Kultur-Mensch mit Biss
Stefan Meuschel zum 70. Geburtstag · Von Theo Geißler
und Barbara Haack
Terminabsprachen mit ihm sind nicht ganz einfach. Meistens ist
er auf Achse: unterwegs zu politischen Gesprächen in Bonn
oder Berlin, zu Tarifverhandlungen, zu Theaterhäusern in ganz
Deutschland oder zur Redaktionssitzung von „Oper & Tanz“ in
Regensburg. Den Lesern dieser Zeitschrift ist Stefan Meuschel in
erster Linie als Geschäftsführer der VdO bekannt; das
ist zwar vermutlich das wichtigste, nicht aber das einzige Amt,
das den rührigen Kulturpolitiker umtreibt. Daneben ist er
Vorsitzender des Verwaltungsrates der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst,
geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Regie,
Mitglied des Beirates der Künstlersozialkasse und - für
die FDP – des Bezirksausschusses Schwabing/Freimann; eine
sicher nicht vollständige Auflistung seiner Ämter, die
er mit Inhalt und Leben erfüllt. Stefan Meuschel ist soeben
70 geworden. Die Redaktion von „Oper & Tanz“ gratuliert
sehr herzlich und dankt für inzwischen mehr als vier Jahre
intensiver und fruchtbarer Zusammenarbeit.
Schon mit 20 Jahren unternahm Stefan Meuschel praktische Filmversuche.
Unter anderem erarbeitete er mit dem Komponisten Josef Anton Riedl
eine filmische Dokumentation über elektronische Musik. Nach
den ersten Filmerfahrungen zog es ihn zum Theater. 1959 engagierte
Hans Schweikart ihn als Dramaturgen an die Münchner Kammerspiele,
1968 holte ihn Boleslaw Barlog in gleicher Position ans Schiller-Theater
in Berlin. Dabei arbeitete er unter anderem mit Samuel Beckett,
Max Frisch und Carl Zuckmayer. Parallel prägte ihn die Tätigkeit
als Regieassistent, unter anderem bei Fritz Kortner. Und er begann
mit eigenen Regiearbeiten, zunächst in der Provinz, dann auch
in Berlin. Stefan Meuschel ist dank seiner Geschichte ein „Kulturfunktionär“ der
besten Sorte: einer, der auch die praktische künstlerische
Arbeit kennen gelernt und selbst über viele Jahre hinweg ausgeübt
hat. Als studierter Jurist verfügt er daneben über die
nötigen theoretischen Kenntnisse, die die Arbeit in einem
Berufsverband erfordert.
Zur Gewerkschaft kam er zunächst eher durch Zufall. Während
einer erzwungenen Ruhepause, die sich aus der verzögerten
Finanzierung eines Filmprojektes ergab, wurde er von der Deutschen
Angestellen-Gewerkschaft (DAG) gebeten, als ihr Verhandlungsführer
beim WDR die Tarifgespräche zu begleiten. Aus der einmaligen
Aufgabe wurde eine Lebenstätigkeit. Schon bald trat Stefan
Meuschel ein Engagement als Gewerkschaftssekretär beim Bundesvorstand
in Hamburg an. 1995 wurde er Geschäftsführer der VdO.
Anlässlich seines Geburtstags unterhielt sich „Oper & Tanz“-Mitherausgeber
Theo Geißler mit Stefan Meuschel. Hier ein Auszug aus dem
Interview: Theo Geißler: Bitte ein paar Worte über Ihre größten
Erfolge und Ihre herbsten Niederlagen im Rahmen Ihrer gewerkschaftlichen
Arbeit.
Stefan Meuschel: Im politischen Bereich sind Erfolge stets das
Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen, auch der Kooperation mit anderen
Organisationen. Dass es in den 21 Jahren meiner Tätigkeit
für die DAG gelungen ist, soziale Absicherungen für Minigruppen
durchzusetzen und für Minderheiten, denen die landläufigen
gewerkschaftlichen Druckmittel nicht zur Verfügung stehen,
möchte ich schon auf der Habenseite buchen: das reicht vom
Künstlersozialversicherungsgesetz bis zu urhebervertragsrechtlichen
Regelungen, vom tariflichen Sozialschutz für Opernchorsänger
bis zur EU-weiten Anerkennung des Filmregisseurs als Haupturheber
am Filmwerk.
Niederlagen im fachlichen Bereich sind all die Ziele, die zu
langsam oder bisher gar nicht erreicht wurden – und der sich verstärkende
Eindruck, im Krieg des Schwachsinns gegen das Schöpferische
werde doch Ersterer den Sieg davontragen.
Geißler: Wo sehen Sie die Aufgaben
einer künstlerorientierten
Gewerkschaft? Meuschel: Nirgendwo anders, als die aller anderen
Gewerkschaften: In der Umsetzung des Willens der Mitglieder. Neben
ihren tarif-
und betriebspolitischen Aufgaben ist die Künstlergewerkschaft
einem Kulturauftrag verpflichtet, der nicht nur in der Sicherung
von Arbeitsplätzen und Kultureinrichtungen, sondern auch im
Erhalt einer kulturellen Grundversorgung und eines hohen künstlerischen
Niveaus besteht. Das hat auch eine besondere partnerschaftliche
Beziehung zum Arbeitgeberlager zur Folge. Beim Rollenspiel der
Sozialpartner ist der gemeinsame Kunstwille für beide Seiten
oft ein die Balance gefährdender Faktor.
Geißler: Sind kulturelle Berufsvertretungen in Zeiten weltweiter
Vernetzung überhaupt noch zukunftsfähig?
Meuschel: Wenn die weltweite Vernetzung nicht zum Amüsierbetrieb
auf dem Vulkan werden soll, gilt es, überall kulturellen Sand
ins Getriebe zu streuen. Wer könnte das besser als starke
Bündnisse solcher Kultur-Berufsverbände. Nachdenklich
sollte es stimmen, dass die Berufsgewerkschaften und -verbände
im Hinblick auf ihre Akzeptanz bei ihrer Mitgliedschaft und die
Entwicklung der Mitgliederzahlen weniger Zukunftssorgen haben als
so manche große Organisation.
Stefan Meuschel zum 70. Geburtstag
Der Bundesvorstand der VdO gratuliert im Namen aller Mitglieder
sehr herzlich. Wir wünschen auch weiterhin Gesundheit, Zufriedenheit
und viel Kraft für kommende Aufgaben. Für die zurückliegende
Zusammenarbeit ein herzliches Dankeschön!
Winfried Knoll
Bundesvorsitzender
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