Vergessene Opern entdeckt
„Lodoiska“ in Nordhausen und „Nachtlager von
Granada“ in
Freiberg
Sechs Jahrzehnte behauptete sich das eine Stück auf deutschen
Opernbühnen, fast ein Jahrhundert
das andere. Jetzt holten sie zwei kleine, unternehmungsfreudige Theater ins Rampenlicht
zurück, das in Nordhausen Luigi Cherubinis „Lodoiska“, das Mittelsächische
in Freiberg und Döbeln Konradin Kreutzers „Nachtlager von Granada“. Als das aufregendere Werk
erweist sich jenes von Cherubini. Es wurde nach der Uraufführung am 18.
Juli 1791 200 Mal in Folge gespielt und behauptete sich ab 1797 bis in die
1850er-Jahre auch auf deutschen Bühnen. Wenn die Handlung des Stückes
auch in Polen angesiedelt ist und die Befreier der von einem tyrannischen Fürsten
gefangen gehaltenen Lodoiska Tataren sind, wussten die Franzosen genau, dass
vorrevolutionäre Zustände im eigenen Land gemeint sind.
In Deutschland und Österreich
galt das als comédie-heroique bezeichnete Stück eher als romantische
Oper, die die Treue Lodoiskas und ihres sie in ganz Polen suchenden Verlobten
Floreski preist – als Gegenstück zu Beethovens im 19. Jahrhundert
auf die Gattentreue reduzierten „Fidelio“. Auf Beethoven aber wirkte
es wie die weiteren, ebenfalls in Wien gespielten Cherubini-Opern „Elisa“, „Medea“, „Der
Wasserträger“ inhaltlich und in seiner betont motivischen Entwicklung
als unmittelbares Vorbild. Lodoiskas große Arie zu Beginn des zweiten
Aktes nimmt vieles der großen Leonoren-Arie vorweg. Der tyrannische Baron
Dourlinski stimmt voreilig triumphierend Rachegelüste wie Pizarro an.
Die komischen Elemente beschränken sich in „Lodoiska“ auf
die Gestalt von Floreskis Diener Varbel, einem „Verwandten“ Leporellos.
Geprägt wird
das Geschehen vom Suchen und Ringen Floreskis um Lodoiska, von Lodoiskas Standhaftigkeit
gegenüber den Zudringlichkeiten und Grausamkeiten des Barons Dourlinski.
Ralf Jokisch baute für die Inszenierung Markus Lobbes‘ als Einheitsbild
einen die Bühne einnehmenden Turm aus mit dickem Packpapier bespannten
Metallstäben. Dem Geschehen entsprechend wird der immer mehr durchlöchert,
bis zuletzt nur noch das nackte Gerüst dasteht. Der Regisseur führt
auf der Grundlage der deutschen Übersetzung von Karl Alexander Herklots
für die Berliner Erstaufführung von 1797 (!) die Akteure zielstrebig.
Die Herren des Opernchors präsentieren sich als berittene, Schmunzeln
erweckende Tatarenmannschaft und lösen ihre musikalischen Aufgaben (Einstudierung
Gerd Franzke) sicher. Sabine Blanchard erweckt
als ausdrucksvoll singende und intensiv spielende Lodoiska die stärksten
Eindrücke. Auch Thomas Bémer als kultiviert gestaltender Floreski
und Thomas Kohl als burschikoser, beherzter Varbel überzeugen. Als Dourlinski
aber singt Wolfgang Lambertz einfach zu schön, lässt die Bösartigkeit
dieser Gestalt kaum spüren. Die insgesamt geschlossene Ensembleleistung
ist für den starken Gesamteindruck wesentlich. Das Lohorchester Sonderhausen
wird alternierend von GMD Hiroaki Masuda oder Stefan Ottersbach zu einer eindringlichen
und ausgewogenen Gestaltung des anspruchsvollen Orchesterparts geführt.
Conradin Kreutzers 1834 uraufgeführtes Erfolgswerk „Das Nachtlager
von Granada“ berührt heute durchaus noch dank seiner melodischen
und lyrischen Qualitäten. Ohne Zweifel hat da Webers „Freischütz“ anregend
gewirkt. Doch waren es mehr die lyrischen Szenen Agathes und Maxens, nicht
aber die dämonischen Kaspars und der Wolfsschlucht, die für das Nachtlager
in der Ruine eines Maurenschlosses durchaus hätten Impulse geben können.
Im populärsten Stück der Oper, dem Chor „Schon die Abendglocken
klangen“, bleibt das Vorbild Gluck unüberhörbar. Da kann der
lebendig geführte Chor des Mittelsächischen Theaters (von Frank Jarembo
vorbereitet) seine Klangkultur aufs Schönste hören lassen. Der Intendant Ingolf Huhn
fand für die Liebesgeschichte des Waisenkindes Gabriele, des Hirten Gomez,
dessen Rivalen Vasco und des als Jäger verkleideten, in Gabriele schnell
verliebten großmütigen Prinzregenten mit einem verhinderten Mordanschlag
eine szenische Gestaltung, die das Geschehen durchaus ernst nimmt, aber auch
eine gelinde Distanz zu allem wahrt.
Mit Maria Gessler als Gabriele, Guido Hackhausen als Gomez und
Michael Kunze als Prinzregent kann das Theater tüchtige Sänger
für die Hauptpartien einsetzen. Auch
die anderen Partien werden überzeugend gestaltet. GMD Georg Christoph
Sandmann führt sie und die Mittelsächische Philharmonie mit Energie
und Feingefühl zu einer geschlossenen Gesamtgestaltung.
Werner Wolf
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