Die soziale Kraft der Kunst
Jugendarbeit der Bayerischen Staatstheater · Von Marco
Frei
Der Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg heißt in München
Hasenbergl. Gelegentlich sollen tatsächlich Vierbeiner über
die eher spärlichen Grünflächen hoppeln, doch leben
hier vorwiegend soziale Randgruppen. Natürlich gibt es hier
so genannte „Problemschulen“ mit sozialen Konflikten.
Auch in diesem Umfeld möchten die Bayerischen Staatstheater
in München – neben dem Bayerischen Staatsschauspiel die
Bayerische Staatsoper und das Staatsballett sowie das Staatstheater
am Gärtnerplatz – nun verstärkt aktiv werden.
Angebot für alle
Die neue gemeinsame Initiative, die vom Bayerischen Staatsministerium
für Wissenschaft, Forschung und Kunst unterstützt wird,
nennt sich „THEATerLEBEN“. Nach dreizehn Jahren löst
sie ab der kommenden Spielzeit das an der Bayerischen Theaterakademie
angesiedelte Projekt „Theater und Schule“ ab. Es gehe
um die „Option der Teilhabe an Kultur“ aller sozialen
Schichten, erklärte Ulrike Hessler (Direktorin für Public
Relations und Programmentwicklung an der Bayerischen Staatsoper)
im Mai auf einer Pressekonferenz.
Auf ins Hasenbergl, hieß es für die Bayerische Staatsoper
bereits anlässlich der Mozart-Woche im Januar 2006: Denn mit
zwei Hauptschulen und zwei Realschulen ist man seinerzeit eine Patenschaft
eingegangen. Schüler wurden durch die Abteilungen des Nationaltheaters
geführt und lernten Mozarts „Zauberflöte“
kennen. Dabei wurde die Oper nicht nur erklärt und eine Aufführung
besucht, sondern auch ausprobiert: „So haben sie den Tanz
der wilden Tiere, die mit der Zauberflöte besänftigt werden,
einstudiert“, erklärt Pressesprecherin Julia Kessler-Knopp.
Das Projekt kam gut an – so gut, dass für die kommende
Spielzeit unter dem Motto „Oper.Über.Leben“ wieder
vier Patenschaften eingerichtet werden. Allerdings sollen nun ausnahmslos
Hauptschulen angesprochen werden. Wie Kessler-Knopp erklärt,
gebe es nämlich in diesem Schultyp erhebliche Defizite im Musikunterricht.
Tanz-Erlebnisse
Und Kunst kann helfen. Davon weiß auch Bettina Wagner-Bergelt
zu berichten. Es war im Mai 2005, als sie von einer Lehrerin einer
Grundschule in Moosach kontaktiert wurde. „Auf die Schule
gehen viele Emigrantenkinder, die kaum Deutsch sprechen,“
so die stellvertretende Direktorin des Bayerischen Staatsballetts.
Eigentlich ging es zunächst nur um eine Führung und um
Einblicke in die Probenarbeit. Doch schon bald folgten Tanz-Workshops:
„Anfangs hatten gerade die Jungs noch Hemmungen, zunehmend
wurden sie jedoch stolzer.“
Im Tanz gewannen viele neues Selbstvertrauen, zudem wurden durch
das Nonverbale Sprachbarrieren überwunden. „Sie fanden
zu einem eigenen und neuen Ausdruck,“ so Wagner-Bergelt weiter.
Weil das Projekt so erfolgreich war, startet im Herbst ein für
drei Jahre angesetztes Projekt, ein- bis zweimal im Monat wird man
sich mit den Schülern treffen.
Tanz macht Schule
Doch auch die „Upper BildungsClass“ kommt in der Initiative
der Bayerischen Staatstheater nicht zu kurz. So ist das Staatstheater
am Gärtnerplatz mit dem musischen Pestalozzi-Gymnasium eine
Kooperation eingegangen. Die Schüler dürfen in alle Bereiche
des Theaterbetriebs reinschnuppern und bei Workshops mitmachen.
Bereits in der Spielzeit 2005/06 wurden gemeinsame Projekte erarbeitet
und auf die Bühne gebracht. So hieß es im Mai „Tanz
macht Schule“.
Jetzt heißt es „Theater macht Schule“. Bereits
Ende Juni folgte ein Filmmusik-Konzert, das der Pestalozzi-Kammerchor
mit dem Gärtnerplatz-Orchester gestaltete. Das nächste
Projekt ist Peter Maxwell Davies „Cinderella“, eine
Miniaturoper für Kinder, die im April 2007 aufgeführt
werden soll. Für Hochbegabte bietet die Bayerische Staatsoper
weiterhin die seit 2003 laufende „Schülerakademie“
an. Dabei treffen sich alle vierzehn Tage sechzehn Schüler
an einem Freitagnachmittag in Begleitung eines Musik- und eines
Deutschlehrers mit Rainer Karlitschek von der Bayerischen Staatsoper,
seit einem halben Jahr „Dramaturg für Kinder- und Jugendarbeit“.
Gesprochen wird über Musik und Libretto. Während der
diesjährigen Münchner Opernfestspiele wurde zudem erstmals
eine „Festspielakademie“ ausgerufen, die 2007 fortgesetzt
werden könnte: Sechzehn Gymnasiasten wurden von einem Gremium
ausgewählt, das Konzept ähnelt dem der „Schülerakademie“.
Und so bietet die gemeinsame Initiative der Bayerischen Staatstheater
ein vielfältiges Programm, das in der deutschen Theaterlandschaft
seinesgleichen sucht – das meint zumindest der Bayerische
Kultusminister Thomas Goppel. Auf die Ergebnisse der Initiative
darf man gespannt sein.
Marco Frei
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