Versicherungsschutz bei Wegeunfällen
1. Grundsätzliches über den Versicherungsschutz
bei Wegeunfällen
Erleidet der Arbeitnehmer auf dem Weg von oder zur Arbeit einen
Unfall, so stellt dies grundsätzlich einen so genannten Wegeunfall
dar, für den als Arbeitsunfall Versicherungsschutz über
den Unfallversicherungsträger des Arbeitgebers – in der
Regel die Verwaltungsberufsgenossenschaft – besteht.
Der Versicherungsschutz besteht für das Zurücklegen des
mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren
Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.
Vom Versicherungsschutz umfasst ist der Versicherte auch, wenn
er wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung von
dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine
Unterkunft hat. Der Versicherungsschutz schließt sowohl den
Weg von und nach der Zweitwohnung wie auch den Weg von und nach
der Familienwohnung mit ein. Auch wenn der Weg zum Arbeitsort von
einem dritten Ort angetreten wird, besteht Versicherungsschutz.
Ein nicht von der Wohnung aus angetretener Weg muss allerdings unter
Berücksichtigung aller Umstände in einem angemessenen
Verhältnis zu dem üblichen Weg des Versicherten stehen.
Der Weg von und zum dritten Ort steht dann nicht unter Versicherungsschutz,
wenn er nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
steht. Entscheidend ist immer, dass der Weg wesentlich von dem Vorhaben
bestimmt ist, die versicherte Tätigkeit am Ort der Tätigkeit
aufzunehmen.
Unerheblich ist, auf welche Ursachen der Unfall zurückzuführen
ist. Der Versicherungsschutz besteht nicht nur gegen Verkehrsgefahren,
sondern auch gegenüber allgemeinen Gefahren (Ausrutschen auf
glattem Fußboden, herabfallende Dachziegel, jedoch nicht Naturkatastrophen).
Unerheblich ist auch die Art und Weise, wie der Weg zurückgelegt
wird, wie auch die Wahl der Verkehrsmittel.
Der Versicherte ist grundsätzlich in der Wahl des Weges frei,
es muss auch nicht der kürzeste sein. Der Versicherungsschutz
endet jedoch, wenn andere Gründe als die Zurücklegung
des Arbeitsweges für die Auswahl der Wegstrecke maßgeblich
sind (so z.B. bei so genannten Um- oder Abwegen, s.u.).
Auch Mehrfachwege sind vom Versicherungsschutz umfasst, beispielsweise
wenn der Versicherte zwischenzeitlich zu Erholungszwecken oder zur
Nahrungsaufnahme nach Hause geht.
2. Versicherungsschädliche Unterbrechungen: Umwege/Abwege
etc.
Wie bereits erwähnt, ist der Versicherte in der Wahl des
Weges grundsätzlich frei, der Versicherungsschutz kann aber
im Falle von so genannten Umwegen, Abwegen, Unterbrechungen und
der Lösung vom Betrieb unterbrochen werden oder sogar gänzlich
enden.
Eine Unterbrechung tritt ein, wenn der Weg nicht mehr in der Zielrichtung
des Arbeitsweges fortgesetzt, sondern ein anderer Weg eingeschoben
oder wenn der Weg zeitlich unterbrochen wird. Entscheidend für
den Versicherungsschutz ist, ob die Unterbrechung einer Verrichtung
dient, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
steht, oder ob sie für eine private Besorgung eingeschoben
wird, der Versichert also zu rein eigenwirtschaftlichen oder persönlichen
Zwecken anderweitig tätig wird (wie z.B. wenn er Lebensmittel
einkaufen geht o.ä.).
Erreicht der Arbeitnehmer nach einer Unterbrechung wieder den üblicherweise
für den Heimweg benutzten Verkehrsraum, endet die Unterbrechung
und der Versicherungsschutz beginnt erneut. Eine so genannte Unterbrechung
sollte den Zeitraum von bis zu zwei Stunden nicht überschreiten,
da sonst die Gefahr einer zeitlichen Zäsur besteht, die den
inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufheben
und so den Versicherungsschutz endgültig beenden kann.
Eine Unterbrechung tritt allerdings nicht schon dann ein, wenn
die eigenwirtschaftliche Tätigkeit im Vorbeigehen erledigt
wird, wie z.B. beim Zeitungskauf am Kiosk o.ä., wenn also die
private Besorgung nach natürlicher Betrachtungsweise nur zu
einer geringfügigen Unterbrechung des inneren Zusammenhangs
zum Arbeitsweg führt.
Die Frage, ob es sich um eine relevante Unterbrechung handelt oder
nicht, kann letztendlich jedoch nur im jeweiligen Einzelfall abschließend
beurteilt werden.
Ein Umweg liegt dann vor, wenn zwar die Zielpunkte des Arbeitsweges
beibehalten werden, die Wegstrecke jedoch erheblich verlängert
wird. Stellt der Umweg eine nur unbedeutende Verlängerung dar
und dient wesentliche zur Zurücklegung des eigentlichen Weges,
ohne dass für die Wahl des Umweges Gründe maßgebend
sind, die allein oder überwiegend dam privaten Lebensbereich
zuzuordnen sind, besteht Versicherungsschutz (so z.B. wenn der Umweg
wegen der besseren Wegstrecke gewählt wurde).
Im Falle eines Abwegs, wenn also zunächst die entgegengesetzte
Richtung gewählt und erst danach der Arbeitsweg angetreten
wird, setzt der Versicherungsschutz erst nach der Beendigung des
Abwegs ein.
Der Versicherungsschutz wird jedoch nicht unterbrochen, wenn von
dem unmittelbaren Weg abgewichen wird, weil ein im gemeinsamen Haushalt
lebendes Kind wegen der eigenen oder der Berufstätigkeit des
Ehegatten fremder Obhut anvertraut wird oder weil mit anderen Berufstätigen
oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug benutzt werden soll.
Eine Lösung vom Betrieb ist gegeben, wenn der Weg von dem
Ort der Tätigkeit vor Erreichen des eigentlichen Ziels (des
so genannten Grenzpunktes) durch längere private Tätigkeiten
unterbrochen wird. Der Versicherungsschutz endet in diesen Fällen
und lebt dann nicht wieder auf, wenn aus Dauer und Art der Unterbrechung
auf eine endgültige Lösung des Zusammenhangs zwischen
versicherter Tätigkeit und Ort der Tätigkeit geschlossen
werden kann.
3. Versicherungsschutz bei Fahrten zu Abstechern und/oder
zu Vorstellungen/Proben an anderen Orten
Spielt das Ensemble zum Beispiel im Rahmen eines Abstechers an
einem anderen Ort als dem üblichen Dienstort, so stellt sich
zunächst die Frage, ob der Weg zu diesem anderen Ort auch als
Arbeitsweg angesehen werden kann, für den auch Versicherungsschutz
besteht.
Der Arbeitsort ergibt sich grundsätzlich aus dem nach Treu
und Glauben auszulegenden Arbeitsvertrag, seinen Umständen
oder seiner Natur. In der Regel wird der Leistungsort der Betrieb
des Arbeitgebers sein, also das jeweilige Theater. Da Vorstellungen
oder Proben betrieblich bedingt auch an anderen Orten möglich
und zum Teil üblich oder sogar ausdrücklich vorgesehen
sind, werden diese Orte ebenfalls als Arbeitsort angesehen. Die
Wege zu diesen Orten sind demzufolge regelmäßig auch
vom Versicherungsschutz umfasst.
Dies sollte auch für Fahrten zu Abstecherorten oder zu Vorstellungen/Proben
an anderen Orten gelten, für die vom Theater ein Transportmittel
gestellt wird und für die das Theater von denjenigen, die ein
anderes Verkehrsmittel (eigener PKW oder z.B. Öffentliche Verkehrsmittel)
benutzen, eine Erklärung unterschreiben lässt, dass sie
auf eigene Gefahr anreisen. Da sich das Theater zumindest ganz grundsätzlich
damit einverstanden erklärt hat, dass der jeweilige Arbeitnehmer
selbst an den entsprechenden Ort gelangt – wenn auch „auf
eigene Gefahr“ –, wird dieser andere Ort zumindest als
legitimierter Arbeitsort anzusehen sein mit der Folge, dass der
Weg zu einem solche zumindest vom Versicherungsschutz der Berufsgenossenschaft
für die so genannten Wegeunfälle umfasst ist.
Abgesehen von der grundsätzlichen Frage der Wirksamkeit derartiger
Vereinbarungen ist darauf hinzuweisen, dass es im Einzelfall darauf
ankommt, was genau in der vom Arbeitgeber vorgegebenen Erklärung
steht und was die konkrete Klausel umfassen soll. Eine allgemeingültige
Aussage hierüber kann nicht gegeben werden, ohne den konkreten
Text der jeweiligen Klausel zu kennen.
Die grundsätzliche Frage des Versicherungsschutzes bezüglich
des Wegeunfalls und seiner direkten Folgen dürfte jedenfalls
in aller Regel unberührt bleiben, wenn es sich bei dem Zielort
um einen von der eigentlichen Arbeitsstätte abweichenden Spielort
handelt, der auf die Initiative des Arbeitgebers zurückzuführen
ist und offiziell durch den Arbeitgeber bespielt werden soll. Der
durch den Unfallträger abgedeckte Versicherungsschutz für
den Arbeitsweg dürfte (auch wenn vom Theater ein Transportmittel
gestellt wird) grundsätzlich nicht durch eine Erklärung
des Arbeitnehmers außer Kraft gesetzt werden, in der dieser
sich grundsätzlich damit einverstanden erklärt, auf eigene
Gefahr anzureisen.
Abgesehen von der Frage der Notwendigkeit und auch dem fraglichen
Nutzen solcher Erklärungen kann ganz allgemein jedoch von der
Unterzeichnung derartiger Klauseln ohne juristische Absicherung
nur abgeraten werden. (Schadlos dürften wohl Formulierungen
sein wie: „Der Arbeitnehmer erklärt, auf eigene Gefahr
zu dem Ort X zu fahren.“)
Allerdings bringt natürlich das Anreisen auf eigene Initiative
grundsätzlich immer ein erhöhtes Risiko mit sich. So wenn
z.B. die gesamte Durchführung einer Vorstellung durch den Ausfall
von Mitgliedern mit solistischen Aufgaben oder bei Fahrgemeinschaften
durch den Ausfall einer ganzen Stimmgruppe tangiert werden könnte.
(Insofern sollte diese Frage immer grundsätzlich wohl durchdacht
sein und zumindest im Falle von Fahrgemeinschaften – wie eigentlich
bei jeder Fahrgemeinschaft zu empfehlen – auch immer an einen
Haftungsausschluss des Fahrers gegenüber den Mitfahrern gedacht
werden.)
Abschließend sei noch erwähnt, dass natürlich
in derart gelagerten Fällen die grundsätzliche Haftung
des Arbeitnehmers nach den allgemeinen Regeln (wie z.B. auch bei
persönlich bedingtem Zuspätkommen o.ä.) bestehen
bleibt und bei entsprechendem Verschulden auch erhebliche Schadenersatzansprüche
nach sich ziehen kann – unerheblich ob Abstecher oder „normaler“
Dienstort.
Gerrit Wedel
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