So durfte man auf diese außergewöhnliche Uraufführung besonders gespannt sein. Und in der Tat gelang es der Regisseurin Phyllida Lloyd, dem Choreografen Kim Brandstrup und dem Ausstatter Richard Hudson, ein in sich logisches und geschlossenes Konzept auf die Bühne zu bringen, das allerdings von einer sehr konservativen Struktur geprägt ist. Die Verantwortlichen besetzten alle Protagonisten doppelt, und zwar einmal als Tänzer und dann auch als Sänger, wobei Letztere naturgemäß hauptsächlich erst in der Oper in Erscheinung treten. Man sieht von Beginn an Glaspalast-Fassaden im Jugendstil-Ambiente, gegen welche der Regen hämmert. Das Einsetzen der Drehbühne verlegt die Handlung schnell von außen in das Innere des Gebäudes und umgekehrt. Verschiedene Pas-de-deux-Szenen und auch ein tiefenpsychologisch interessant gestalteter Pas de trois mit dem sich liebenden Geschwisterpaar und dem Doktor drücken in den vorangestellten Balletten die spannungsgeladenen Beziehungen zwischen den beteiligten Individuen aus und antizipieren somit die Handlung der Oper. Kim Brandstrup bedient sich hier einer Mischung aus klassischem Ballett und modernem Ausdruckstanz, wobei Letzterer eher dezent angelegt ist und bei weitem nicht alle heutigen Möglichkeiten an Innovativem und Ausdrucksstärke auslotet. Den Tänzern Steven McRae als Roderick, Johannes Stepanek als Rodericks Freund, Gary Avis als Doktor und Leanne Benjamin als Lady Madeline gebürt Lob für die ansprechenden Leistungen. In der Oper bestachen am Premierenabend die Sänger Scott Hendricks als Roderick, Nicholas Cavallier als Freund, John Graham-Hall als Arzt und Leanne Benjamin in der Rolle der Lady Madeline durch Ausdruck, schauspielerische Leidenschaft und eine verständliche Textartikulation. Lediglich in den Forte-Passagen konnten sie sich gegen das von Lawrence Foster ansonsten mit Bedacht und Sinn für dynamische Details geleitete Orchester nur schwer durchsetzen. Hier hätte der Dirigent die dynamischen Spitzen etwas mildern können. Das zahlreiche Einbeziehen der Drehbühne wirkt auf die Dauer etwas plakativ. Auch kann man in den Mono- und Dialogen eine gewisse Standregie feststellen und die komplette Ausrichtung von Bühne und Kostüme am ausgehenden 19. Jahrhundert weist ein wenig Farblosigkeit auf. Vielleicht wären hier doch Einfälle gefragt gewesen, wie sie unser multimediales Bühnenzeitalter bietet. Der ausdrucksstarken Schluss-Szene, als Lady Madeline, der Gruft entkommen, bedrohlich hinter einer Glaswand erscheint, muss man allerdings Respekt zollen. Insgesamt erlebte man eine außergewöhnliche Idee, bei deren Umsetzung etwas mehr Mut zum Progressiven nicht fehl am Platz gewesen wäre. Der Applaus war dennoch anhaltend, allerdings nicht übermäßig intensiv. Stefan Rimek
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