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Neues vom Sorbischen National-Ensemble
Das kleine Tourneetheater aus Bautzen macht auch in diesem Jahr
wieder von sich reden. Seit der letzten Stellenkürzung im
Jahr 2002 um 26 Stellen sind dem Ensemble noch 107 Angehörige,
davon 79 künstlerisch Beschäftigte in Ballett, Chor und
Orchester verblieben. Bis heute jedoch hat das SNE weiterhin mit
einer nicht zuletzt durch den Stellenabbau (im Jahr 2002!) hervorgerufenen
instabilen Haushaltslage zu kämpfen, welche bisher wiederholt
nur durch den Abschluss diverser Haustarifverträge ins Reine
gebracht werden konnte. Waren es 2004/05/06 noch je 1.5 Prozent
Gehaltsverzicht, 2007 schon 7 Prozent, sollte 2008 der Verzicht
weiter nach oben schnellen. Dies ist bei einer sehr guten Auslastung
des sich zirka zu 50 Prozent aller Veranstaltungen auf Tournee
befindlichen Hauses nicht leicht zu begreifen, war doch allein
der Chor 2007 insgesamt 80 Tage und Nächte auf Tour in allen
Teilen Deutschlands, in Österreich, Italien, der Schweiz,
Luxemburg, den Niederlanden. Nun steckt jedoch der Gesellschafter
und mit zur Zeit jährlich 4.450.000 Euro Zuwendungssumme fast
alleiniger Geldgeber, die „Zalozba za serbski lud“ (Stiftung
für das sorbische Volk), selbst in Finanznöten. Bekommt
die „Stiftung“ doch mit 15,6 Mio Euro jährlich
zum Zwecke der regelmäßigen Finanzierung von Museen,
Buch- und Zeitungsverlag, wissenschaftlichem Institut, Theater,
National Ensemble und weiteren Projekten seit Jahren eine anfangs
gleichbleibende, in den letzten Jahren geringer werdende Fördersumme
von Bund (50 Prozent) und den Ländern Sachsen (ca. 33 Prozent)
und Brandenburg (ca. 17 Prozent). Im Jahr 2003 waren es mal 16,4
Millionen Euro. Der Freistaat Sachsen allerdings wird seinen Förderbeitrag
von derzeit 5,45 Millionen auf 5,85 Millionen Euro im Jahr 2012
steigern.
Da das SNE aber bisher als einzige so finanzierte Einrichtung
auf das schmerzliche Mittel eines Haustarifvertrages zurückgreifen
musste, initiierte der Betriebsrat mit der Unterstützung der
Gewerkschaften gemeinsam mit den Betriebsräten des Deutsch-Sorbischen
Volkstheaters, des sorbischen Instituts, der Stiftungsverwaltung,
der Domowina, des Domowina Verlages und des Witaj Sprachzentrums
eine Initiative für eine Demonstration aller interessierten
Sorben und wohlgesinnter Kulturfreunde vor dem Reichstag in Berlin. Lediglich Sterbehilfe
Das Motto: Für eine ausreichende Finanzierung der ‚Stiftung
für das sorbische Volk‘“. Sorbische Vertreter
und kommunale Politiker haben einen Bedarf von 16,4 Mio Euro mit
einer Steigerung von 100.000 Euro jährlich angemeldet – zunächst
also eine Rücknahme bereits erfolgter Etatkürzungen!
Und so kamen denn auch am 29.Mai (einem Donnerstag) immerhin über
500 Menschen aus der Lausitz nach Berlin, um dort für den
Kulturerhalt einer ganzen Region zu demonstrieren. Zum ersten Mal
in der Geschichte der Sorben übrigens! Sie zogen am Nachmittag
ab zirka 16.30 Uhr „Unter den Linden“ entlang zum Brandenburger
Tor und zeigten damit, dass diese Minderheit gar nicht so verschwindend
klein ist wie von Politikern manchmal angenommen (oder erhofft?).
Alles war auf das Beste organisiert. VdO, DOV, ver.di, Schmidt
Reisen sowie Privatpersonen sponserten – und fertig war eine
sehr gelungene Veranstaltung an einem ziemlich heißen Tag
im Mai. Hier ließen es sich dann auch zahlreiche Politiker,
die Bundestagsabgeordneten Maria Michalk (CDU), Steffen Reiche
(SPD), Cornelia Behm (B90/Grüne), Ilja Seifert (Die Linke),
der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken,
Hans Joachim Meyer, der Vorsitzende des Südschleswigschen
Wählerverbandes, Flemming Meyer, der Bautzener Theater-Intendant
Lutz Hillmann und der Domowina-Vorsitzende Jan Nuk auch nicht nehmen,
von der Rednertribüne vor dem Brandenburger Tor aus die Frauen
und Männer zu bestärken und ihrer Unterstützung
zu versichern. Jan Nuk sagte, das Finanzierungsabkommen könne
lediglich als Sterbehilfe betrachtet werden. 55 Stellen seien gefährdet,
das entspreche dem ganzen Domowina Verlag. „Für diese
Schmutzarbeit werden wir uns nicht hergeben“ Das polnische
Fernsehen übertrug live und landesweit. Zahlreiche andere
Fernsehteams und Journalisten waren vor Ort. Wohl gemerkt: Für’s
Erste geht es um nicht einmal 1 Mio Euro für alle Einrichtungen
insgesamt – und das auf Bundesebene. Wie viel mehr wird doch
z.B. für die Wiederansiedlung des Elchs in Brandenburg in
Zeiten sprudelnder Einnahmen aufgewendet. Und wie durch ein Wunder
wurden just am Tag vor der geplanten Demonstration auch bisher
zurückgehaltene Fördermittel durch den Bund und das Land
Brandenburg freigegeben. Die hatten nämlich nicht nur Mittel
gekürzt, sondern vom kläglichen Rest auch noch einen
Teil gesperrt. Wem würde sich da nicht der Eindruck eines „Tod-knebelns
bis zur Handlungsunfähigkeit“ aufdrängen. Sachsen
sagte subito die bereits genannten 100.000 Euro jährlich mehr
zu. Alles in Butter? Nein, natürlich nicht. Der Haushalt für
die „SNE GmbH“ wurde bisher nicht erhöht! Die
maßgeblichen Initiatoren zur Demonstration für eine „auskömmliche
und langfristige Finanzierung der Stiftung“ im SNE werden
auch in diesem Jahr wieder einen HTV brauchen, um sich und das
Ensemble vor dem Schreckgespenst der Insolvenz zu retten. Sie sollen
weiterhin die Lasten einer von der „Stiftung“ geforderten
Personalreduzierung und die damit verbundenen gesetzlich vorgeschriebenen
Abfindungszahlungen zusätzlich zu einem ohnehin vorhandenen „Strukturelles
Defizit“ genannten Haushaltsloch tragen.
Hat das etwa keine politische Dimension? Sind knapp 5 Millionen
Euro jährlich für das einzige professionelle sorbischsprachige
Musik- und Tanztheater wirklich zu viel? Sollte noch niemandem
aufgefallen sein, das mit dem Ensemble eines der letzten Lichter
in der Lausitz ausgehen würde? (Bahn frei für die Wölfe!)
Diese Fragen werden geklärt werden müssen, sonst kommt’s
zum baldigen oder um in „Politikersprache“ zu bleiben „zeitnahen“ knock
out!
Diminuendo, morendo, smorzando, Sie verstehen? Michael Janze,
stellv. Landesvors. Sachsen VdO
Quellen: Internetseite SNE www.sorbisches-national-ensemble.de,
Sächsische Zeitung POLITIK vom 30.05.2008, Betriebsrat
des SNE, Eigenes Erleben/ Recherche
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