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Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Kleine Oper, große Zukunft
Ein eigenes Haus für die Kinderoper in Dortmund
Jedem Kind seine Stimme
Ein Frankfurter Modell gegen den Musiknotstand
Großes Solo für den Chor
Chorklangprofile in Oldenburg, Köln und Essen
Die Bedeutung des Profichors
Der „kleine“ Opernchor am Beispiel Osnabrück

Portrait
Häufig ein zähes Ringen
Deutsche Oper: Gespräche mit dem scheidenden Hellwart Matthiesen und dem „Neuen“ William Spaulding
Rückkehr zur Neoklassik
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Die Casa Ricordi wird 200 Jahre alt

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Moderne und einsame Menschen
Drei Schönberg-Einakter in der Oper Leipzig
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Die 11. Münchener Biennale
Im Spiegelbild der Realität
Daniela Kurz‘ letzte Uraufführung in Nürnberg
Neue Spielräume für die Chöre
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Ein archaisches Matriarchat
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Der Chor in der Hauptrolle
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Kulturpolitik

Jedem Kind seine Stimme

Ein Frankfurter Modell gegen den Musiknotstand · Von Gerhard Rohde

Früher hatten nur böse Menschen keine Lieder. Jedenfalls behauptete das ein Sprichwort, das empfahl, sich nur dort niederzulassen, wo gesungen wird. Heutzutage ist das Böse allerdings kaum noch zu erkennen. Auch Gutmenschen kennen keine Lieder und singen können sie schon überhaupt nicht mehr. Dass der unbefriedigende Zustand bereits in der Schulzeit beginnt, darüber wird immer wieder viel geredet, und wenig, oft überhaupt nichts geschieht. Nur auf Fachtagungen zum Thema erfährt der interessierte Nichtfachmann, wie wichtig doch die Ausübung von Musik für die Persönlichkeitsbildung gerade für Kinder und Jugendliche ist. Die Stichworte heißen: Phantasie anregen, emotionale Kräfte freisetzen; über Singübungen, rhythmische Bewegungen, Spielformen sich des eigenen Körpers bewusst zu werden, mit den Möglichkeiten des Körperlichen etwas zu gestalten, schließlich und besonders wichtig: In der Gemeinschaftsleistung eines kollektiven Musizierens/Singens so etwas wie eine soziale Kompetenz zu erfahren. Nur gemeinsam lassen sich viele Projekte in der Musik verwirklichen. Jeder ist wichtig, um zum Erfolg zu kommen.

Vom Kopf auf die Füße

 

„Primacanta“ an der Liebfrauenschule. Fotos: Björn Hadem

„Primacanta“ an der Liebfrauenschule. Fotos: Björn Hadem

 

„Primacanta“ an der Liebfrauenschule. Fotos: Björn Hadem

 

In Frankfurt am Main will man nun dem allgemeinen Musiknotstand an den Schulen ein Ende bereiten. Zu diesem Zweck vereinigten sich die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst mit der 2001 von Ulrike Crespo gegründeten Crespo Foundation, denn ohne einen finanzkräftigen Partner aus der privaten Sphäre lassen sich selbst ambitionierte und sinnvolle Projekte heutzutage kaum noch realisieren.

Das Frankfurter Modell erhielt den Titel „Primacanta – Jedem Kind seine Stimme“ und läuft, nach einem erfolgreichen Feldversuch, mit Beginn des nächsten Schuljahres an etwa der Hälfte der 75 Frankfurter Grundschulen an. Das „Primacanta“-Modell stellt den herkömmlichen Musikunterricht gleichsam wieder vom Kopf auf die Füße. Statt die Kinder mit musikalischem Bildungsgut zu füttern, werden sie selbst zum Bildungsgegenstand erhoben. Sie müssen lernen, ihre Stimme zu gebrauchen – das menschliche Urinstrument sozusagen – , sich tänzerisch-rhythmisch zu bewegen, Spielphantasien zu entwickeln, mit Schlaginstrumenten und Klangerzeugern umzugehen, in der Gemeinschaft dann aus allem erste formale Spielanordnungen zu entwickeln.

Große Begeisterung

„ Primacanta“-Projektleiter Felix Koch hat einen ersten Praxistest mit einer vierten Klasse der Frankfurter Liebfrauenschule in einem Film festgehalten. Die Reaktionen der Schüler auf den Versuch sind mehr als positiv: Singen macht Spaß, sagen viele, auch sich zu bewegen, zu tanzen, zu musizieren. Felix Koch glaubt, dass in der nächsten „Primacanta“-Runde auch die anderen Frankfurter Grundschulen mit von der Partie sein werden. „Alle Kinder in Frankfurt sollen singen lernen und ihre Lieder nach Hause in ihre Familien tragen – damit werden wir langfristig auch die Musik- und Kulturszene in Frankfurt nachhaltig verändern“, das sagt Thomas Rietschel, Präsident der Frankfurter Musikhochschule, die die „Musikalische Bildung“ zum Entwicklungsschwerpunkt ihrer Arbeit erhoben hat. Das „Primacanta“-Projekt wird von der Hochschule mit ihrer Musiklehrerausbildung verbunden. Jeder Studierende, der die Hochschule verlässt, soll in der Lage sein, im Bereich „Stimme“ kompetent mit Kindern in der Grundschule zu arbeiten.

Das Konzept für „Primacanta“ wurde von Gero Schmidt-Oberländer von der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar zusammen mit vier weiteren Pädagogen anderer deutscher Hochschulen entworfen. Lehrende für das Fach Musik an Grundschulen sollen befähigt werden, nach den Prinzipien des „Aufbauenden Musikunterrichts“ insbesondere im vokalen Bereich zu arbeiten. So genannte „Coaches“ werden als ausgewiesene Spezialisten den Unterricht der neuen Lehrkräfte in der ersten/ zweiten Klasse mit betreuen. So wird ein reger Erfahrungsaustausch möglich. Die Mehrkosten, die durch neue Lehrkräfte sowie durch die Freistellung bereits festangestellter Lehrer für das „Primacanta“-Projekt in Höhe von knapp zweihunderttausend Euro entstehen, trägt die Crespo Foundation. Wofür diese alles Lob verdient.

Gerhard Rohde

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