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Brenn-Punkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Aachen und andere
Auf Einladung des nordrhein-westfälischen Kultusministers
Dr. Michael Vesper haben sich die Kulturdezernenten und Intendanten
der Städte Aachen, Dinslaken, Moers, Neuss sowie Krefeld und
Mönchengladbach in Düsseldorf zu Gesprächen über
die Möglichkeiten zukünftiger verstärkter Zusammenarbeit
getroffen. Einer Pressemitteilung zufolge wurde vereinbart, über
den Austausch von Inszenierungen, über wechselseitige Orchesteraushilfen
und über gemeinsame technische Investitionen Verhandlungen
aufzunehmen.
Flensburg/Rendsburg/Schleswig
Nachdem es 2002/03 gerade noch gelungen war, die Auflösung
der Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchester
GmbH zu verhindern, drohte diese Gefahr im Frühjahr 2004 erneut.
Die Stadt Flensburg, Produktionsstätte für die Oper und
einer der wesentlichen Geldgeber und Gesellschafter, hatte beschlossen,
ihren Betriebszuschuss ab 2006 von bisher 2,43 Millionen Euro auf
1,688 Millionen Euro zu kürzen. Die anderen Gesellschafter,
16 Städte, Kreise und Gemeinden im Westen und Norden Schleswig-Holsteins,
hätten daraufhin von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch
machen können.
Wohl unter geschickter Moderation der Landesregierung in Kiel
gelang es, einen Kompromiss zu finden, der dem Theater Planungssicherheit
bis zum Ende der Spielzeit 2010/11 geben soll: Die Stadt Flensburg
realisiert ihre Zuschusskürzungen nicht in vollem Umfang ab
2006, sondern in drei Stufen bis 2011, dabei dennoch das vorgesehene
Einsparvolumen in Höhe von 3,26 Millionen Euro erreichend.
Die anderen Gesellschafter dürfen nach der neuen Vereinbarung
ihre Zuwendungen „deckeln“. Aufgehen kann diese Rechnung
nur, wenn nicht erneut ein Gesellschafter ausbricht und wenn die
Beschäftigten bereit sind, haustarifvertraglich durch Lohn-
und Gagenverzicht die Flensburger Zuschusskürzungen ebenso
auszugleichen wie die zu erwartenden Tarifanhebungen. Grundsätzliche
Bereitschaft hat die Belegschaft hierzu erklärt. Generalintendant
Michael Grosse meint, dann sogar ohne betriebsbedingte Kündigungen
beziehungsweise Nichtverlängerungen auszukommen, „wenn
der Haustarif von den Tarifpartnern akzeptiert wird“.
Die Moderation der Landesregierung war nicht zuletzt deshalb erfolgreich,
weil sie mit 12,26 Millionen Euro der wichtigste Zuwendungsgeber
ist.
Schleswig-Holstein, das kein Staatstheater unterhält, unterstützt
die drei Theater im Lande (neben dem Landestheater die Bühnen
der Stadt Kiel und das Theater Lübeck) mit jährlich 34,3
Millionen Euro, die sie als Vorwegabzug den Landeszuweisungen nach
dem Finanzausgleichgesetz entnimmt. Das macht die Zuwendung zum
einen relativ sicher, führt zum anderen zu einer jährlichen
Steigerungsrate von drei Prozent.
Die Haustarifvertrags-Verhandlungen werden am 20. Oktober 2004 beginnen.
Viel Spielraum bleibt den Tarifpartnern angesichts dieses Szenariums
nicht.
Halberstadt/Quedlinburg
„Das war die düsterste Stunde in meiner gesamten Amtszeit.
Wir sind jetzt an der untersten seriösen Grenze angelangt“,
zitierte die Mitteldeutsche Zeitung den Intendanten des Nordharzer
Städtebundtheaters, Kay Metzger. Die Spielzeit 2004/05 sei
zwar noch gesichert, dann aber werde es angesichts der Kürzungen
des Betriebszuschusses durch Land und Zweckverband kritisch (Oper
& Tanz berichtete in Ausgabe 3/2004, S. 6). Rund 40 der 210
Beschäftigten werden gehen müssen. Die Schreckensmeldung:
Auch Intendant Kay Metzger, der das Haus mit Geschick erfolgreich
geleitet hat, wird gehen. Er tritt schon zum Jahresbeginn 2005 die
Nachfolge Ulf Reihers als Intendant des Landestheaters Detmold an.
Hamburg
Die Hamburger Staatstheater, Staatsoper, Thalia und Deutsches
Schauspielhaus sind bei den Beratungen über den Doppelhaushalt
der Jahre 2005/06 mit einem blauen Auge davongekommen. Von den drei
Millionen Euro, mit denen sich die Kulturbehörde am Konsolidierungsprogramm
des Senats der Hansestadt beteiligen muss, treffen nur 370.000 Euro
die Bühnen. „Trotz der teilweise gravierenden Einschnitte
– vor allem bei der Filmförderung und den öffentlichen
Bücherhallen – bin ich der Ansicht, dass unser Haushaltsentwurf
– auch im Vergleich mit anderen Städten – eine
gute Grundlage für eine verantwortliche Kulturpolitik der nächsten
Jahre bietet“, erklärte Kultursenatorin Karin von Welck.
Lübeck
Das Theater Lübeck steht, dem Landestheater in Flensburg vergleichbar,
ebenfalls vor dem Problem, eine von der Stadt beschlossene Kürzung
des Betriebszuschusses um rund eine Million Euro ab 2005 verkraften
zu müssen. Da der Landeszuschuss in Höhe von rund 9,8
Millionen Euro damit die festgelegte Grenze von 60 Prozent überschritten
hat, droht auch er, gekürzt zu werden. Personalabbau? Abgruppierung
der Philharmoniker? Schließung der Sparte Schauspiel, nachdem
1995 bereits das Ballett – gleichsam als Gegenleistung für
die Restaurierung des 1908 von Martin Dülfer errichteten Jugendstil-Theaters
– aufgelöst worden war? Der Deutsche Bühnenverein
soll eine Sparpotentiale aufzeigende Studie vorlegen.
Magdeburg
Der Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt hat mitgeteilt, dass
die Zuschüsse des Landes für die Magdeburger Theater ab
2005 um 6 Prozent gesenkt werden sollen. Das entspricht einem jährlichen
Minus von 523.000 Euro. Das Theater Magdeburg erklärte, das
Minus lasse sich nur durch eine Einsparung von Personalkosten ausgleichen;
Entlassungen im künstlerischen und technischen Bereich seien
die unmittelbare Folge. Die Chorstärke (Magdeburg 36, Chemnitz
44, Halle 41, Dessau 42) habe die untere Grenze dessen erreicht,
was künstlerisch vertretbar sei. Das Magdeburg Ballett (Magdeburg
18, Chemnitz 24, Halle 20) sei für ein klassisches Ballett
ebenfalls minimal besetzt. Theaterleitung und Verwaltung sind infolge
der Fusion der Magdeburger Theater verkleinert worden. Folge der
Etatsenkung wäre aus Sicht der Theaterleitung deshalb die Verkleinerung
der Magdeburgischen Philharmonie und des Stammes der technischen
Arbeitskräfte. Die Theaterleitung und die Landeshauptstadt
Magdeburg haben das Kultusministerium aufgefordert, die Finanzierung
auf der Höhe des derzeitigen Niveaus fortzusetzen.
Meiningen
Die Theater-Ehe Eisenach-Meiningen ist zunächst gescheitert;
Oper & Tanz hat ausführlich berichtet (siehe zuletzt Ausgabe
1/2004, S. 6 und Ausgabe 6/2003, S. 6). Ein Haustarifvertrag für
„Das Meininger Theater“, gestrickt in etwa nach dem
Dessauer Muster, steht vor dem Abschluss, das Ballett in Meiningen,
der Opernchor in Eisenach sind aufgelöst worden, Eisenach hat
mit Dr. Michael Winrich Schlicht wieder einen eigenen Intendanten.
Doch in Meiningen droht neues Ungemach. Intendant Res Bosshart teilte
mit, dass die Auslastung des Hauses seit seinem Amtsantritt von
89 Prozent auf 77 Prozent gesunken sei, dass in der Spielzeit 2003/04
1.380 Abonnenten gekündigt hätten, nur 114 neue seien
hinzugekommen. Bosshart führt den Publikumsschwund auf den
Programm- und Paradigmenwechsel zurück, den er nach Christine
Mielitz‘ Weggang nach Dortmund eingeleitet habe; er und sein
neues Leitungsteam, zu dem auch der Regietheater-Star Sebastian
Baumgarten gehört, seien angetreten, junges, avantgardistisches
Theater zu machen, das eine Lern- und Gewöhnungsphase des Publikums
einkalkuliere. Offen bleibt, was geschehen soll, wenn der wirtschaftliche
Niedergang und das Gewinnen neuen Publikums – in der gerade
noch 24.000 Einwohner zählenden Provinzstadt – weiter
im bisherigen Tempo verlaufen? Der Theater-Herzog Georg II. von
Sachsen-Meiningen verfügte immerhin über eine wohlgefüllte
Privat-Schatulle...
München: Gärtnerplatztheater
Skeptiker sahen von Anfang an einen Zusammenhang zwischen der dem
Bayerischen Staatstheater am Gärtnerplatz auferlegten Kürzung
der Zuwendung um rund eine Million Euro und den Kosten der Ballettcompagnie
des Hauses, die sich in etwa in der gleichen Größenordnung
bewegen. Ganz gezielt waren schon vor der Verabschiedung des Spar-Haushalts
durch den Landtag Behauptungen lanciert worden, die künstlerisch
hoch angesehene Compagnie, die sich unter der Leitung Philip Taylors
zeitgenössischem Tanztheater verschrieben hat, käme beim
Publikum nur unzureichend an und „rechne sich nicht“.
Staatsintendant Klaus Schultz hat jetzt termingerecht die sogenannten
Nichtverlängerungs-Gespräche zu beginnen veranlasst; Ende
Oktober 2004, wenn die tarifvertraglichen Nichtverlängerungsfristen
enden, wird sich weisen, ob der 28 Tänzerinnen und Tänzer
zählenden Truppe Taylors die Auflösung zum Ende der Spielzeit
2004/05 droht.
Plauen-Zwickau
Und schon kurz nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe von Oper
& Tanz, nämlich am 30. September 2004 wird der Rat der
Stadt Zwickau darüber befinden, ob das fusionierte Theater
Plauen-Zwickau überhaupt noch eine Zukunft hat. Unter dem Druck
der Auflagen des Regierungspräsidenten in Chemnitz hat die
Verwaltung der Stadt Zwickau eine Vorlage erarbeitet, die „unter
Inkaufnahme der Insolvenz“ eine Kürzung der Betriebszuschüsse
für das Theater um eine Million Euro im Haushaltsjahr 2005,
um je 1,5 Millionen Euro in den Folgejahren vorsieht. Aufgrund des
bereits in Oper & Tanz (Ausgabe 3/2004, S. 6) beschriebenen
„Domino-Effekts“, also der entsprechenden prozentualen
Kürzung der Zuschüsse der drei weiteren Zuwendungsgeber,
hätte dies Einnahmeminderungen von zunächst 3,6 Millionen
Euro, dann rund 5 Millionen Euro zur Folge. Das wäre nahezu
ein Drittel des Gesamtetats.
Ein kleiner Lichtblick in finsteren Zeiten: Der Oberbürgermeister
der kulturbewussten Vogtland-Stadt Plauen, Ralf Oberdorfer, ließ
verlauten, in Plauen werde jedenfalls weiter Theater gespielt (siehe
hierzu auch das Porträt Theater Plauen-Zwickau, S. 14 dieser
Ausgabe).
Schwerin
Das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin muss eine Reduzierung
der ihm von Stadt und Land gewährten Zuwendungen um rund eine
Million Euro in der Spielzeit 2005/06, um rund 1,6 Millionen Euro
in den Folgespielzeiten in Kauf nehmen. Generalintendant Joachim
Kümmritz hat den Deutschen Bühnenverein und den kommunalen
Arbeitgeberverband gebeten, mit den Tarifparteien entsprechende
Verhandlungen aufzunehmen.
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