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Reset – Gesellschaft und Kunst
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Berichte

Auf schnelle Lacher geschielt
Hinrich Horstkottes „Rinaldo“ zur Eröffnung der Händel-Festspielen Karlsruhe

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Auf schnelle Lacher geschielt

Hinrich Horstkottes „Rinaldo“ zur Eröffnung der Händel-Festspielen Karlsruhe

Echte Spatzen flatterten bei der Uraufführung am 24. Februar 1711 im Queen’s Theatre Haymarket bei Almirenas „Augelletti“-Arie durchs Opernhaus. Georg Friedrich Händels erste italienische Oper für England „Rinaldo“ wurde zum großen Erfolg und legte den Grundstein für Händels Karriere auf der Insel. Dreimal war diese frühe Fassung schon bei den Internationalen Händel-Festspielen Karlsruhe zu hören. Der neue künstlerische Leiter Christoph von Bernuth entschied sich zur Eröffnung der 47. Händel-Festspiele nun aber für die selten gespielte zweite Fassung von 1731, die die Kriegsthematik in den Hintergrund rückt, auf die Bekehrung der Sarazenen zum Christentum am Ende verzichtet und manche äußerlichen Effekte zugunsten innerer Vorgänge vernachlässigt. Den dreieinhalbstündigen Abend widmete das Badische Staatstheater dem vor wenigen Tagen verstorbenen Musikjournalisten, Dramaturgen und Intendanten der Händelfestspiele Halle Bernd Feuchtner.

Georg Friedrich Händel, „Rinaldo“ mit Suzanne Jerosme und Francesca Ascioti. Foto: Felix Grünschloß

Georg Friedrich Händel, „Rinaldo“ mit Suzanne Jerosme und Francesca Ascioti. Foto: Felix Grünschloß

Der Abend im Badischen Staatstheater beginnt zäh. Bei der Ouvertüre fehlt es den Deutschen Händel-Solisten unter Leitung von Rinaldo Alessandrini an Energie. Die Phrasierungen werden nur angedeutet. Der Orchesterklang meidet die Extreme, der tänzerische Schwung ist ausgebremst. Das Originalklang-Ensemble gewinnt aber im Verlauf des Abends an Charakterisierungskraft. Die Artikulation der Streicher wird rauer, die Akzente haben mehr Schwung. Bei den vielen virtuosen Arien glänzen die Deutschen Händel-Solisten mit spieltechnischer Präzision auch bei schnellen Tempi wie in Rinaldos Arie „Venti, turbini“. Dass der Abend nicht so richtig in die Gänge kommt, liegt aber vor allem an Hinrich Horstkottes Inszenierung, die es immer wieder mit Ironie versucht, Analoges mit Digitalem (Video: Sven Stratmann) vermischt und zu viele Ideen präsentiert, anstatt große Linien zu verfolgen.

Horstkotte, der auch für Bühne und Kostüme verantwortlich ist, hat für die Kreuzrittergeschichte das alte Jerusalem nachgebaut mit Felsendom und Minarett – der Übergang zur digitalen Skyline ist fließend. Die weißen Gewänder der Kreuzfahrer sind blutverschmiert. Ihr König Goffredo (solide, aber ohne zu glänzen: der spanische Tenor Jorge Navarro Colorado) ist mit seiner Kombination aus Glatze und Locke eine Witzfigur. Zu seinen Koloraturen zappelt sich Sarazenenkönig Argante (mit schlankem Alt: Francesca Ascioti) schwindlig. Rinaldo trägt roten Samt inklusive Sixpack. Horstkotte schielt auf schnelle Lacher, wenn er lustig aussehende Pappfische springen lässt oder die Zauberin Armida auf einer Wolke vom Schnürboden herablässt.

Die Regie verliert sich im Detail und entwickelt keinen echten Spannungsbogen. Einzelne Szenen gelingen Horstkotte dagegen eindrücklicher wie im zweiten Akt, wenn er die von Argante gefangene Almirena in einem goldenen Vogelkäfig schweben lässt. Suzanne Jerosme singt die bekannte Arie „Lascia ch’io pianga“ mit berührender Schlichtheit. Die französische Sopranistin glänzt an diesem Abend aber auch mit brillanten Koloraturen und enormer darstellerischer Präsenz. Die fehlt leider Lawrence Zazzo gänzlich in der Titelpartie des in Almirena verliebten Rinaldo. Der Amerikaner beeindruckt durch Volumen, eine kräftige Bruststimme und Strahlkraft, seiner Interpretation fehlt es aber an Nuancen. Auch sein durchgängiges, großes Vibrato verhindert eine feinere Zeichnung der Partie.

Valeria Girardello gibt eine temperamentvolle Armida mit ausreichend Tiefe und Dramatik. Ihr Zauberreich ist in der Inszenierung von Horstkotte ein Theater, das ab dem zweiten Akt die Bühne prägt. Der alte Magier (Lisandro Abadie), den die Kreuzfahrer als Gegenkraft zu Armida aufsuchen, lebt als Requisiteur in der Unterbühne. Seine Zauberstöcke sind Dirigierstäbe, mit denen die Furien beruhigt werden. Zur Hochzeit mit Almirena ganz am Ende kommt Rinaldo zerzaust mit nacktem Schienbein und blutgetränktem Wams. Die Botschaft ist klar, nur kann sie nicht berühren. Dafür hätte man die Figuren von Beginn an ernst nehmen müssen.

Georg Rudiger

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