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Kulturpolitik

Was ist eigentlich?
Der Deutsche Musikrat

Ein Verbandsporträt · Von Barbara Haack

Wer sich erstmals mit der Verbandslandschaft im Deutschen Musikleben beschäftigt, muss unweigerlich in heillose Verwirrung stürzen. Nicht nur die Vielzahl der Verbände, auch deren Bezeichnungen und ihre Abkürzungen bringen nicht gerade Klarheit in ein Gebiet, in dem es – berechtigterweise – für (fast) alle Belange, Berufe und Musikarten einen oder mehrere Vereine, Verbände oder sonstige Institutionen gibt. Die JMD (Jeunesses Musicales Deutschland) stellten wir in der letzten Ausgabe von „Oper & Tanz“ vor; aber wer kennt sich aus im Dschungel von VdM (Musikschulverband), VDS (Schulmusikerverband), AfS (Arbeitskreis für Schulmusik), DTKV (Deutscher Tonkünstlerverband) oder DOV (Deutsche Orchestervereinigung), um nur einige der größten zu nennen?

Dachverband für diese Verbände ist ein weiterer Verband: Der Deutsche Musikrat, zu dessen Mitgliedern neben 91 weiteren auch die VdO zählt. Seine Aufgabe ist es, die Vielzahl seiner Organisationen, vor allem aber die Vielzahl ihrer Anliegen und Interessen zu sammeln, zu bündeln und schließlich auch zu vertreten. Wo einige wenige in ihrer Lautstärke nicht das politische Geflecht von Ansprechpartnern und möglicherweise entgegengesetzten Ansprüchen und Forderungen durchdringen, kann ein starker Kopf, der hinter sich immerhin zirka 8 Millionen aktive und weitere Millionen konsumierende Musikfreunde weiß, mehr ausrichten. So jedenfalls die Idee, die hinter der Gründung des Deutschen Musikrates im Jahr 1953 stand und noch heute steht.

Seinen 50. Geburtstag allerdings beging der Musikrat eher bescheiden. Hatte er doch gerade erst einen Crash überwunden, den so recht niemand für möglich gehalten hätte. Im Jahr 2003 musste der Verband Insolvenz anmelden. Kaum zu glauben bei einer Institution, die aufgrund einer komplexen Geldgebersituation (vor allem lebt er auch von öffentlichen Geldern verschiedener Ministerien und Stiftungen) eigentlich „viel geprüft“ war. Was schief lief, wo möglicherweise die „Schuldigen“ saßen oder die Unaufmerksamen, konnte nicht bis ins Letzte transparent gemacht werden. Immerhin schien die Einrichtung, deren Aufgabe es durchaus auch ist, Kritik an politischen Entscheidungen zu üben, den politischen Geldgebern doch so wichtig, dass sie trotz finanzieller Verluste den Verband wieder aufleben ließen. Ein bisschen glich der neue Musikrat, der sich daraufhin etablierte, dem viel beschworenen Phoenix aus der Asche. Neu strukturiert präsentierte und präsentiert er sich lebendiger und einflussreicher als je zuvor.

Geteilte Struktur

Das mag auch an der neuen Struktur liegen, die sich – trotz vieler berechtigter Kritiken – inzwischen etabliert hat. Denn das gesamte Aufgabenfeld des Musikrats, das mit dem Titel „Projekte des Deutschen Musikrats“ überschrieben ist, wurde in eine gemeinnützige GmbH ausgelagert, deren Sitz noch heute in Bonn ist. Der „Verein Deutscher Musikrat“, Dach für die erwähnten Mitgliedsverbände und zuständig für die Interessenvertretung nicht nur der Verbände, sondern auch der musizierenden und musikinteressierten Menschen in Deutschland, wurde nach Berlin transferiert. Wo er auch hingehört, um dort zu sein, wo die Politik spielt. Allzu viel politisches Zu-Wort-Melden war jedoch wohl nicht erwünscht; jedenfalls ist der Verein im Vergleich zur Projekt GmbH mit einer verschwindend geringen Summe aus öffentlichen Mitteln ausgestattet. Generalsekretär Christian Höppner allerdings ist es auch mit einem kleinen aber feinen Berliner Team gelungen, auf den Musikrat als Organisation und auf die Interessen seiner Mitglieder aufmerksam zu machen und sie inhaltlich wie politisch in die Öffentlichkeit zu rücken. Was zunächst nur durch „bad news“ (die Insolvenz) gelang, nämlich breite Erwähnung in den Medien zu erlangen, passiert inzwischen durch die kontinuierliche Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Deutscher Musikrat. Darüber hinaus, so Christian Höppner, sieht sich „der Deutsche Musikrat als gesellschaftlich wirksame Kraft, die die Rahmenbedingungen für das Musizieren in Deutschland verbessern möchte.“

Neu-Orientierung

Zurück zur GmbH: Hier sind die traditionellen Projekte zu Hause, die sich teilweise schon Jahrzehnte bewährt haben. Der Wettbewerb „Jugend musiziert“ gehört dazu, ebenso das Bundesjugendorchester, der Deutsche Musikwettbewerb und Förderprojekte im Bereich der Neuen Musik. In den vergangenen Jahren haben sich aber auch ganz neue Projekte ihren Weg gebahnt, die der sich verändernden musikalischen Rezeption Rechnung tragen. Jazz-, Rock- und Popmusik haben Einzug gefunden in den Musikkanon unserer Zeit. Nachdem die früher in der Schmuddelecke angesiedelten Musikrichtungen viele der heutigen Akteure bereits sozialisiert haben, werden sie zunehmend als „förderungswürdig“ akzeptiert. Die Erkenntnis, dass es ebenso wie im E-Bereich ein breites Spektrum von „schlechter“ bis „guter“ Musik gibt, greift um sich. So wurde ein Schülerband-Wettbewerb, „School Jam“ ausgeschrieben, und neuerdings soll das „Pop Camp“ den Pop-Nachwuchs auf höchstem Niveau fördern. Fast schon revolutionär mag es anmuten, wenn nun auch „Jugend musiziert“, Hort der Klassik und zeitgenössischen E-Musik, verstärkte Anläufe zur Integration der Pop-Musik macht.

Auch für die Projekte des Musikrats gilt, dass sie – abgesehen vielleicht vom Vorzeigeprojekt „Jugend musiziert“ – in der Öffentlichkeit zu wenig präsent sind. Erst wenn das Bundesjugendorchester – wie vor einigen Jahren geschehen – auf einer Konzertreise erhebliche Schwierigkeiten mit dem Veranstalter bekommt und Beschwerden über Drogen- und sonstige Orgien über sich ergehen lassen muss, ist es auch der BILD-Zeitung und dem Spiegel eine Schlagzeile wert. Dass hier seit vielen Jahren eine kaum zu messende pädagogisch-musikalische Arbeit geleistet wird, die vielen Tausenden jugendlicher Musiker die weitere musikalische Laufbahn, sei sie im Profi- oder im Hobbybereich angesiedelt, erleichterte oder erst ermöglichte, davon wissen oft nur Fachmedien zu berichten.

Ein Wermutstropfen in der neuen Struktur des Musikrats ist sicher die Tatsache, dass der politisch agierende Verein auf die für eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit prädestinierten Projekte der GmbH zu wenig Zugriff hat. Denn womit ließe sich besser Politik machen als mit einem begeisternden Bundesjugendorchester oder mit unzähligen außergewöhnlichen Leistungen bei „Jugend musiziert“? Mit der fast unbegrenzten Leistungsbereitschaft junger Musiker? Eine noch bessere Koordination zwischen den Einrichtungen wäre da wünschenswert.

Leichter wird es der Musikrat in den kommenden Jahren wohl kaum haben – angesichts verknappter öffentlicher Mittel, die auch den Kulturbereich an keiner Stelle ungeschoren lassen. Umso notwendiger ist und bleibt der Dachverband mit aller vereinten Kraft, die ihm dank seiner Mitglieder und dank der Überzeugungskraft der Musik selbst zur Verfügung steht. Darauf sollten (Kultur-)Politiker auch in Zukunft hören.

Barbara Haack

Website Deutscher Musikrat

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