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Schritt.Macher
Zweite Premiere unter Robert Conn
Hut ab. Innerhalb von einer halben Saison hat der neue Augsburger
Ballettchef Robert Conn ein exquisit homogenes und zugleich persönlichkeitsstarkes
Ensemble aufgestellt. Mit Stücken von Christian Spuck, Kevin
O‘Day und Trey McIntyre, moderne bis schräge Neoklassiker,
kam seine zweite Premiere beim Publikum blendend an. Erzählen
ist ja heute nicht mehr „in“. Die jüngeren Choreografen
deuten an, arbeiten mit assoziativen Bildern. Der Stuttgarter Haus-Choreograf
Spuck will in seinem „Sleepers Chamber“ (2007) existenzielle
Bedrohungen wie Terrorismus und Naturkatastrophen evozieren. In
seine „Schläfer-Kammer“ ragen die Schattenrisse
riesiger Heuschrecken. Und zu hohl schlagenden elektronischen Rhythmen
zelebrieren acht in ihren eckigen Gesten insektenhaft wirkende
Wesen ein Endzeit-Ritual. Der Amerikaner Kevin O‘Day, seit
2002 erfolgreicher Mannheimer Ballettchef, führt in seinem „Bloodgroove“ (2003)
zu elektronisch schlingernden Tango-Kompositionen je fünf
Männer und Frauen zusammen. Und die lassen es in fetzigen
Single- und Paar-Tänzen „grooven“, fußrasant
und flirtig-kompliziert in den Partnerfiguren.
Bei Spuck und O‘Day ist ganz deutlich die Prägung durch
William Forsythe sichtbar. Die verschraubte, oft brutal gebrochene
neoklassische Körperlinie, die elektronischen Hack-Rhythmen,
die Düsterbühne, das alles sind die von Forsythe in den
80er-Jahren eingeführten Stilmittel. Der in den USA basierte
Trey McIntyre bleibt einem typisch amerikanischen, einem sportlich
angeheizten Dynamo-Stil treu. Sein „A Day in the Life“ zu
zwölf Beatles-Songs (2006) ist etwas zu lang geraten, macht
aber auf angenehme Art heiter. „Schritt.Macher“, wie
der Abend im Titel verheißt, sind McIntyre, O‘Day und
Spuck in diesen Arbeiten sicher nicht, aber höchst professionelle
Schritte-Macher, was nicht gering zu schätzen ist. Ihr Vorteil,
zu den Nachgeborenen der großen Schrittmacher Jiri Kylián,
William Forsythe und Twyla Tharp zu gehören, erweist sich
eben leider zugleich als belastende Hypothek. Denn: was kann man
heute noch „neu“ kreieren? Für seinen Traum von
einem spannenden Repertoire-Ensemble wird Conn noch hart kämpfen
müssen. Malve Gradinger
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