Berichte
Bekannte Geschichte, packende Inszenierung
„Faust“ von Charles Gounod in Wuppertal
Das Fazit gleich vorneweg: Die Wuppertaler „Faust“-Inszenierung ist absolut sehenswert. Ein großartiges Orchester, ein hervorragendes Ensemble und eine weitgehend stimmige Regie machen den dreistündigen Abend zu einem echten Genuss. Die Geschichte an sich ist ja allseits bekannt: Ein gelehrter Doktor lässt sich mit dem Teufel ein, verkauft seine Seele – doch am Ende zahlt sich das für ihn nicht aus, und es verlieren letztlich alle.

Charles Gounod, „Faust“, Opernchor und Extrachor der Wuppertaler Bühnen . Foto: Matthias Jung
Eine besondere Variante des Stoffes bietet der französische Romantiker Charles Gounod, der die Figur der Marguerite stärker in den Fokus rückt. In Wuppertal feierte sein „Faust“ eine gelungene Premiere – nicht nur mit französischer Klangschönheit, sondern auch mit einer in sich schlüssigen Inszenierung. Das ist umso bemerkenswerter, als Gounod häufig auf sein kirchenmusikalisches Werk reduziert wird. Seine vierte Oper „Faust“ markierte seinen Durchbruch und wird von seinen Bühnenwerken bis heute am häufigsten gespielt.
In Wuppertal setzt Regisseur Matthew Ferraro auf eine überwiegend traditionelle Inszenierung, für die er auch das Bühnenbild gestaltet hat. Die Handlung bleibt im historischen Kontext und wird mit einigen effektvollen Theaterelementen angereichert. Ein kleines Kuriosum: Mephisto nutzt eine im Steampunk-Stil gestaltete Zeitmaschine, um Fausts Uhr zurückzudrehen – als ob der Teufel dazu ein technisches Hilfsmittel bräuchte! Doch abgesehen davon überzeugt die Inszenierung durch ihren konsequent durchgehaltenen szenischen Rahmen, in den auch die düsteren Bühnenbilder und die Kostüme von Devi Saha stimmig eingebettet sind. Zudem werden die äußeren wie inneren Konflikte der Figuren nachvollziehbar dargestellt, was nicht zuletzt am ausgezeichneten Ensemble liegt. Musikalisch ist die Aufführung hervorragend: Das Sinfonieorchester Wuppertal unter Leitung von Johannes Witt sorgt für eine packende, klanglich brillante Darbietung. Schon der warme, satte Streicherklang zu Beginn zieht in Bann, und die Begleitung der Sängerinnen und Sänger bleibt durchweg präzise und geschmeidig. Der Abend ist geprägt von französischer Eleganz: samtige Streicher, harmonisch eingebundene Bläser und stimmige Tempi. Zwar fehlt dem Orchester die spezifische französische Sprachfärbung, doch für einen deutschen Klangkörper ist die Interpretation bemerkenswert authentisch.
Auch die Sängerinnen und Sänger überzeugen auf ganzer Linie. Besonders beeindruckend Almas Svilpa, der als Mephistopheles kurzfristig für den erkrankten Erik Rousi einspringt – mit nur einer Probe. Szenisch fällt das kaum auf, und gesanglich ist er mit seinem markanten Bassbariton eine imposante Erscheinung. Ebenso stark Margaux de Valensart als Marguerite, der trotz einer angekündigten Indisposition eine facettenreiche, emotional aufgeladene Darbietung gelingt. Sangmin Jeon als Faust benötigt anfangs etwas Zeit, um stimmlich aufzutauen, steigert sich deutlich. Die Dynamik zwischen diesen drei Hauptfiguren trägt maßgeblich zur eindringlichen Wirkung der Oper bei.
Auch die Nebenrollen sind exzellent besetzt: Edith Grossman verleiht Siébel mit ihrem warmen, dramatischen Mezzosopran eine besondere Tiefe, Zachary Wilson glänzt als Valentin mit heldischem Tenor, während Hak-Young Lee als Wagner und Vera Egorova als Marthe ihre Partien souverän gestalten. Besonders beeindruckend ist Wilsons dramatische Sterbeszene. Der Chor und Extrachor der Oper, einstudiert von Ulrich Zippelius, liefern eine starke Leistung – die Frauen fallen dabei mit ihrer präzisen Artikulation und homogenen Klangqualität besonders positiv auf.
Guido Krawinkel |