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Ich brauche keinen Applaus mehr
Ein Porträt der Junge Musiker Stiftung in Bayreuth · Von
Barbara Haack
Schon lange ist er an zwei Orten zu Hause: der Tenor Manfred
Jung stammt aus Oberhausen im Ruhrgebiet. Seine zweite Heimat aber
ist
Bayreuth. Hier ist nun auch die „Junge Musiker Stiftung“ angesiedelt,
deren künstlerischer Leiter Manfred Jung seit der Gründung
im Jahr 2006 ist.
Zu Beginn seiner Bayreuth-Karriere im Jahr 1963 war noch nicht
daran zu denken, dass er einst als einer der bedeutendsten Wagner-Tenöre
auf dieser Bühne stehen würde. Der gelernte Starkstrom-Elektrotechniker
kam vielmehr als Beleuchter, um die schon damals über alles
geliebte Theateratmosphäre schnuppern zu können. Nach
seiner Gesangsausbildung sang er dann – noch unter Wilhelm
Pitz und später unter Norbert Balatsch – im Festspielchor.
Noch später wurde er zum gefeierten Parsifal, Siegfried, Tristan – kurz:
zu einem der wenigen Sänger, die in Bayreuth fast alle Tenor-Partien
gesungen haben. Die einzigartige Gesangs-Karriere aber genügte
dem vielseitigen Musiker nicht. Er machte sich auch als Orchester-
und Chorleiter verdient. Darüber hinaus unterrichtete er eigene
Schüler ebenso wie junge Sänger in zahlreichen Meisterkursen.
Die Stiftung, die er nun in Bayreuth aufbaut, ist auf die facettenreiche
Musikerlaufbahn Manfred Jungs wahrhaftig zugeschnitten. Stiftungsziel
ist die Förderung junger Musikstudenten. Diese, ob sie sich
nun zum Gesangs-Wettbewerb „Cantilena“ anmelden, zu
den Meisterkursen oder zum „Jungen Tonkünstlerorchester“,
sollen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Liechtenstein
stammen oder an einer in diesen Ländern angesiedelten Musikhochschule
studieren. Was Jung mit dieser Regelung vermeiden möchte,
ist ein „Wettbewerbstourismus“, wie er es nennt. Hintergrund
Die Ideengeber und Finanziers sitzen in der Schweiz. Eine Musik
liebende Familie, die im Hintergrund bleiben möchte, kam auf
den in Arosa unterrichtenden Sänger zu und bot ihm die künstlerische
Leitung einer neu zu gründenden Stiftung an. Im Einzelnen
ist Manfred Jung sehr frei in der inhaltlichen Gestaltung. Das
Stiftungskapital erlaubt eine recht großzügige Ausstattung
der einzelnen Projekte. Die Teilnehmer an den Orchester-Workshops
zum Beispiel müssen außer ihren Reisekosten weder Kursgebühren
zahlen noch für Unterkunft oder Verpflegung aufkommen. Ursprünglich
war von einer „Künstlerstiftung“ die Rede. Dazu
aber wollte Jung nicht „Ja“ sagen, seine Kompetenz
liegt eindeutig in der Musik. Daher nun also die Einschränkung
auf junge förderungswürdige Musiker. Etwa alle zwei Monate
fährt er in die Schweiz, um Einzelheiten der Werbung, der
Projekte abzusprechen. Hauptsitz aber ist in Bayreuth, und dort
hat Jung nun eine zweite Bleibe gefunden, um sich voll und ganz
den Stiftungsaktivitäten widmen zu können.
Die Projekte Auf der Stiftungs-Webseite
stößt man zunächst auf
den Gesangswettbewerb. Die Jury ist mit unter anderem Gerd Albrecht,
Kurt Moll, Brigitte Fassbaender, Eberhard Friedrich und dem Stiftungsleiter
selbst hochkarätig besetzt. „Da müsste es den jungen
Sängern, die sich bewerben, eigentlich kalt über den
Rücken laufen“, meint Jung. Ebenso respektabel sind
die ausgeschriebenen Preisgelder: 7.000, 5.000 und 3.000 Euro können
die Sieger mit nach Hause nehmen – und das in den beiden
Kategorien Oper/Operette und Konzert. Darüber hinaus gibt
es einen mit 3.000 Euro dotierten Sonderpreis für die beste
Operettendarbietung. Hier haben auch jüngere Stimmen, die
den gesamten Wettbewerbsanforderungen noch nicht gerecht werden,
eine Chance. Ursprung dieses Preises ist, so Jung, die Tatsache,
dass „es in diesem Bereich überhaupt keinen Nachwuchs
gibt“. Trotz der Nähe zum Grünen Hügel will
der Wettbewerb im Übrigen keine Wagner-Stimmen prämieren. „Natürlich
kann man mit 30 Jahren keine Isolde singen“, sagt Jung. Und: „Eine
Anja Silja gab es nur einmal“.
Neben dem Wettbewerb werden in Bayreuth auch Meisterkurse stattfinden. „Diese
Kurse sollen jungen bemerkenswerten Talenten neben ihrem Studium
die Möglichkeiten bieten, mit erfahrenen Professoren oder
berühmten Sängern ihr Können und Wissen zu erweitern“,
heißt es in der Ausschreibung. Den Anfang macht im Sommer
2007 kein Geringerer als Kurt Moll, wobei die Werkauswahl jedem – angenommenen – Teilnehmer
selbst überlassen ist.
An unterschiedlichen Orten schließlich hat Manfred Jung die
Orchester-Workshops platziert. Wohl um auch seine „erste
Heimat“ in die Stiftungs-Aktivitäten einzubeziehen,
hat er für den Start die Stadt Essen gewählt. Hier, an
der Folkwangschule, hat er übrigens auch sein Gesangsstudium
absolviert. Die zweite Orchesterphase aber wird wiederum in Bayreuth
stattfinden. Hier werden die jungen Musiker zum Abschluss im Markgräflichen
Opernhaus konzertieren – mit einem selten gehörten,
wenn auch zum Ort passenden Programm: Sinfonische Musik von Richard
Wagner wird hier erklingen. Neben Siegfried-Idyll und Wesendonck-Liedern
gibt es die C-Dur-Sinfonie des jungen Wagner, die kaum in Konzertsälen
oder auf Tonträgern zu hören ist. Weitere Orchesterprojekte
sind in Planung. Das Motiv
Als Konkurrenz zum jährlich in Bayreuth stattfindenden „Festival
Junger Künstler“ will Jung seine Veranstaltung auf keinen
Fall sehen. Zeitlich überschneiden sich die Projekte nicht.
Gefragt nach dem Alleinstellungsmerkmal der Stiftungsaktivitäten
nennt er vor allem anderen die gute Ausstattung, die es erlaubt,
jungen Musikern ohne Kursgebühren ein erstklassiges Angebot
in verschiedenen Bereichen anzubieten. Stipendien erteilt die Stiftung
im Übrigen auch; wer damit ausgestattet wird, darf auch an
stiftungsfremden Ausbildungsmaßnahmen teilnehmen. „Ich
will keine Konkurrenz, sondern ein Nebeneinander. Wichtig ist,
dass wir die gleichen Ideale haben, die Idealvorstellung von der
Förderung junger Leute“, sagt Manfred Jung. Er selbst
wolle sich mit der Stiftung nicht mehr profilieren: „Ich
brauche keinen Applaus mehr.“ Seine persönliche Motivation:
Gutes für junge Musiker zu bewirken, „die großen
Dinge, die ich erleben durfte, den jungen Leuten ein bisschen zurückzugeben“. Barbara Haack
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