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Als frühe Nachmittagsvorstellung lässt die New Yorker
Metropolitan Opera ihre Premiere von Rossinis „Der Barbier
von Sevilla“ laufen, damit sie in München live zu halbwegs
theaterüblicher Zeit im Kino gezeigt werden kann. Um 18.30
Uhr beginnt die Übertragung, digital über Satellit. Zwanzig
Euro kostet der Balkonplatz, achtzehn der im Parkett. Ein roter
Teppich wird ausgerollt, in der Pause gibt’s sogar Sekt.
Das Event ist Teil der Marketing-Strategie des
neuen Met-Chefs Peter Gelb, der schon seine Zauberflöten-Premiere in rund
hundert US-amerikanischen Kinos alias Lichtspieltheatern zeigte,
die Butterfly auf den Jumbotron am Times Square projizierte. Der
Barbier läuft weltweit in rund 150 Kinos. Brian Large, in
Deutschland bekannt seit seiner Bildregie des Chereau’schen
Bayreuther Jahrhundert-Rings, steuert die zehn Kameras, Theatermann
Bartlett Sher inszeniert, Juan Diego Flórez singt den Almaviva,
Joyce DiNato die Rosina, Peter Mattei die Titelpartie. Den Takt
schlägt Maurizio Bellini. Das alles und noch viel mehr kann
die Met sich leisten: Schätzungen zufolge wird sie ihre „Reichweite“ von
3.400 Besuchern im eigenen Haus auf rund 110.000 Besucher in den
Kinos in den USA, in Kanada, Norwegen, Japan und Deutschland erhöhen.
Für den exquisiten Spaß in High Definition Dolby Digital
5.1 rechnet sie mit zusätzlichen Einnahmen von rund einer
Million Euro.
Die Frage, welche Auswirkungen es haben mag, wenn ein bedeutendes
Opernhaus wie die Met sich populärer Vermarktungsmethoden
bedient und sich gleich einem Spektakel aus Las Vegas das Massenpublikum
als Zielgruppe wählt – Placido Domingo tritt im Fernsehen
in Werbespots für die Oper auf – diese Frage lässt
sich nur spekulativ beantworten. Für das US-amerikanische
Publikum außerhalb der Metropolen sollte die „Oper
live im Kino“, zum Pop gepeppt, ein Bildungserlebnis darstellen,
dessen es erst dann müde wird, wenn ästhetische oder
intellektuelle Überforderung eintritt. Doch dieser Gefahr
hat sich die Met ohnehin nur selten ausgesetzt: Hoher musikalischer
Standard bei biederer (auch szenischer) Interpretation war und
ist dort die Basis des Konsenses mit den lilahaarigen Sponsorinnen.
Für ein operngewohntes mitteleuropäisches Publikum können
diese Events im Kino zwar willkommene Information bedeuten, aber
nicht das Opernerlebnis ersetzen. Zumindest so lange nicht, als
dieses Übertragungssystem nicht als Global Player auftritt
und auch hierzulande neue Maßstäbe setzt. Die Gefahr
lauert im Internet, wenn populistisch angerichtetes Opernspektakel,
im P2P-Verfahren illegal oder auch legal herunterladbar, für
den Beamer oder den Groß-Flachbildschirm zur Verfügung
stehen wird. Dann Gute Nacht, kleines Opernhaus. Ihr Stefan Meuschel
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