Zur Startseite


 

 

Aktuelle Ausgabe

Reset – Gesellschaft und Kunst
Editorial von Tobias Könemann

Kulturpolitik

Brennpunkt
„Sie haben dieses einzigartige Ensemble zerstört“

Auf ein Wort mit …
Choreologin Birgit Deharde und Tänzer Kenji Takagi über das Einstudieren von Ballett und Tanztheater

Eine Gattung, viele Gesichter
Uraufführungen neuer Musiktheaterwerke in Hannover, Darmstadt und Wiesbaden

Künstliche Intelligenz
Und ihre Auswirkungen auf Live-Darbietungen

Berichte

Auf schnelle Lacher geschielt
Hinrich Horstkottes „Rinaldo“ zur Eröffnung der Händel-Festspielen Karlsruhe

Zwischen Komödie und Märchen
Uraufführung der Mannheimer Fassung von Zemlinskys „Kleider machen Leute“ in Cottbus

Starker Opernabend mit Charme
Giacomo Puccinis „La Bohème“ in Gelsenkirchen

Bestenlese im Schaufenster
Der Wettbewerb CIDOO für Nachwuchs im Operndirigat in Liège

Bekannte Geschichte, packende Inszenierung
„Faust“ von Charles Gounod in Wuppertal

Demontage eines Propheten
Mendelssohns Oratorium „Elias“ am Theater Krefeld Mönchengladbach

Lebkuchen und Geisterbahn
Franz Schrekers „Der Schmied von Gent“ am Nationaltheater Mannheim

Verharmlost, verbürgerlicht, verfehlt
Brecht/Weills „Dreigroschenoper“ am Staatstheater Nürnberg

Turbokapitalistisches Sterbe- und Liebesspiel
Nationaltheater Weimar reibt Verdis „La traviata“ an Club-Beats von Brigitta Muntendorf

Wohlstandsabsturz mit Liebessegen
Richard Strauss’ späte Oper „Die Liebe der Danae“ in München

Zeitgebunden, überbrückend, zeitlos
Neue Bücher über Musikschaffende im Exil und transatlantischen Raum

Ungebändigt und Gebändigt
Anne Fontaines Film zeigt die Mühen um Maurice Ravels „Boléro“

VdO-Nachrichten

VdO-Nachrichten
Tarifverhandlungen im Endspurt? – Mitglied werden – Wer ist und was macht die VdO?

Service

Oper & Tanz 2025/02 als pdf

Schlagzeilen

Namen und Fakten

Oper&Tanz im TV

Stellenmarkt

Spielpläne 2024/2025

Rezensionen

Zeitgebunden, überbrückend, zeitlos

Neue Bücher über Musikschaffende im Exil und transatlantischen Raum

„Globalisierung“ durchzieht seit langem auch nahezu alle Musik – und in speziellen Phasen besonders stark: wenn Krisen, Verfolgung und Krieg musisches Leben bedrohen. Diesem eher düsteren Aspekt von „körperlicher und geistiger Transplantation“ widmet sich Michael Haas seit Jahrzehnten: Er gewann als Vizepräsident von Sony Classical viele Preise und war für die Reihe „Entartete Musik“ bei Decca verantwortlich. Außerdem ist er Mitbegründer und seit 2016 Senior Researcher im „Exilarte – Zentrum für verfolgte Musik der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien“. Diese Kennerschaft ist in sein neues Buch eingeflossen.

Michael Haas: „Die Musik der Fremde – Komponisten im Exil“, Ditzingen 2025: Reclam, 448 S., 34.- EURO

Michael Haas: „Die Musik der Fremde – Komponisten im Exil“, Ditzingen 2025: Reclam, 448 S., 34.- EURO

Er will eine repräsentative Auswahl vorstellen, kein Lexikon. Schon die ersten Kapitel des gut gegliederten Buches machen klar, dass bislang zu oft Künstler im Vordergrund stehen, die es im Exil „geschafft“ haben, herausragend etwa Kurt Weill. Doch der weitaus größere Personenkreis war „monophon“ ohne Fremdsprachenkenntnis, sprach eher ein wenig französisch, aber nicht englisch. Bitter für die Texter der „leichten Muse“, denn viele Operetten- und Opernkomponisten hörten in der Regel nie mehr eine Note ihrer Werke: „Ihr Leben war gerettet, ihr Vermächtnis jedoch verloren.“

In sieben Kapiteln bereitet Haas einer Vielfalt von weniger bekannten Künstlern eine Lesebühne: Richard Fuchs, Wilhelm Rettich, Robert Fürstenthal, Walter Arlen, Hans Winterberg … bis hin zu „Missionaren“ in Fernost, einer Zweiten Wiener Schule in China und Guillermo Graetzer in Lateinamerika, auch Spuren in Japan, Indien und Afrika. Haas geht kurz auch auf Remigration und das Komponieren in Diktaturen ein, etwa am Beispiel von Schostakowitsch. Deutlich bleibt aber der „Kreativitätsbruch“. Nicht zu überlesende Bitte: Alle noch verfügbaren und auffindbaren Dokumente bitte ans Archiv „Exilarte“ geben.

Carola Bebermeier / Clemens Kreutzfeldt / Melanie Unseld (Hg.): „Music across the Ocean – Kulturelle Mobilität im transatlantischen Raum 1800–1950“, Bielefeld 2025: Transkript, 325 S. mit zahlr. Abb., 49,- Euro

Carola Bebermeier / Clemens Kreutzfeldt / Melanie Unseld (Hg.): „Music across the Ocean – Kulturelle Mobilität im transatlantischen Raum 1800–1950“, Bielefeld 2025: Transkript, 325 S. mit zahlr. Abb., 49,- Euro

Ganz anders ist der Ansatz des Forschungsprojekts „Musical Crossroads“ von 2019 bis 2022, dessen Symposium der Pandemie zum Opfer fiel und nun durch den Sammelband vertreten wird. Der Atlantik wird hier als wechselseitiger „Handlungs- und Kommunikationsraum“ betrachtet und nach klingenden Kontaktzonen befragt. So umreißt Melanie Unseld das Umfeld von Antonio Salieris und Friedrich Treitschkes Oper „Die Neger“ um 1800 in Wien. Den eurozentristischen Opernhorizont erweitert Axel Körner: Verdis zunächst wegen der Zensur in die britischen Kolonien verlegter „Ballo in Maschera“ wurde seit 1859 erfolgreich und deshalb weiterhin meist mit dem Ballett „Bianchi e neri“ kombiniert – einer Adaption von Harriet Beecher Stowes „Onkel Toms Hütte“ durch Giuseppe Rota.

Benjamin Brittens Kontakte und Aufenthalte in den USA untersucht Susanne Rode-Breymann. Dazu bildet der „wienerische“ Lunchroom der geflüchteten Klavierpadägogin Edith Schreiner, in dem dann 1939 bis 1941 auch klassisch europäisch musiziert wurde, einen amüsant vorstellbaren, oft aber existentiell „Not-wendigen“ Kontrast. Die für das US-Orchesterwesen einflussreichen Musikernetzwerke untersucht Joanne Cormac. Die Netzwerk-Versuche von Wilhelm Furtwängler, zwischen 1925 bis zu seinem Tod 1954 eine singuläre Star-Karriere zwischen den Polen „Toscanini“ und „Bernstein“ anzustreben, zeigen unerfreuliche „Monomanie“-Züge. Viele Themen-Stichpunkte wie „Triangulationsidee Karibik-USA-Europa“, „Transatlantische Praktiken in New Orleans“, das auch durch Europa tourende Frauen-Trompetencorps „Biseras“ oder die „Tiroler Nationalsänger“ in den USA signalisieren: Der ganze Band ist eine Fundgrube an Aspekten, zwischen „Beet­hoven-Fest 1856“, Antebellum-Blüten in New Orleans oder Boston, zwischen divergierender Liszt-Interpretation und der eher problematischen „Rainer Family“. All das vertieft ein reicher Fußnoten- und Literaturapparat. Mal unterhaltsam, meist bereichernd.

Wolf-Dieter Peter

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner