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Engagiert und umtriebig
Der tanzSpeicher in Würzburg · Von Malve Gradinger
Eigentlich
wollte er Erzieher werden. Nach fünfjähriger
Ausbildung gönnt sich Thomas Kopp eine Auszeit in New York,
stolpert mehr aus Zufall in ein Tanzstudio – und kommt vom
Tanz nicht mehr los. Die geforderte Beweglichkeit und Kondition
ist für den durchtrainierten Geräteturner kein Problem.
In der Münchner Iwanson Schule holt er sich den letzten Schliff,
bevor er in seiner Heimatstadt Würzburg selbst ein Tanzstudio
eröffnet. 1998 gründet er eine Compagnie und ab 2005
leitet er den tanzSpeicher Würzburg, der als Theater ausschließlich
für zeitgenössischen Tanz einzigartig im süddeutschen
Raum ist. Der Beginn
All das aber nicht über Nacht: „Ich habe zehn Jahre
gebraucht, um mir meine Tänzer heranzuziehen, in meinem eigenen
Unterricht“, erzählt Kopp. „Es gab damals in Würzburg
ja keine einzige Ballettschule mit Modern Dance im Stundenplan.
Meine Stücke, 1997 sogar einen Abendfüller im Würzburger
Theater, habe ich selbst finanziert. Die Stadt ist aber relativ
schnell dazu gekommen.“ Ebenso der Bayerische Landesverband
für zeitgenössischen Tanz (BLZT), das bayerische Kunst-
und Wissenschaftsministerium und der Bezirk Unterfranken – verdientermaßen,
bei so vielen engagiert-umtriebigen Aktivitäten. Der Organisator
Bereits 1994 initiiert er die bayerischen Jugendtanztage, einen
biennalen Mammut-Workshop, der Jugendliche von 12 und 13 Jahren
an die verschiedensten zeitgenössischen Stile heranführt: „20
bis 25 Lehrer arbeiten in zehn Turnhallen vier Tage rund um die
Uhr mit den etwa 900 Jugendlichen, die aus ganz Bayern, aber auch
aus anderen Bundesländern, angereist kommen. Die Unterbringung,
die Mahlzeiten in der Hauswirtschafts-Berufsfachschule, die Proben,
die Abschlussvorstellung, alles muss durchorganisiert sein. Wir
haben jetzt auch das Copyright auf diese Veranstaltung“,
kann Kopp seinen ihm eigenen Enthusiasmus nicht verhehlen. Bei
dann annähernd 5.000 Zuschauern in der S. Oliver Arena, Stadträte
und Bürgermeister inklusive, darf er sich als Würzburgs
Royston Maldoom fühlen. Erfolg spornt an. Im Jahr 2000 initiiert
er die Würzburger Biennale „Tanzlandschaft“, zu
der zeitgenössische Größen wie der Wahlberliner
Xavier LeRoy und Jochen Roller eingeladen werden, aber auch Nachwuchstalente
wie Philip Bergman, Ex-Tänzer von Daniela Kurz‘ Tanztheater
Nürnberg. Die feste Bleibe
„Als alte Lagerhallen zum Kulturspeicher umgebaut wurden,
konnte ich mir im Gebäudekomplex einen geeigneten Theaterraum aussuchen – das
war wie ein Dornröschenerwachen“, blickt Kopp zurück,
ist aber gleich schon beim tanzSpeicher-Konzept: „Es gibt
mehrere Säulen. Einmal die dreijährige Tänzerausbildung.
Im vierten Jahr kommen Choreografie und Theatertechnik wie Licht
und Ton dazu. Aber auch für Profis und Amateure gibt es Unterrichtsangebote
in allen Stilen, vom Modern Dance bis zu Flamenco, Stepp und Akrobatik.
Dann das Veranstaltungsprogramm mit immerhin einer Auslastung von
97 Prozent. Die Basis bilden die Premieren der thomas kopp kompanie
und mein Repertoire. Dazu kommen Gastspiele von Compagnien verschiedenster
Stilrichtungen. Gabriele Weinzierl steht mir da als Kuratorin zur
Seite wie auch als stützende Gesprächspartnerin, wenn
ich ein neues Stück erarbeite. Als studierte Kunsthistorikerin
und Dramaturgin verfügt sie über ein großes Wissen,
das sie auch in regelmäßigen Einführungen bei uns
weitergibt. Und aus ihrer Zeit als Leiterin der Nürnberger
Tafelhalle hat sie viele Kontakte zu bekannten Choreografen, ob
nun Wim Vandekeybus oder Sasha Waltz. Ich kenne mich eher aus,
wenn es um die Nachwuchsgarde geht.“ Und er fühlt sich „daheim“,
wenn ihm die Chance geboten wird, „spontan, mit wenig Bürokratie
Ideen flott umzusetzen, so wie jetzt bei unseren Austausch-Projekten.
Magali Sander-Fett vom Bremer Tanztheater tritt bei uns auf, wir
im Gegenzug in Bremen.“ Der Choreograf
Man war beeindruckt von seinem Beitrag in einem Gemeinschaftsprojekt
mit Katja Wachter und Carlos Cortizo: Kopps Duette und Trios, Beschattungs-
und Überwachungsakte, spiegelten das gemeinsam gesetzte Thema „Alles
außer Kontrolle“. Das kurze Stück gewann den Zuschauer
mit seiner skulpturalen Bewegungsqualität und, seinem Titel „Bitte
Lächeln!“ entsprechend, mit marionettenhaften Witz.
Etwas enttäuscht war man daher von seinen im März zur
Münchner Tanzplattform „Made in Bavaria“ mitgebrachten „Tischgesprächen“.
Kopp startet zwar von einer klaren Grundidee: „Mindestens
80 Zentimeter als Wohlfühl-Gesprächsdistanz“. Aber
die Tanzsequenzen auf und um einen großen runden Tisch vermögen
in ihrer turnerischen Ähnlichkeit keinerlei Spannung aufzubauen
und sind von geringem Aussagwert. Kopp – wie übrigens
viele Choreografen – hat den zeitgenössischen Tanz als
abendfüllendes Medium überstrapaziert. Der freie Tanz,
wenn er gut ist, ist eine Ausdrucksform von assoziativer Kraft,
kommt der Dichtkunst am nächsten. Und Gedichte dauern keine
Stunde. Möglich, dass der tanzSpeicher-Chef mit seinen zahlreichen
Funktionen und Pflichten nicht genug Zeit hatte, dies zu bedenken.
Mit noch vielen Choreografien vor sich und den daraus sich ergebenden
Lernprozessen wird er zu der richtigen Erkenntnis gelangen. Was
er bisher pädagogisch und gesellschaftlich im Bereich zeitgenössischer
Tanz aufgebaut hat, ist unbedingt schätzenswert. Malve Gradinger
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