Münchner Jubiläums-Festwochen
Die Staatsoper feiert Geburtstag und den neuen GMD · Von Christian Kröber
Mit Schiller möchte man fragen: Was heißt und zu welchem Ende begeht man ein Jubiläum? Häufig sind es Eyecatcher, die dabei produziert werden sollen. Wagner und Verdi, Britten und Hindemith, all das hatte das Jahr 2013 in Deutschland zu bieten und nun auch noch pünktlich zum Einstand des neuen Generalmusikdirektors Kirill Petrenko in München die Strausssche „Frau ohne Schatten“ im „Haus ohne Schatten“, wie die Publikumszeitung der Oper titelt.
Bejubelte „Frau ohne Schatten“ mit Mitgliedern des Chors, des Kinderchors und der Statisterie. Foto: Wilfried Hösl
Dabei rückt eine Institution in den Mittelpunkt, die deutlich älter ist als der 1963 im Schatten des Kennedymordes wiedereröffnete Opernbau. Ob man nun das Jahr 1818 heranzieht, in dem der Vorgängerbau im damals 50.000 Einwohner zählenden München eingeweiht wurde, oder die Operngeschichte Münchens bis zum Jahr 1651 zurückverfolgt: Die Oper in München weist eine Kontinuität auf, die auch durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs nicht unterbrochen wurde, da das Prinzregententheater in den Jahren zwischen 1945 und 1963 künstlerische Heimat der Bayerischen Staatsoper war.
Was also gilt es zu feiern, wenn der feierlichen Wiederöffnung des historisch rekonstruierten Nationaltheaters gedacht wird? Es ist dann doch wie bei jedem Gedenkereignis der Blick zurück und der in die Zukunft, will heißen: Was hat sich verändert in den vergangenen 50 Jahren, und wie wird es in der Münchner Opernlandschaft weitergehen? Das „prima la musica e poi le parole“ gilt im übertragenen Sinn auch für die Führung eines Opernbetriebes, wobei „le parole“ für die Intendanz des Hauses zu stehen hat. Die verantwortet seit 2008/2009 der Österreicher Nikolaus Bachler, und rechtzeitig zum Festgedenken übernimmt mit Petrenko ein ausgewiesener Opernprofi als neuer Generalmusikdirektor die musikalische Leitung des Hauses.
Frau ohne Schatten
Die letzten 50 Jahre haben die Oper in vielfältiger Weise verändert. Schlagworte hierfür sind Regietheater und das Engagement internationaler Stars, die die immer gleichen Partien an allen bedeutenden Bühnen der Welt singen. Wo bleibt da das Spezifische eines Hauses, das typisch Bayerische oder Münchnerische? Kann ein solcher künstlerischer Anspruch im 21. Jahrhundert realistischerweise verwirklicht werden, oder überwiegen die Sachzwänge des Kulturbetriebs? Die Eröffnung der Jubiläumssaison 2013/2014 in München kann hierfür Antworten geben.
Als erste Premiere der Spielzeit hoben Kirill Petrenko und Krzysztof Warlikowski Richard Strauss‘ „Die Frau ohne Schatten“ aus der Taufe, in Erinnerung an die Wiedereröffnungspremiere 1963, als das Stück an gleicher Stelle gegeben wurde. Die vom Komponisten als sein Schmerzenskind titulierte „Frau ohne Schatten“ gehört mit zu den anspruchsvollsten Werken der Spätromantik, weil sich in der während des Ersten Weltkriegs komponierten Oper mehrfach Brüche auftun, die musikalische und inhaltliche Grenzen der Gattung deutlich erkennen lassen. Überfrachtungen durch die Ideenwelt Hugo von Hofmannsthals korrespondieren mit einer Riesenbesetzung des Orchesters und der halsbrecherischen Stimmführung der Gesangspartien. Petrenko und Warlikowski entschieden sich für die ungekürzte Fassung mit einer Aufführungsdauer von über vier Stunden und erzielten damit einen überwältigenden Erfolg für Bühne und Musik. Dies lag natürlich in erster Linie am Dirigenten, der – man kann es nicht anders sagen – alles richtig machte. Petrenko ist weder zu laut noch zu leise, er fordert sein Orchester und fördert die Sänger, in dem er ihnen die Luft zum Atmen lässt, die sie bei Strauss brauchen.
Und die revanchieren sich. Vor allem Wolfgang Koch (Färber) und Elena Pankratova (Färberin) gelang eine Freiheit des Gesangs, die mühelos alle Schwierigkeiten der Partien vergessen ließ. Die Regie hatte die Handlung in ein Sanatorium verlegt (Bühne und Kostüme Malgorzata Szczesniak), das die Thematik der Kaiser- und Färberwelt in Beletage
und Souterrain verpflanzte.
Dass Premieren gelingen, ist für das Renommee eines Opernhauses von herausragender Bedeutung. Die Qualität eines Hauses spiegelt sich aber vor allem im Tagesbetrieb. In München wird abgesehen von den Theaterferien und wenigen Feiertagen täglich gespielt: Etwa 310 Vorstellungen im großen Haus (inklusive Ballett) gilt es saisonweise zu bewältigen.
Eine der ersten Repertoirevorstellungen Kirill Petrenkos galt Puccinis „Tosca“ in der drei Jahre alten Inszenierung von Luc Bondy, und man befürchtete das Übliche, als der Intendant zu Beginn der Vorstellung auf der Bühne erschien. Ja, der Sänger des Cavaradossi sei erkrankt, aber als Münchner Haus habe man guten Ersatz zur Verfügung: Jonas Kaufmann hatte sich bereit erklärt, kurzfristig einzuspringen. Was dann in Folge auf der Bühne zu hören war, hatte bestes Festspielniveau. Neben Kaufmann bildeten Catherine Naglestad (Tosca) und Scott Hendricks (Scarpia) das Erfolgstrio des Abends, den Kirill Petrenko zu einer Sternstunde des lyrischen Verismo vervollkommnete, indem er Puccini als Klangarchitekt ernst nahm und seine „Tosca“ als ein Werk des Übergangs zur Moderne präsentierte.
So hat es also nach den „Festwochen“ der Wiedereröffnung den Anschein, dass die Bayerische Staatsoper im richtigen Fahrwasser schwimmt mit einem Steuerungsteam, dem die Qualität des Tagesgeschäfts genauso am Herzen liegt wie die künstlerischen Erfolge der Neuproduktionen.
Christian Kröber
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