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Wem gehört Richard Strauss?

Dresden feiert „seinen“ Strauss im Jubiläumsjahr · Von Wolf-Dieter Peter

Der „andere Richard“ – wem gehört er, der 1864, also vor 150 Jahren, geborene Richard Strauss? Die Geburtsstadt München ließ ihn ja nur vom Dritten zum Ersten Kapellmeis-ter avancieren. In Berlin und Wien wurde er auch nicht glücklich. Doch da gab es einen Dirigenten, der oft in einem Atemzug mit dem rund 20 Jahre jüngeren Arturo Toscanini genannt wurde: Ernst Schuch – ab 1898 vom österreichischen Kaiser zum „…Edlen von…“ geadelt.

Auftakt zum Dresdner Strauss-Jahr: „Elektra“mit Evelyn Herlitzius als Elektra und Frank van Aken als Aegisth. Foto: Matthias Creutziger

Auftakt zum Dresdner Strauss-Jahr: „Elektra“mit Evelyn Herlitzius als Elektra und Frank van Aken als Aegisth. Foto: Matthias Creutziger

Schuch war schon seit 1872 an der Dresdner Hofoper tätig und beeindruckte vielfältig: In sehr strenger und genauer Probenzeit erarbeitete er mit dem seit 1548 bestehenden Orchester und den Sängern alles minutiös, um dann in Aufführungen „frei“ ausmusizieren zu können; Klarheit, Nuancenreichtum, aus Pianissimo-Kultur erwachsende Überwältigung wurden gerühmt – Strauss selbst schrieb an Schuch „Ihr Lob singen, hieße, Pianissimis nach Dresden tragen“; Schuch beherrschte sein Handwerk so überragend, dass Wagners „Tristan“ in dreizehn Proben einstudiert werden konnte. 1882 als Direktor, 1889 als Generalmusikdirektor war Schuch, trotz eines Intendanten über ihm, die planende und gestaltende Persönlichkeit der Semperoper – und Neuem gegenüber aufgeschlossen: er lernte Strauss auf einem Tonkünstlerfest kennen, saß mit ihm in einer Jury, und aus der Trias von „Musik – Essen – Skat“ erwuchs eine tiefe Künstlerfreundschaft. Anders als in den Hofopern von Berlin, Wien oder München konnte Schuch in Dresden mit dem laut Richard Wagner zur „Wunderharfe“ gereiften Orchester zeitlich unbedrängt und damit profund bislang „Unerhörtes“ erarbeiten: Zwar musste Strauss um das Aufführungshonorar von 1.500 Goldmark kämpfen, doch das wegen seiner erotischen Eindeutigkeiten in Berlin abgelehnte, in Wien und München umstrittene Sujet kam am 21.November 1901 in der Dresdner Semperoper zur Uraufführung – „Feuersnot“. Der musikalische Erfolg katapultierte Strauss in die erste Reihe deutscher Opernkomponisten. Nach dem Wagnerianischen Aufwand dachte er an einen Einakter, sah Oscar Wildes „Salome“ und komponierte, was Gustav Mahler beim Vorspielen am Klavier beeindruckt als „nervöse Musik“, Cosima Wagner mit „Das ist der Wahnsinn!“ kommentierten.

Die warnenden Aufforderungen durch Strauss nahmen Schuch und einige Solisten zunächst nicht ernst, waren dann erschrocken über die Anforderungen – und machten das „Scherzo mit tödlichem Ausgang“ am 9. Dezember 1905 zu einem Sensationserfolg. Bis 1911 war die gesamte Opernwelt vom „Salome“-Bazillus samt grotesken Zensur-Querelen infiziert. 1906 sah Strauss in Berlin Hofmannsthals „Elektra“. Zurückhaltend, dann aber brieflich intensiv wie selten eine Künstler-Partnerschaft, begann beider Zusammenarbeit und am 25. Januar 1909 ließ Ernst von Schuch die wuchtigen Akkorde des Agamemnon-Themas erstmals tosen. Auch den „Rosenkavalier“ ließen Strauss-Hofmannsthal 1911 von Schuch in Dresden uraufführen. Der penetrant geschäftstüchtige Strauss drängte Schuch dazwischen auch immer wieder, „Feuersnot“ und „Guntram“ im Wechsel mit den genannten Werken aufzuführen, so dass in Dresden ab 1915 „Strauss-Festspiele“ entstanden. Schuch starb hochgeehrt und dekoriert 1914. Eine Sonderausstellung im Stadtmuseum Dresden widmet sich anlässlich des 100. Todestages seiner bedeutenden Rolle (9. Mai bis 28. September).

Fortsetzung der Strauss-Tradition

Richard Strauss blieb der Semperoper und der Staatskapelle auch nach Kriegsende treu: Fritz Busch brachte 1924 „Intermezzo“ und 1928 „Die Ägyptische Helena“ zur Uraufführung; nach der Vertreibung Buschs durch die NS-Kulturbarbaren dirigierte Clemens Krauss 1933 die Uraufführung der „Arabella“; Karl Böhm leitete 1935 die wegen „des Juden Stefan Zweig“ heftig umstrittene Uraufführung der „Schweigsamen Frau“, 1938 die der „Daphne“. Sogar in den Jahrzehnten der deutschen Teilung nach dem 2. Weltkrieg galt die Staatskapelle als das herausragende „Strauss-Orchester“: Maßgebliche Aufnahmen der westdeutschen „Deutschen Grammophon“ entstanden in Dresden.

Diesen Status will GMD Christian Thielemann 2014 wahren: Er dirigierte im Januar eine Neuproduktion der „Elektra“. Zwei frühe Werke von Strauss schließen sich an: Sein selten gespielter „Guntram“ aus dem Jahr 1894 wird dreimal unter der musikalischen Leitung von Omer Meir Wellber konzertant aufgeführt. Es folgt in einer halbszenischen Aufführung unter freiem Himmel im Großen Schlosshof des Residenzschlosses „Feuersnot“. In dieser Koproduktion mit den Dresdner Musikfestspielen dirigiert Stefan Klingele das Dresdner Festspielorchester. Wiederaufnahmen von „Der Rosenkavalier“ (3. Oktober 2013), „Ariadne auf Naxos“ (9. März 2014) und „Salome“ (21. März 2014) ergänzen den Strauss-Schwerpunkt. Im November 2014 finden„Richard-Strauss-Tage“ unter anderem mit Aufführungen von „Capriccio“, „Daphne“ und „Arabella“ statt.

Auch das Ballett bringt sich in das Strauss-Programm der Semperoper ein – mit einer Hommage, die Strauss‘ „Josephs Legende“ in einer choreografischen Uraufführung von Stijn Celis und einem Ausschnitt aus „Verklungene Feste“ zeigt (Premiere 28. Juni). Dazu kommt neben dem Geburtstagskonzert am 11. Juni eine ganze Reihe von Konzerten der Staatskapelle mit symphonischen Werken – nicht nur in den „heiligen Hallen“, sondern auch vor der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen: bei „Klassik picknickt“ am 12. Juli feiert Thielemann den Jubilar Strauss mit dessen Burleske für Klavier und Orchester. Also wem „gehört“ Richard Strauss?

Wolf-Dieter Peter

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