben, dass
sie bereit seien, „ihr Haus“, ein gerade musterhaft
renoviertes Bürgertheater-Schmuckstück aus der Mitte des
19. Jahrhunderts, durch erheblichen Gehaltsverzicht mitzufinanzieren,
ruderte der Görlitzer Stadtrat zurück. Wenn es gelänge,
ein durch Haustarifverträge untermauertes Konzept zu entwickeln,
das den Betrieb innerhalb des bis 2007 gedeckelten Betriebszuschusses
von 7,8 Millionen Euro fortzuführen erlaube, werde der Personalabbau-Beschluss
rückgängig gemacht.
Es darf gehofft werden: Gewerkschaften, Betriebsrat, Bühnenverein
und kommunaler Arbeitgeberverband haben entsprechende Vertragsentwürfe
verhandelt. Von Entwarnung aber kann noch keine Rede sein: Das Regierungspräsidium
in Dresden hat den vom Görlitzer Stadtrat beschlossenen Haushalt,
der auch den Betriebszuschuss für das Theater in Höhe
von 2,5 Millionen Euro beinhaltet, zunächst einmal mangels
Haushaltssicherung abgelehnt. Die Stadt will sich wehren.
Görlitz bewirbt sich für 2010 als Kulturhauptstadt Europas.
Ein abgewickeltes Theater wäre hierfür gewiss eine Attraktion.
München
Die Landeshauptstadt München schmückt sich mit mehreren
blühenden Musiktheatern und muss dafür kaum etwas bezahlen.
Rechtsträger der Staatsoper und des Gärtnerplatz-Theaters
ist der Freistaat Bayern, der rund 92 Prozent der Betriebszuschüsse
zahlt. Doch München beabsichtigt, seinen Zuschuss für
die Staatsoper um jährlich rund 360.000 Euro zu kürzen.
Hoffentlich reduziert der Freistaat nicht im Gegenzug seinen Zuschuss
für die städtischen Münchner Kammerspiele.
Weimar
Die seit neun Monaten ausgehandelten Haustarifverträge zwischen
der DNT Weimar GmbH und den Gewerkschaften, die den Fortbestand
des DNT als selbstständiges Dreispartentheater sichern sollen,
sind von der Gesellschafterversammlung noch immer nicht gebilligt,
somit auch noch nicht unterschrieben worden.
Wuppertal
Wie die seit zwei Jahren, nach der aufgelösten Fusion mit
Gelsenkirchen wieder selbständige Wuppertaler Bühnen GmbH
bei einem Jahresetat von rund 13 Millionen Euro Oper und Schauspiel
betreiben könne, wie es Generalintendant Gerd Leo Kuck zugesagt
hatte, war Insidern von vornherein ein Rätsel. Jetzt droht
zum Spielzeitende ein Defizit von rund 300.000 Euro, vor allem verursacht
durch die katastrophale Nicht-Auslastung des Schauspiels. Um die
Insolvenz abzuwenden, wurden zunächst einmal 19 Bühnentechniker
betriebsbedingt gekündigt. Pina Bausch, die im Herbst 2004
in Wuppertal das Internationale Tanzfestival NRW ausrichten soll,
dürfte begeistert sein.
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