Brennpunkte
Zur Situation deutscher Theater und Orchester
Berlin, Opernstiftung
Hatte die Stiftung Oper in Berlin noch im März bekannt gegeben,
sie werde das Wirtschaftsjahr 2005 mit einem Überschuss von
2,7 Millionen Euro abschließen, so sah sich Generaldirektor
Michael Schindhelm einen Monat später genötigt einzuräumen,
dass die im Opernstrukturkonzept vorgesehenen Absenkungen der Zuwendungen
spätestens ab 2008 nicht mehr ohne Substanzverluste zu verkraften
seien. 2008 und 2009 müsste die Stiftung mit insgesamt 9,2
Millionen Euro weniger auskommen, um das vereinbarte Sparziel, die
jährlichen Betriebszuschüsse von 122 auf 99 Millionen
Euro abzusenken, zu erreichen.
Überraschend an dieser Erkenntnis ist nur, dass sie so spät
kommt. Nahezu alle personellen und organisatorischen Maßnahmen,
die konzeptionell für die am 1. Januar 2004 errichtete Stiftung
vorgesehen sind, wurden - wenn überhaupt - mit Verzögerungen
begonnen. Die Satzung zum Beispiel trat erst im März 2005 in
Kraft, der Generaldirektor übernahm sein Amt faktisch erst
im Mai 2005 und der Geschäftsführer des Bühnenservice-Betriebes
begann seine Tätigkeit sogar erst Anfang 2006. Dabei sollten
die von diesem - neben Staatsballett und den drei Opern - „fünften“
Betriebsteil erwarteten synergetischen Effekte den Löwenanteil
der Kostenverringerung bringen.
Kultursenator Flierl (PDS) hat mit Billigung des Stiftungsrates
Schindhelm beauftragt, den auch seiner Meinung nach ab 2008 gegebenen
„Korrektur- und Nachsteuerungsbedarf“ am Opernstrukturkonzept
zu formulieren. Dabei seien vor allem die Leitungsstrukturen und
die künstlerische Kooperation der Betriebe neu zu bedenken.
Im September finden in Berlin Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt;
Schindhelms Vorschläge zur Reform der Reform sollen vorher
fertig sein.
Dresden, Staatsoper
Die so genannte Umweg-Rentabilität belaufe sich in der Landeshauptstadt
Sachsens auf 1:8, rechnet das „Dresdner Forum für Wirtschaft
und Kultur“ vor. Pro eingesetztem Euro Kulturförderung
kämen bis zu acht Euro durch direkte oder indirekte Einnahmen
über Tourismus, Einzelhandel, Abgaben etc. wieder zurück.
Die wirtschaftliche Wertschöpfung durch kulturelle Angebote
kann zwar nur eines von vielen die Kulturförderung stützenden
Argumenten sein, es birgt auch die Gefahr der Leuchtturm-Politik,
darf für Dresden jedoch genutzt werden: wiedererstehendes Elb-Florenz,
Frauenkirche, Kunstsammlungen, Semperoper... Um so erstaunlicher
ist es, dass die Rechtsträgerin der Sächsischen Staatsoper,
die Regierung des Freistaates, sich so lange weigerte, die Strukturdefizite
in der Finanzierung des Hauses zur Kenntnis zu nehmen.
Die Staatsoper schiebt seit Mitte der neunziger Jahre ein ständig
wachsendes Defizit vor sich her, das zum einen aus der Deckelung
der jährlichen Betriebszuschüsse bei rund 35 Millionen
Euro herrührt, zum anderen aus Einnahmeverlusten, die das Hochwasser
vom August 2002 verursacht hatte. Das Defizit aus eigenen Kräften
auszugleichen, ist der Sächsischen Staatsoper, die nach der
Bayerischen die höchsten Eigeneinnahmen ausweist, nicht möglich:
Allein die Fixkosten des Jahres 2005 lagen um rund sieben Millionen
Euro höher als der Betriebszuschuss.
Ein im Mai 2006 von der Regierung beschlossenes Konsolidierungskonzept
sieht einerseits zusätzliche Mittel zur Abdeckung der aufgelaufenen
Fehlbeträge vor (3,1 Millionen für 2005, weitere 6,8 Millionen
für 2006) sowie eine Anhebung der Eintrittspreise ab der Spielzeit
2006/2007, die Mehreinnahmen von rund einer Million Euro bringen
sollen, verordnet der Staatsoper anderer-seits eine strenge Sparpolitik.
Soweit der Redaktion bisher bekannt ist, soll das Ensemble mit dem
Ziel aufgestockt werden, von den hohen Gästehonoraren herunterzukommen,
soll in den Bereichen Technik, Werkstätten und Besucherdienst
der Personalbedarf überprüft werden; Arbeitsplatzabbau
und Teilprivatisierungen seien nicht ausgeschlossen. Ab 2007 sollen
auch Haustarifverträge abgeschlossen werden…
Ziel sei es, erklärte die Kunstministerin Barbara Ludwig
(SPD) am 16. Mai, den Haushalt der Staatsoper zu ordnen, so dass
er ab 2010 wieder ohne zusätzliche Zuwendungen auskäme.
Über die Höhe der dann vorgesehenen Regel-Betriebszuschüsse
machte sie allerdings keine Angaben, meinte nur, es sei „der
jetzt vorliegende Konsolidierungsplan der richtige Weg, um die Semperoper
aus ihrer dramatisch schlechten wirtschaftlichen Situation zu führen“.
Immerhin: Sachsen ist mit 164 Euro pro Einwohner Spitzenreiter
bei den Ausgaben für Kunst und Kultur. Damit gibt er mehr als
doppelt so viel aus wie durchschnittlich die anderen deutschen Flächenstaaten.
|