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Starker Opernabend mit Charme
Giacomo Puccinis „La Bohème“ in Gelsenkirchen

Bestenlese im Schaufenster
Der Wettbewerb CIDOO für Nachwuchs im Operndirigat in Liège

Bekannte Geschichte, packende Inszenierung
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Demontage eines Propheten
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Lebkuchen und Geisterbahn
Franz Schrekers „Der Schmied von Gent“ am Nationaltheater Mannheim

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Bestenlese im Schaufenster

Der Wettbewerb CIDOO für Nachwuchs im Operndirigat in Liège

„I am the last one“, sagt Sieva Borzak. Er tritt als Letzter der 24 jungen Dirigentinnen und Dirigenten in der Wettbewerbs-Vorrunde ans Pult. Vor ihm: das Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège, erwartungsvoll, bereit. Hinter ihm: eine Jury, hochkarätig aufgestellt und beauftragt, im Auswahlverfahren drei Beste zu finden. Schließlich entscheidet das Finale über den ersten, zweiten und dritten Preis. Sieva Borzak, der mit dem Orchester zunächst am Vorspiel zu Wag­ners „Die Meistersinger von Nürnberg“ arbeitet, wird vier Tage später der Erste sein. Gewonnen hat er längst. Bereits seine Bewerbung war überzeugend und machte ihn als Kandidaten interessant genug, im Februar zum inzwischen dritten Concours International de Direction d’Orchestre d’Opéra (CIDOO) nach Lüttich eingeladen zu werden.

Sieva Borzak mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège. Foto: Berger/ORW

Sieva Borzak mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège. Foto: Berger/ORW

Es war an Giampaolo Bisanti, dem musikalischen Direktor des renommierten Hauses, zu entscheiden, wer von den insgesamt 212 Aspiranten aus aller Welt die Chance bekommen sollte, seine außerordentliche Begabung fürs Operndirigat vor Ort zu beweisen. „Das war harte Arbeit“, sagt der Dirigent. Wie ein Spürhund nahm er die Fährte auf, hochmotiviert in dem Ansinnen, Talente zu entdecken und dann auch zu fördern. Und so ist die Endrunde des CIDOO in ihrer Anlage fast minutiös darauf ausgelegt, ein möglichst facettenreiches Bild von den Teilnehmenden entstehen zu lassen. Schritt für Schritt. In der Vorrunde mit der Aufgabe, eine Ouvertüre zu proben; im Viertelfinale bei der Arbeit mit Sängerinnen und Sängern, akkompagniert vom Klavier; im Halbfinale bei der Probe mit Orchester, Solisten und Chor; und in der Endrunde, nach intensiver Vorbereitung am Vortag, mit einem konzertanten Kurzprogramm vor großem Publikum.

Überhaupt dabei sein zu dürfen, sei an sich schon bedeutend, ist von gleich mehreren der Kandidaten zu hören. Der aus Wien angereiste Johannes Beranek sagt, dieser Wettbewerb sei der allererste, an dem er teilnehme. „Wettbewerbe für Operndirigieren gibt es nicht so oft. Es ist superspannend.“ Selbst wenn er nicht bis ins Finale komme, wolle er die Chance nutzen, Erfahrungen auf seinem künstlerischen Weg zu sammeln.

„Am Ende jeder Runde gibt es die Möglichkeit, die Jury zu treffen“, sagt Giampaolo Bisanti. Wie ein Vater („not like an inquisitor“) wolle er „den Kandidaten vermitteln, wie sie gut mit dem Orchester, den Solisten und dem Chor kommunizieren. Dass sie nicht zu viel sprechen, ihren Arm nutzen, um zu zeigen, was sie sagen und dann auch hören möchten.“ Ein Dirigent müsse vorgeben. Das werde von ihm erwartet und impliziere, dass er gewissenhaft vorbereitet sei. „Man muss als Operndirigent um die Tradition wissen, muss die Libretti kennen, den musikalischen Stil. Man braucht Wissen über das Leben der Komponisten; schlichtweg eine universale Kenntnis dessen, was Oper ausmacht.“ Die Zeit, all das in seiner Komplexität zu erfassen, fehle der Generation der im Wettbewerb vertretenen Dirigentinnen und Dirigenten. Es mangele ihnen an Möglichkeiten, tatsächlich an einem Opernhaus zu arbeiten, um ihr Fach von der Pike auf zu lernen.

Auch deshalb setzen die Verantwortlichen des CIDOO auf Nachhaltigkeit. Die ersten beiden Preise implizieren neben dem Gewinn eines Geldbetrags jeweils ein Engagement an der Lütticher Oper. Mit dem ersten Preis ist die musikalische Leitung einer Produktion in der nächsten Spielzeit verbunden, mit dem zweiten Preis eine Assistenz bei Musikchef Bisanti. Ausprobieren könnten sich die Kandidaten bereits im Wettbewerb selbst, unterstreicht Stefano Pace, Generaldirektor der Opéra Royal de Wallonie-Liège: „Wir bieten diesen 24 jungen Menschen an, an einem Haus zu arbeiten, das aufs Allerbeste aufgestellt ist. Wir geben ihnen Werkzeuge an die Hand: tolle Pianisten, ein wunderbares Orchester, sehr, sehr gute Sängerinnen und Sänger, einen Chor auf Top-Niveau. Alle sind bereit, mit ihnen zu arbeiten. Zugleich sind alle gebeten, ein Feedback dazu abzugeben, ob sie sich bei der Kandidatin, dem Kandidaten gut aufgehoben wissen und ob er oder sie tatsächlich fähig sein könnte, eine Opernproduktion zu managen.“

Bühnenarbeit vor prachtvoller Kulisse: Runde für Runde setzt sich Wettbewerbsteilnehmer Sieva Borzak beim CIDOO an der Opéra Royal de Wallonie-Liège durch. Foto: J. Berger

Bühnenarbeit vor prachtvoller Kulisse: Runde für Runde setzt sich Wettbewerbsteilnehmer Sieva Borzak beim CIDOO an der Opéra Royal de Wallonie-Liège durch. Foto: J. Berger

Durchweg ist die Jury mit Expertinnen und Experten aus der Opernpraxis besetzt. Mit Operndirektorinnen, Intendanten, künstlerischen Leitern und damit bewusst keinen Journalisten oder Agentinnen. Pace: „Die Teilnehmenden treffen auf Menschen, von denen sie gebucht werden könnten.“ Die Bühne wird zum Schaufenster, und das ist hilfreich auch für die Juroren. „Hier diese junge Kompetenz so geballt zu sehen, das spart uns viele Reisen“, sagt Annette Weber vom Opernhaus Zürich. Sehe sie, wie gut jemand seine Vision eines Werks mit Gestik und Worten umsetzen könne, dann habe sie die Person künftig „auf dem Radar“.

Von dieser Bestenlese profitiere die gesamte Szene, so Stefano Pace. „Auf unsere Entscheidung können sich andere Häuser berufen.“ Der Jury-Präsident verweist gern auf den Gewinner von 2022, auf Dayner Tafur-Díaz, der inzwischen Kirill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern assistiert. Dieser habe sie damals enorm überrascht, erinnert sich Jury-Mitglied Christina Scheppelmann, Generaldirektorin der Oper Seattle und designierte Intendantin des Opernhauses La Monnaie in Brüssel: „Er sprach weder Französisch noch Englisch, nur Spanisch und Deutsch und konnte dennoch mit diesem Orchester kommunizieren.“ Tafur-Díaz kehrt im Mai für Donizettis „Don Pasquale“ nach Lüttich zurück und hat erneut Gelegenheit, gesehen zu werden: vom Publikum, von der Kritik, von Verantwortungsträgern.

24-mal konnte die Jury in der Vorrunde des CIDOO erleben, wie Dirigentinnen und Dirigenten des Jahrgangs 1994 und jünger ihren Dialog mit dem Orchester gestalten. Die einen wortreich, manche atemlos, andere ziemlich gelassen, wieder andere eher robust, alle aber höflich, freundlich, voll des Lobes. „You play very beautiful“, sagt die aus der Ukraine stammende Margaryta Grynyvetska, nachdem sie einige Takte der Ouvertüre zu Rossinis „L’Italiana in Algeri“ hat spielen lassen. Dann geht es an die Details, und es wird deutlich, dass diese Dirigentin eine klare Vorstellung dessen hat, was sie hören möchte.

Giampaolo Bisanti spricht bei der Bekanntgabe der Preisträger 2025 von einem bestandenen Abenteuer. Diese Aventüre hat alle Beteiligten eng zueinander gebracht. Die Energie packt auch das Publikum im Saal, das seinen eigenen Favoriten wählen darf: Matteo Dal Maso (Italien) kann sich über den Publikumspreis freuen; die Fachjury vergibt an ihn den zweiten Preis. Dritter der „3° édition“ wird Johann-Sebastian Guzman (Kolumbien/USA).

Der erste Preisträger Sieva Borzak (Italien/Russ­land), 1997 in Rom geboren, studierte zunächst Operngesang, Klavier, Komposition, schließlich Orchesterdirigieren bei Marcello Bufalini am Alfredo-Casella-Konservatorium in L’Aquila. 2019 gab er sein Operndebüt mit Giovanni Paisiellos „La Finta Amante“. 2021 begann er als „Conductor in Residence“ beim Roma Tre Orchestra. 2022 dirigierte er, auf Empfehlung von Riccardo Muti, Verdis „Requiem“ an der Italian Opera Academy. 2023 gewann er den Peter-Maag-Wettbewerb, und im April 2024 erreichte er beim Nikolai-Malko-Wettbewerb für junge Dirigenten das Halbfinale.

Neben dem Gewinn von 10.000 Euro genießt Borzak außerdem das Vertrauen, in der kommenden Saison an der Opéra Royal de Wallonie-Liège eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen. An einem Haus, das den Anspruch hat, durchweg mit Exzellenz und Qualität zu punkten – auf internationalem Parkett und auch mit dem CIDOO. Dafür investiert Stefano Pace weit mehr als allein zeitliche und personelle Ressourcen. Der Gewinn: „Sichtbarkeit und freundschaftliche Kontakte.“ Ein Netzwerk verdichtet sich. Das zählt am Ende.

Claudia Irle-Utsch


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