Neue Wege für den Opernchor
Ein Interview mit dem neuen Chordirektor in Leipzig Sören
Eckhoff
Ab August 2005 ist der gebürtige Hamburger Sören Eckhoff
neuer Direktor des Chores der Oper Leipzig. Zu seinem Amtsantritt
sprach Thomas Heymann für „Oper & Tanz“ mit
Sören Eckhoff.
Oper & Tanz: Herr Eckhoff, nach Würzburg,
Ulm, Heidelberg und Augsburg sind Sie nun als Opernchordirektor
in Leipzig. An den oben genannten Theatern waren Sie, unter anderem,
auch schon in dieser Funktion tätig. Ihr Studium in Hamburg
schlossen Sie als Dirigent ab. Wie sehen Sie sich in der Funktion
als Opernchordirektor?
Sören Eckhoff: Ich bin am Theater, weil ich
es faszinierend finde, wie rund 300 bis 500 Menschen zusammen wirken,
um mit packenden Aufführungen das Publikum in den Bann zu ziehen
und zu begeistern. Als Chordirektor möchte ich jede einzelne
Sängerin und jeden einzelnen Sänger des Chorensembles
inspirieren und motivieren und ihnen verdeutlichen, wie wichtig
ihre/seine Leistung für das Gelingen des Gesamtkunstwerkes
ist. Gleichzeitig möchte ich durch gute Vorbereitung und intensiven
Kontakt zu allen Schaltstellen des Theaters dafür sorgen, dass
jeder in diesem Chorensemble seine beste Leistung in der Vorstellung
zeigen kann.
O&T: Warum sind Sie nach Leipzig gekommen?
Eckhoff: Seitdem ich Chordirektor bin, war es
mein Ziel, an einem großen Theater die Leitung des Chores
zu übernehmen. So habe ich mich sofort beworben, als ich hörte,
dass die renommierte Oper Leipzig einen ersten Chordirektor suche.
Die Offenheit und Leistungsbereitschaft, aber auch die große
Sympathie, die mir beim Vordirigat und in den Gesprächen danach
zuteil wurde, machten mir die Entscheidung sehr leicht. Die ersten
Wochen in Leipzig waren außerordentlich schöne Tage und
ich bin froh und glücklich, an diesem Theater und in dieser
traditionsreichen und trotzdem offenen Stadt wirken zu dürfen.
O&T: Mit dem Leipziger Opernchor übernehmen
Sie einen renommierten Opernchor Deutschlands. Welche Aufgaben und
Ziele haben Sie sich für Ihre Arbeit in Leipzig gesteckt?
Eckhoff: Es gibt drei Ansatzpunkte für mein
Musizieren mit dem Opernchor Leipzig.
1. Viele Sängerinnen und Sänger des Chores sind mit großer
Freude in den Konzerten, Aufführungen und in den Proben dabei.
Diese Freude ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt musizieren
zu können, und für mich die Antriebsfeder, warum ich am
Theater bin: die Freude am Leben und an der Musik. Diese Freude
möchte ich jeden Tag aufs Neue wecken.
2. In der Oper möchte ich dazu beitragen, dass jede Sängerin
und jeder Sänger seine musikalische (und damit verbundene gesamtkünstlerische)
Aufgabe und Verantwortung erkennt und ausfüllt und so dazu
beiträgt, das Werk zum Leben zu erwecken. Ich will nicht DEN
CHOR leiten, sondern 73 Künstler zu einem leistungsfähigen,
homogenen Ensemble formen.
3. Interessant am Opernchor Leipzig ist die Tatsache, dass dieses
Ensemble neben seinen Aufgaben auf der Bühne zu großen
Leistungen auch auf dem Konzertpodium fähig ist. Diese Stärke
zu vertiefen, ist für mich eine große Herausforderung.
O&T: Ein genanntes Ziel von Ihnen ist es,
den Opernchor in der Stadt, über das Opernhaus hinaus bekannt
zu machen. Warum ist dies für Sie so wichtig und wie wollen
Sie dieses Ziel erreichen?
Eckhoff: Heute wird es – auch aufgrund
der angespannten Haushaltslage vieler öffentlicher Haushalte
– immer wichtiger, auf sich aufmerksam zu machen. Denn nur
das, was ich bewusst wahrnehme, werde ich lieb gewinnen können.
Und etwas, was ich lieb gewonnen habe, möchte ich erhalten.
Ein Orchester – zumal wenn es sich um ein Orchester von Weltklasse
handelt wie im Falle des Gewandhausorchesters – hat neben
den Aufgaben in der Oper das Konzertpodium, um auf sich aufmerksam
zu machen und eine intensive Bindung zu seinem Publikum (und seinen
Gönnern) aufzubauen. Da hat es ein Opernchor schon sehr viel
schwerer. Ich glaube, dass wir neue Wege gehen sollten, um die Wahrnehmung
des Publikums zu aktivieren. Natürlich bleibt unsere erste
Aufgabe, mit besten Leistungen in der Oper aufzuwarten.
O&T: Riccardo Chailly beginnt, gleichzeitig
mit Ihrem Amtsantritt, seine Tätigkeit als Gewandhauskapellmeister
und Generalmusikdirektor der Oper Leipzig. Welche Impulse sehen
Sie darin für Ihre Arbeit und welche Chancen sehen Sie für
den Leipziger Opernchor?
Eckhoff: Die Antrittskonzerte von Riccardo Chailly,
den ich bewundere, weil er mit echter Begeisterung musiziert, haben
ein großes Interesse in Leipzig hervorgerufen. Es liegt jetzt
an uns, diesem neugierigen Publikum weiter zu verdeutlichen, wie
reich ein Leben mit Musik ist und dass jeder Euro für eine
Eintrittskarte gut investiert ist. Außerdem würde ich
mich natürlich freuen, wenn ein solches Medienereignis ähnliche
Auswirkungen hätte wie damals der erste Wimbledonsieg von Boris
Becker. Damals wollten auf einmal alle Jugendlichen Tennis spielen.
Ich will jetzt nicht, dass viele Jungs mit einem Taktstock in der
Hand durch die Straßen ziehen, würde mich aber freuen,
wenn mehr Jugendliche (und Junggebliebene) selbst musizieren, im
Chor singen und ein Instrument erlernen.
O&T: In Würzburg engagierten Sie sich
an der dortigen Musikhochschule als Dozent für die Ausbildung
des Sängernachwuchses. Wie würden Sie die momentane Lage
in diesem Bereich sehen und was könnte man noch an dieser Ausbildung
verbessern?
Eckhoff: Die Frage ist abendfüllend. Nur
soviel: Im professionellen Chorgesang haben wir große Nachwuchsprobleme
und es bedarf der Anstrengung und Zusammenarbeit aller, um qualitativ
hochwertigen Nachwuchs für die Zukunft auszubilden.
O&T: Vielen Dank für das Gespräch.
Porträt-Foto: Thomas Heymann
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