Zur Startseite


 

 
Zur Startseite von Oper & Tanz
Aktuelles Heft
Archiv & Suche
Stellenmarkt
Oper & Tanz abonnieren
Ihr Kontakt zu Oper und Tanz
Kontakt aufnehmen
Impressum
Datenschutzerklärung

Website der VdO


 

Aktuelle Ausgabe

Editorial

Kulturpolitik
Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Tristan und Isolde sind jung
Zehn Jahre Junge Oper Stuttgart
Così fan tutte goes HipHop
Premiere und Symposium an der Komischen Oper Berlin
Sie müssen kürzer denken!
Ein Symposium zur Zukunft der Musiktheaterkritik
Die Entmündigung der Hörer
Kestings „Große Stimmen“ vom NDR abgesetzt
Was ist eigentlich …?
Der Deutsche Musikrat

Portrait
Ich bin’s, der Mensch
Younghi Pagh-Paan spricht über ihre erste Oper
Glänzende Tänzer in München
Malve Gradinger im Gespräch mit dem Choreografen Davide Bombana
Geschickte Pädagogin
Die Choreografin Lynn Seymour
Höhen und Tiefen: Die Kroll-Oper
Die Geschichte der Berliner Opernhäuser (Teil 7)

Berichte
Bewegender Seelenstriptease
„Vanessa“ in Altenburg
Der Holocaust im Comicformat
„Die Bestmannoper“ in Osnabrück uraufgeführt
Grenzauflösung im Musentempel
Die Münchner Ballettwoche
Zwischen Wahn und Realität
Christian Spucks Ballett „Der Sandmann“ in Stuttgart

Oper & Tanz aktuell
38 Jahre alt - …und jetzt?
Überlegungen zum kurzen Tänzerleben

VdO-Nachrichten
Nachrichten
Tarif-Puzzle · Bundes- delegiertenversammlung 2006 · GVL-Nachweis 2005: Abgabetermin

Service
Schlagzeilen
Namen und Fakten
Oper und Tanz im TV
Stellenmarkt
Spielpläne 2005/2006
Festspielvorschau

 

Portrait

Geschickte Pädagogin

Die Choreografin Lynn Seymour · Von Malve Gradinger

Lynn Seymour hatte keinen leichten Stand, als sie 1978 von Generalintendant August Everding als Ballettdirektorin an die Bayerische Staatsoper geholt wurde – obwohl sie die besten Voraussetzungen mitbrachte. Die 39-jährige Kanadierin, langjähriger Star des Londoner Royal Ballet, gehörte – wie ihre einstige Mitstudentin an der Royal Ballet School Marcia Haydée – zu den raren außergewöhnlichen dramatischen Ballerinen des 20. Jahrhunderts. Mit ihrer künstlerischen Ausstrahlung, eigenen choreografischen Ambitionen und Kontakten zu den wichtigsten Künstlern der Zeit hätte sie das damals dornröschenschläfrige Staatsopernballett auf internationale Attraktivität hochpolieren können. Und Seymour brachte tatsächlich internationale Gaststars, unter anderem Rudolf Nurejew und Natalia Makarowa. Sie überließ, talentespüriger als viele andere Ballettchefs, dem jungen William Forsythe die Uraufführung „Joyleen gets up, gets down“ und brachte 15 neue Ballette ins Repertoire.

Schmerzhafte Erinnerung

Für sie jedoch waren die zwei Jahre Direktion des noch in Opern-Abhängigkeit geknebelten Ensembles wohl eher ein schmerzhaftes Lebenskapitel, nachzulesen in ihrer hoch spannenden Autobiographie „Lynn“ (Granada Verlag, London, 1984). Aber auch sie selbst hatte sich offensichtlich zu viel zugemutet: Noch unter Rollenvertrag beim Royal Ballet pendelte sie zwischen London und München – wo sie in Personalunion Starballerina, Choreografin und Direktorin zu sein hatte. Und dazwischen war sie auch noch Mutter von drei Kindern. Geschulte Kräfte, wie sie heute Staatsballettchef Ivan Liska abstützen, von der persönlichen Ballettassistentin bis zur Sekretärin und zwei für Dramaturgie, Presse und Produktion verantwortliche Stellvertreter – in den 70er-Jahren noch Fehlanzeige. Besonders enttäuschend für Seymour, dass ihre Choreografien von 1978/79 („Intime Briefe“, „Tatoo“, „Boreas“, „Rashomon“) von der Münchner Presse nicht sehr gut aufgenommen wurden.

Rückkehr nach München

Nur die positiven Momente in Erinnerung bewahrend, ist sie für die Einstudierung von Frederick Ashtons „Five Brahms Waltzes in the Manner of Isadora Duncan“ im Rahmen der diesjährigen Ballettwoche zurückgekehrt.

 
Seymour bei der Probenarbeit. Foto: Wilfried Hösl
 

Seymour bei der Probenarbeit. Foto: Wilfried Hösl

 

Aufregend, die Seymour bei der Probe zu erleben: wie sie die Staatsballettsolistin Sherelle Charge behutsam aus ihrer Überbemühung herauslockert; wie sie vormacht, die Arme fließen lässt, scheinbar völlig kunstlos aus dem Gefühl heraus – die US-Tanzpionierin Duncan, wiedergeboren hier im Probensaal, auf der Suche nach ihrem neuen freien Tanz. Könnte Seymour in der Gala nicht wenigstens einen der fünf Walzer selbst tanzen? „Nein“, wehrt sie ab, „Das ist vorbei. Ich hab das alles gehabt.“ Natürlich, alles, von Petipa bis zu den Neoklassikern George Balanchine und Jerôme Robbins, von dem modernen Felix Blaska und dem feinsinnigen Antony Tudor bis zu dem in England Mitte der 50er-Jahre aufsteigenden Kenneth MacMillan. Und sie hat sehr lange getanzt. „Ja, kleinere Sachen, wie 1997 die böse Stiefmutter in der ‚Cinderella‘-Version von Matthew Bourne und“, ein bisschen verschämt hinzufügend „mit 49 noch die Tatjana in Crankos ‚Onegin‘. Im letzten Akt war ich auch ganz gut. Aber im Schlafzimmerakt, im Negligee, da fand ich mich doch sehr deplaziert“, lacht sie herzhaft.

Dennoch lässt sie diese „späte“ Rollenerfahrung als Herausforderung gelten. Denn dramatische Ballette wie „Onegin“, wie „Anastasia“ und „Mayerling“ von MacMillan haben Lynn Seymour, die Gestalterin, immer am meisten interessiert. In MacMillan fand sie auch den idealen künstlerischen Partner. Gleich zu Beginn seiner Karriere wird sie seine Muse, geht mit ihm nach Berlin, als er 1966 die Ballettleitung der Deutschen Oper für drei Jahre übernimmt. „Ich hatte ein intuitives Gefühl für das, was Kenneth wollte“, sagt sie. „Das war aber bei den meisten Choreografen so, auch bei Ashton. Er kam immer mit vielen Ideen, die wir Tänzer frei ausforschen konnten. Beide, Ashton und MacMillan, diktierten nichts, sie bezogen uns in den kreativen Prozess ein. Und genau das war für mich die Essenz, mein Lebenselixier überhaupt... nicht die Performance auf der Bühne, sondern der Weg dorthin, die Probleme, die es dabei zu lösen gilt.“

Und der Unterschied zwischen den beiden Meistern? Seymour: „MacMillan spürte dem Nerv seiner Zeit nach, traf sich mit den Ideen der Nouvelle Vague, mit dem Theater eines John Osborne, eines Tom Stoppard, eines Arnold Wesker mit seinem Spülstein-Naturalismus. Er war überzeugt, dass das Ballett ein großartiges Medium war, um psychologisch zu arbeiten, ein Medium auch, um die Wirklichkeit widerzuspiegeln. Ashton, ja auch 25 Jahre älter, liebte die Romantik. Er war ein Traditionalist – und er hatte ein großes Gefühl für Frauen. Aber er liebte die romantisch idealisierte Vorstellung von der Frau, so dass seine Figuren ein bisschen irreal, ein bisschen aus der Zeit gefallen waren.“

Vollkommenes Vertrauen

Wie seine Duncan, eine Tänzerin, die zwischen Emanzipation und Naturmystik in schwelgerischen freien Bewegungen das Leben an sich befragt und feiert. Nicht so leicht, das in den Körper einer Staatsballett-Tänzerin zu bekommen, die es außerhalb der Ballettklassik eher mit den extremen Zeitgenossen Mats Ek, William Forsythe und Saburo Teshigawara zu tun hat. Aber Seymour, die sogar an der Pariser Oper für den damaligen Ballettchef, den in Sachen Interpretation ultrakritischen Rudolf Nurejew, coachen durfte, ist eine psychologisch äußerst geschickte Pädagogin: „Ich gebe so viele verschiedene Informationen wie möglich, durch konkretes Zeigen, aber auch durch Bilder und Metaphern, so dass die Tänzer ihren eigenen Zugang zur Rolle finden können. Und ich versuche, eine Atmosphäre des vollkommenen Vertrauens zu schaffen. Dann kann ich auch mal sagen: Das überzeugt mich nicht.“

 

startseite aktuelle ausgabe archiv/suche abo-service kontakt zurück top

© by Oper & Tanz 2000 ff. webgestaltung: ConBrio Verlagsgesellschaft & Martin Hufner