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Peter Raue und seinen Anwaltskollegen Gerold Meinel und Jan Hegemann
kann nur beigepflichtet werden, wenn sie in ihrem im Auftrag der
Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“
gefertigten, nicht weniger als 316 Seiten umfassenden Gutachten
zur „Struktur der deutschen Theater und Orchester“ einleitend
feststellen: „Die Förderung von Hochkultur, von Theatern,
Opern und Kulturorchestern (ebenso natürlich von Museen, Bibliotheken
und vergleichbaren Einrichtungen) ist originäre und zentrale
Aufgabe der öffentlichen Hand... Wo ein Gemeinwesen ein Theater
oder Orchester verliert, verliert es selbst Bindungskraft, geht
Erinnerung und geht Zukunft verloren.“ Doch weiter: „Die
staatliche Finanzierung der Hochkultur in der vielfältigen
Struktur der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft zu fordern,
heißt aber auch, die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
der öffentlichen Hand anzuerkennen... Wo Schulen verrotten,
Kindergärten geschlossen werden, Verkehrsinfrastrukturen vergammeln
und die Zahl derer, die auf finanzielle Überlebenshilfe des
Staates angewiesen sind, immer weiter steigt, da steht die Existenz
von Theatern, Opern und Orchestern jeden Tag erneut zur politischen
Debatte, oft: zur Disposition der Geldgeber.“
Keines Propheten bedarf es für die Vorhersage, dass auf Jahre
hinaus die öffentlichen Hände leer bleiben und sich nur
zu hilflosen Gesten verstehen werden. Die Folgen politischer Fehlleistungen
und wirtschaftlicher Einbrüche, über Jahre mit teilweise
abenteuerlichen Kreditaufnahmen kaschiert, schlagen in einer Vielzahl
von Fällen erst jetzt auf die Haushalte voll durch. Manche
Kommune weiß nicht mehr, mit welchen Sanierungskonzepten sie
der drohenden Zwangsverwaltung entgehen soll.
Da aber einerseits die deutschen Theater, Opern und Orchester sich
nicht „zur Disposition der Geldgeber“ stellen lassen
wollen, andererseits die bisher zum Erhalt der Kultureinrichtungen
eingesetzten Instrumentarien wie Angebotssteigerung, Personalabbau,
Fusionen und vor allem der Gehaltsverzicht der Beschäftigten
durch haustarifvertragliche Regelungen zum allmählichen Umschlag
in den Verlust der Qualität und damit der Existenzberechtigung
führen werden, stellt sich die historische Frage: Was tun?
Zwar ist es richtig, wenn im Raue-Gutachten gesagt wird, dass derjenige
sich lächerlich mache, der die existentiellen Probleme der
deutschen Kultureinrichtungen allein mit dem Ruf nach mehr Geld
beantworte, ebenso richtig ist es aber auch, dass in einem Land,
das parteienunisono „Bildung als wichtigste Volksressource“
deklariert, die Feststellung erlaubt sein muss, dass alle vergleichbaren
Staaten mehr in die Bildung investieren als die Bundesrepublik.
5,3 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts sind es gerade
mal; in den USA sind es 7,2 Prozent, in Schweden 6,9 Prozent, in
Frankreich 6,1 Prozent. Ästhetische Bildung durch Vermittlung
von Kunst ist unverzichtbarer Bestandteil jeglicher Kulturpolitik.
Doch der „Ruf nach mehr Geld“ allein wäre in der
Tat lächerlich. Das Raue-Gutachten ebenso wie ein entsprechendes
Gutachten des Deutschen Bühnenvereins enthalten eine Reihe
sinnvoller Anregungen für den Gesetzgeber, sich kunstfreundlicher
zu verhalten, beginnend bei der Entbürokratisierung, noch lange
nicht endend beim Steuerrecht. Zu wünschen ist daher, dass
die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ in der
neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ihre Arbeit abschließen
kann, um konkrete, auch von den Betroffenen nachprüfbare Handlungsempfehlungen
statt nur mehr oder minder kluge Analysen zu hinterlassen.
Sehr viel könnten die Theater, Opern und Orchester kostenmindernd
auch selbst tun. Wenn die kooperierenden Kultureigenbetriebe einer
Stadt so viele künstlerische Betriebsbüros unterhalten,
die obendrein mit nicht kompatiblen Rechnerprogrammen ausgestattet
sind, dass im Ergebnis das Ballett oder das Orchester exakt dann
irgendwo gastiert, wenn es im Opernhaus benötigt wird, so dass
teure Aushilfen engagiert werden müssen, beweist das ein Fehlen
jeglichen Organisations-Controllings. Ein Beispiel nur für
unzählige andere.
An der hehren Kunstfreiheits-Gloriole der Theaterleitungen, vielleicht
auch an ihren historischen Wurzeln im Feudalismus mag es liegen,
dass innerbetriebliche Kommunikation im Theater oft als unziemliche
Mitbestimmungsforderung angesehen wird. Als der Präsident der
US-amerikanischen Piloten-Gewerkschaft „Allied Pilots Association“,
Ralph Hunter, unlängst gefragt wurde, warum von den fünf
großen US-Airlines nur „American“ und „Continental“
nicht insolvent seien, antwortete er, dies läge am dort „deutlich
kooperativeren Verhältnis von Belegschaft und Management“.
Ein Lichtblick in finsteren Zeiten: Andreas Homoki, Intendant der
Komischen Oper Berlin, hat einen monatlichen Stammtisch für
sein Ensemble eingerichtet.
Ihr Stefan Meuschel
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