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Berichte


Von Macht und Kapital

Der „Troubadour“ bei den Bregenzer Festspielen · Von Stefan Rimek

Die Dienerschaft wacht in blaue Overalls gekleidet und mit Maschinenpistolen bewaffnet über das Schloss bis Graf Luna eintrifft. Das Schloss ist eine Ölraffinerie und Graf Luna ist der Ölpatriarch. Vor Macht und Kapital strotzend, erhebt sich die 33 Meter breite und in ihren Schornsteinen bis zu 27 Meter hohe Stahlkonstruktion der Raffinerie, die über zahlreiche Treppen und begehbare Stege verfügt, über die Wasserlinie. Zusammen mit dem 48 Meter langen, schwefelgelb gestrichenen und mit zum Teil brennenden alten Ölfässern ausgestatteten künstlichen Strand, bildet das Ganze die gigantische Kulisse für Robert Carsens Inszenierung von Giuseppe Verdis „Troubadour“ auf der Seebühne der diesjährigen Bregenzer Festspiele.

 
Die gigantische Seebühne von Südosten gesehen. Über die Ölraffinerie gebietet Graf Luna (Zeljko Lucic). Foto: Bernd Hofmeister
 

Die gigantische Seebühne von Südosten gesehen. Über die Ölraffinerie gebietet Graf Luna (Zeljko Lucic). Foto: Bernd Hofmeister

 

Hier ist Carsen und dem Bühnenbildner Paul Steinberg im Rahmen einer modernen Inszenierung ein echtes Meisterwerk gelungen, das den Spagat zwischen einer kreativen und fesselnden zeitgenössischen Umsetzung einerseits und dem Gerechtwerden der Seele eines Werks andererseits auf fulminante Weise über die Bühne bringt. So fahren Ines und Leonore mit einer schwarzen Mercedes-Limousine aus den 70er-Jahren vor, so reist der Conte schon mal im schnellen Sportboot an und Manrico mit Leonore in selbigem mit Karacho ab. Aus den Kaminen lodern an besonders dramatischen Stellen die Abbrennfeuer der Raffinerie auf und zum tragischen Schluss hat man fast den Eindruck, die Bühne würde explodieren, so zahlreich sind die Flammen, die nun auch aus den alten Ölfässern am Strand in den Nachthimmel emporschießen.

Auch der Kontrast zwischen dem kloakenartigen und von Umweltgiften verseuchten Strand der armselig gekleideten Zigeuner und der sich machtbesessen darüber erhebenden Ölburg mit ihren in Abendkleidern und feinem Zwirn (Kostüme von Miruna Boruzescu) agierenden Kapitalisten, trifft eine Zeitlosigkeit, die gerade in unseren Tagen leider wieder immer mehr an Aktualität gewinnt. Texas und die Amerikaner lassen grüßen. Aber auch die Romantik des Werks kommt unter anderem in den Duetten nicht zuletzt durch die ergreifend stimmungsvolle Beleuchtung von Patrick Woodroffe beeindruckend zum Tragen. Es ist kaum zu glauben, was so eine komplexe Stahlkonstruktion unter verschiedenen Beleuchtungswinkeln und Lichtfarben für einen Charme entwickeln kann. Wenn Manrico und Leonore im sechsten Bild des dritten Aktes nur durch einen Spot beleuchtet, hoch oben auf einer Plattform um einen Kamin ihr Liebesduett singen und der dampfende riesige Stahlkoloss schlafend im fahlblauen Licht liegt, dann kann sich das Publikum echter Ergriffenheit kaum entziehen.

Von den durchwegs auf sehr hohem Niveau agierenden Bühnenakteuren konnten am Premierenabend vor allem Sondra Radvanovsky als Leonore und Larissa Diadkova in der Rolle der Zigeunerin Azucena außerordentlich beeindrucken. Sie meisterten ihre Koloraturen bravourös und entwickelten ein tiefes Gespür für die dynamischen Verästelungen und die Charaktere ihrer Rollen. Aber auch Zeljko Lucic als Conte, Clive Bayley als Ferrando, Deanne Meek als Ines, André Post als Ruiz und Alfredo Portilla in der Rolle des Manrico trugen zum großen Erfolg des Premiereabends bei, wenngleich letzterer in manchen höheren Passagen etwas heiser wirkte. Die Wiener Symphoniker, der Kammerchor Moskau und der Bregenzer Festspielchor bildeten unter der musikalischen Gesamtleitung von Fabio Luisi eine homogene Einheit und setzten die Partitur in einer Art und Weise um, die kaum noch steigerungsfähig ist.

Der Applaus der über sechstausend Besucher im vollbesetzten Rund fiel für alle Beteiligten intensiv und anhaltend aus. Und das völlig zurecht, denn die fesselnde Produktion bot Niveau in jeder Hinsicht.

Stefan Rimek

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