Der Chordirigent ist oft unterbewertet
Die VdO fördert das Dirigentenforum-Chor des Deutschen Musikrats
Die Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer engagiert sich neuerdings beim Dirigentenforum des Deutschen Musikrats – speziell für den Bereich Chor. Barbara Haack sprach mit VdO-Geschäftsführer Tobias Könemann und dem stellvertretenden Geschäftsführer Gerrit Wedel über die Art der Förderung und die Gründe für dieses Engagement.
Tobias Könemann (Mitte) und Gerrit Wedel im Gespräch mit Barbara Haack. Foto: Jörg Lohner
Oper & Tanz: Die VdO engagiert sich beim Dirigentenforum des Deutschen Musikrats. Warum?
Tobias Könemann: Der Dirigent ist eine Schlüsselfigur für gute Chorarbeit. Das gilt sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch in Bezug auf die Zufriedenheit innerhalb des Kollektivs. Wir denken deshalb, dass es wichtig ist, beim Chordirigenten-Nachwuchs anzusetzen, Präsenz zu zeigen, um dann bei der zukünftigen Chordirigenten- und Chordirektorengeneration positiv konnotiert zu sein.
Gerrit Wedel: Wir haben die Arbeit des Dirigentenforums mit großem Interesse verfolgt und festgestellt, dass das für uns ein originäres Feld ist. Es ist ja ganz wichtig, dass Chordirektoren mit ihren Kollektiven gut arbeiten können. Den Akzent wollen wir dabei vor allem auf den Opernchorbereich setzen, der deutlich gestärkt werden soll. Wir hoffen auch, dass wir die Opernchöre stärker in das Programm einbinden und die direkten Erfahrungen unserer Chormitglieder in die Ausbildungsphase der Chordirigenten einbringen können.
O&T: Wie sieht das Engagement aus? Was tun Sie konkret?
Wedel: Vorrangig geht es darum, dass wir mit der Deutschen Orchestervereinigung gemeinsam einen Preis zur Verfügung stellen. Darüber hinaus sprechen wir mit unseren Chören und fragen deren Bereitschaft und Vorstellungen ab.
O&T: Also entwickeln und vermitteln Sie auch inhaltliche Kriterien für die Ausbildung?
Könemann: Ganz bestimmt. Der Chordirigentenpreis wird ja nicht einfach so verliehen. Dem Preis voraus geht eine zweijährige Workshop-Phase, innerhalb derer die Bewerber ausgewählt und intensiv gefördert werden. Die Stiftung des Preises ist ein erster Schritt, wir können uns aber durchaus vorstellen, dass wir auch in die inhaltliche Arbeit dieser zwei Jahre einsteigen, zu einem Dialog mit den Kandidatinnen und Kandidaten kommen – nicht nur mit den drei Dirigenten, die am Schluss die Preiskandidaten sind, sondern auch mit den anderen Teilnehmern. Wir haben die Nachwuchsarbeit bisher ein wenig vernachlässigt, wir sehen hier einen ganz konkreten Anknüpfungspunkt. Und die Besonderheit des Opernchores im Vergleich zum Konzertchor würden wir gerne mehr ins Rampenlicht rücken.
O&T: Wie schätzen Sie den Stellenwert der Opernchor-Dirigenten in der Chordirigentenlandschaft ein?
Könemann: Die erste Frage muss ja nach dem Stellenwert des Chordirigenten im Vergleich zum Orchesterdirigenten lauten. Der Chordirigent ist meines Erachtens oft unterbewertet, gerade auch im Opernbereich. Das fängt schon damit an, dass die GVL beim Opernchordirigenten für dessen Einstudierungsarbeit für eine Vorstellung, die dann später vom Orchesterdirigenten geleitet wird, kein Leis-tungsschutzrecht anerkennt. Das ist etwas, was wir kontinuierlich verändern wollen. Wir glauben insgesamt, dass das Berufsbild des Chordirigenten einer Schärfung bedarf und auch einer Gewichtsverstärkung.
Besondere Anforderungen
O&T: Und das des Opernchordirigenten im Besonderen?
Wedel: Natürlich gibt es beim Opernchor die besondere Anforderung, dass es sich um Kollektive handelt, die auch darstellen.
Könemann: Auch dafür muss der Chordirigent ein Gespür entwickeln: Was kann er mit den Chorsängern machen, wenn sie gleichzeitig auf der Bühne agieren müssen? Den Regisseuren fällt es oft schwer damit umzugehen, dass die Chormitglieder auch singen müssen, die musikalischen Leiter haben Schwierigkeiten damit, dass sie auch spielen müssen. Die Herstellung einer Kongruenz in diesem Bereich ist für uns ein Dauerbrenner.
O&T: Wie sieht es insgesamt aus mit der Ausbildung des Chordirigenten-Nachwuchses?
Wedel: Es gibt ein Manko in der Ausbildung der Chordirigenten. Das Chordirigentenforum sollte den Versuch machen, dieses Manko aufzufangen. Es gibt zum Beispiel Defizite bei der Vermittlungsarbeit, hinsichtlich der pädagogischen Fähigkeiten und der psychologischen Arbeit, die mit den Kollektiven zu leisten ist.
Könemann: Natürlich ist der Chordirektor eine Führungskraft im Haus. Normalerweise ist er unterhalb der musikalischen Leitung angesiedelt und hat insofern eine Art Sandwichfunktion. Dennoch führt er eine Gruppe von Menschen, die eine ganz eigene Psychologie entwickelt. Das kommt in der Ausbildung deutlich zu kurz. Dafür möchten wir mittelfristig mehr Bewusstsein schaffen. Wir können natürlich nicht sofort alles umkrempeln. Unser Ziel ist aber, hier einen Diskussionsprozess anzustoßen.
O&T: Ist das Projekt für die VdO auch eine Möglichkeit, sich noch stärker im kulturpolitischen Feld zu positionieren?
Wedel: Auf jeden Fall. Die Tatsache, dass zum Beispiel im Urheberrecht die Tätigkeit eines Chordirigenten, eines Chordirektors nicht als eine eigene künstlerische Arbeit gewertet wird, ist auch eine Frage der kulturpolitischen Gewichtung.
Könemann: Die VdO versteht sich ja nicht nur als Gewerkschaft, sondern auch als Berufsverband. Diese Berufsverbandfunktion, die natürlich auch eine kulturpolitische ist, wollen wir mit unserem Engagement beim Chordirigentenforum in der breiteren Öffentlichkeit stärken. |