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Expansion und Diversifizierung
Veränderungen im Musical-Geschäft · Von Christoph
Forsthoff
Nein, übers Geschäft sprechen Joop van den Ende und
Maik Klokow nicht gern. Viel lieber reden der niederländische
Musical-König und sein deutscher Statthalter vom lebendigen
Musik-Theater, von ihrer „Leidenschaft als Entertainer“
und ihrem Ziel, „das Publikum zu begeistern“. Oder beschwören
das „Zusammenspiel von Individualisten und Verrückten“
und nächtelange Diskussionen über neue Stücke.
Und doch ist es eben das Geschäft, das gerade neu ausgerichtet
wird. So ist im August aus der Stage Holding die Stage Entertainment
geworden, mit dem Ziel, so Deutschland-Geschäftsführer
Klokow, das eigene Produkt-Portfolio „noch mehr von Musicals
in Richtung anderer Bereiche des Entertainments“ auszuweiten.
„Diversifizierte Wachstumsstrategie“ lautet das entsprechende
ökonomische Zauberwort, und dahinter verbergen sich Theater-
und Tanzproduktionen, Eis-Shows wie „Holiday on Ice“,
ein eigenes Ticket-Vertriebssystem, das erst jüngst mit dem
Kauf des Systems Ticket Online erheblich verstärkt wurde, aber
auch Rockkonzerte, Comedy und Varieté.
Neue Genres
Die Zeiten, als Produktionen wie „Cats“ in Hamburg
über 17 Jahre das Operettenhaus und die Kassen seiner Macher
füllten, sind passé. Stattdessen zielt die Stage künftig
über ihre Mega-Musicals hinaus auf andere Genres und in kleinere
Spielstätten: So laufen etwa in Berlin inzwischen nicht nur
die Multi-Media-Performance der Blue Men Group, sondern im Schlossparktheater
seit einem Jahr auch Operette, Off-Broadway-Musical und Kinderstücke.
Und bevor Klokow Ende des Jahres in das „Board of Directors“
in der Amsterdamer Konzernzentrale wechselt, plant er als letzten
Coup seiner Deutschland-Tätigkeit einen Doppelschlag in Hamburg:
Zum einen eröffnet im legendären Café Keese auf
der Reeperbahn im Januar ein Ableger von Thomas Hermanns erfolgreichem
„Quatsch Comedy Club“ (QCC) aus dem Berliner Friedrichsstadtpalast
– eine Neuorientierung, die bereits andere Kiez-Bühnen
mit ähnlichem Programm aufschrecken ließ. Und die doch
nur der Anfang der Expansionsgelüste der Stage Entertainment
ist, denn Klokow liebäugelt schon mit weiteren deutschen QCC-Ablegern:
„Wir haben da ein paar Lieblingsstädte im Visier.“
Zum anderen heißt es schon bald am Firmensitz in der Speicherstadt
„Vorhang auf“ für das Varieté-Theater „Kehrwieder“:
Noch werden dort die unteren Geschosse für zwei Millionen Euro
umgebaut, doch bereits ab dem 10. November soll hier allabendlich
für 320 Besucher „die große Kunst des Kleinen“
(Klokow) präsentiert, Akrobatik, Artistik und Comedy von Moderatoren
aus der Kabarett-Szene in zweimonatig wechselnden Programmen zu
zeitgemäßer Unterhaltung verbunden werden.
Neue Strategie
Loftcharakter statt Plüsch versprechen die Stage-Macher dabei
für ihr Varieté, einen Spagat zwischen „legendärer
Tradition“ und modernen Dance-Acts. Titel der Auftakt-Show:
„Forever jung“ – ein Motto, das auch über
dem Geschäfts-Programm der Stage stehen könnte. Denn Klokow
und seine Mitstreiter haben aus den Fehlern und der Pleite des einstigen
deutschen Musical-Marktführers Stella gelernt: So hat die Stage
von Anfang an auf kürzere Laufzeiten – zwei bis maximal
vier Jahre – der einzelnen Produktionen gesetzt und kann dank
mehr als 70 weltweiter Lizenzen ihre Musicals durch ihre zehn deutschen
Theater rotieren lassen. Während etwa in Essen, wo gerade Elton
Johns „Aida“ ihr Zepter niedergelegt hat, ab Oktober
das „Phantom der Oper“ im Colosseum Theater spukt, bitten
in Hamburg derzeit die „Vampire“ zum Abschieds-Tanz.
In der dortigen Neuen Flora fällt am 15. Januar der letzte
Vorhang für die Blutsauger – und das wohl auch, weil
die rockende Verwandtschaft des Grafen Dracula den Besuchern nicht
wie erhofft das Geld aus den Taschen saugen konnte. Zwar spricht
Klokow von einem „sehr soliden Erfolg“, den bis zum
Ende mehr als 1,2 Millionen Besucher gesehen haben werden, doch
„schwarze Zahlen“ habe die Hamburger „Vampire“-Produktion
nicht geschrieben.
Neue Spielstätten
Andere Risiken sind da offenbar kalkulierbarer: Sei es nun die
Investition in neue Spielstätten wie in Oberhausen, wo jüngst
das Theatro Centro für fünf Millionen Euro übernommen
wurde, damit nach einem acht Millionen Euro teuren Umbau ab dem
18. Dezember „Die Schöne und das Biest“ das Publikum
zu Tränen rühren können; oder in München, wo
noch über den Verkauf und Umbau des ehemaligen Radstadions
in ein Musical-Theater mit 1.900 Plätzen (Gesamtinvestitionen:
50 Millionen Euro) verhandelt wird. Und eben der Ausbau der Unternehmensaktivitäten
hin zum breit aufgestellten Entertainment-Konzern. Schließlich
hat sich das Wachstum der Stage im abgelaufenen Geschäftsjahr
bei einem Gesamtumsatz von 318 Millionen Euro deutlich verlangsamt
– und allein mit „Leidenschaft“ lassen sich die
deutschen Spielstätten mit ihren 2.450 Mitarbeitern nun mal
nicht finanzieren. Geschweige denn jene kolportierte Unternehmens-Rendite
von fünf Prozent erzielen.
Christoph Forsthoff
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