Kulturpolitik
Ein kulturelles MacPom?
Theaterpolitik in Mecklenburg-Vorpommern
Die schlechten Nachrichten überstürzen sich: Die Betriebszuschüsse
für das Volkstheater Rostock sollen drastisch gekürzt
werden; Intendant Michael Winrich Schlicht beendet seinen Vertrag
zum Ende der Spielzeit 2001/02 und weist als Konsequenz der reduzierten
Betriebsmittel zwei Schließtage pro Woche auf dem Spielplan
aus. Das Theater Vorpommern (Greifswald/Stralsund) kündigt
vorsorglich am 31. Januar 2001 acht Orchestermusiker, weil kostensenkende
Haustarifverträge bis zu diesem Termin nicht zustande gekommen
waren obschon deren Notwendigkeit seit Herbst 2000 allen
Beteiligten bekannt war. Wen wundert es, dass die Orchestervereinigung
sich jetzt mehr auf Kündigungsschutz als auf Haustarifverträge
konzentriert?
Kündigungsschutzprozesse muss sie auch in Schwerin führen.
Dort scheiterten die Verhandlungen über einen Haustarifvertrag
an zunächst unerfüllbaren Forderungen der Gewerkschaft
ÖTV. Jetzt stehen 57 Stellen im fälschlich Staatstheater
Schwerin genannten Haus zur Disposition, darunter sechs im Opernchor
und 22 in der Mecklenburgischen Staatskapelle. Ohne Haustarifvertrag
und ohne Zustimmung der Beschäftigten wird auch die von der
Landeshauptstadt Schwerin betriebene Umwandlung des bisherigen städtischen
Eigenbetriebes in eine GmbH nicht funktionieren. Für den Fall
eines Widerspruchs der Mitglieder der Staatskapelle gegen die Überleitung
in die GmbH hat Jochen Rößler, der städtische Finanzdezernent,
die Kündigung aller Musiker angedroht.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat sich dem Freistaat Thüringen
vergleichbar mit Bedacht davor gehütet, für auch
nur eines seiner Theater oder Kulturorchester die Trägerschaft
zu übernehmen. Es stellt zwar mit rund 70 Millionen Mark weit
höhere Betriebszuschüsse für seine Theater und Orchester
jährlich zur Verfügung als die Kommunen zusammen, überlässt
denen aber die Verantwortung. Und die fühlen sich, belastet
von Bevölkerungsabwanderung und Arbeitslosigkeit, von Steuerausfällen
und Steuerreform überfordert.
Um nicht den Eindruck zu bestätigen, in Mecklenburg-Vorpommern
werde die Kulturpolitik von den Gesetzen der Chaos-Theorie gesteuert,
hatte das Land bereits im Frühjahr 2000 eine Projektgruppe
zur Neuordnung der Theater- und Orchesterstruktur eingesetzt,
die auf der einen Seite zu dem Vorschlag gelangte, in den vier Landesregionen
(Schwerin/Westpommern, Rostock, Greifswald-Stralsund/Vorpommern
und Neubrandenburg/Neustrelitz) sollte künftig jede Theatersparte
nur einmal vertreten sein, andererseits forderte, die Theater sollten
ihre Einnahmen, die Kommunen ihre Betriebszuschüsse steigern.
Zwei nicht sonderlich aussichtsreiche Forderungen, die obendrein
außer Acht ließen, dass die Theater im Zuge von zwei
Fusionen (Greifswald und Stralsund, Neustrelitz und Kammertheater
sowie Philharmonie Neubrandenburg) und anderen Maßnahmen in
den letzten Jahren rund 800 Stellen bereits abgebaut hatten. Ein
kluger Kommentar hierzu besagt, dass die angebliche Neuordnung in
Wirklichkeit nichts anderes als ein Schrumpfungsprozess
sei, der zur Handlungsunfähigkeit der Bühnen und zur weiteren
Auszehrung der künstlerischen Arbeitsgrundlagen führe.
Dieser kluge Kommentar ist einem Gutachten entnommen, das Mecklenburg-Vorpommerns
Kulturminister, Peter Kauffold, im Sommer 2000 bei der Theaterexpertin
Cornelia Dümcke (Beraterfirma Culture Concepts, Berlin) in
Auftrag gegeben hatte und das nun in der letzten Januarwoche vorgestellt
wurde.
Es sagt im Wortlaut: Die landespolitische Aufgabe zur Umsetzung
von Strukturveränderungen (...) wurde bisher auf eine begleitende,
moderierende Position reduziert. Diese Position reiche offensichtlich
nicht aus.
Unverblümt stellt das Gutachten fest, dass ohne Aufhebung
der auch die Tarifentwicklungen nicht berücksichtigenden
Deckelungsgrenzen der Landeszuschüsse spätestens
ab dem Jahr 2004 und ohne eine Reihe weiterer Maßnahmen der
Vier-Regionen-Strukturplan nicht tragfähig sei. Auf die Folgen
einer dann absehbaren weiteren Reduzierung des theater- und musikkulturellen
Angebots für Mecklenburg-Vorpommerns Standort- und Tourismuspolitik
macht die Expertise nachdrücklich aufmerksam.
Mit der Vorstellung des der Redaktion vorliegenden
Gutachtens Cornelia Dümckes ist jetzt wenigstens eines nicht
mehr bestreitbar: Nach erfolgtem Abbau eines Drittels ihrer Beschäftigten
haben die Theater Mecklenburg-Vorpommerns den Punkt erreicht, da
Verlust der Quantität in Verlust der Qualität umzuschlagen
droht. Liegt die Trägerschaft der vier Dreisparten-Theater
auch nicht beim Land, so doch die kultur- und strukturpolitische
Verantwortung.
Die Schaffung von Rahmenbedingungen gehört zu den wesentlichen
Aufgaben von Landes(kultur-)politik in Mecklenburg-Vorpommern, sowohl
für die Kultur im Allgemeinen als auch für die Theater-
und Musikkultur des Landes und die sie wesentlich mitgestaltenden
Einrichtungen, schreibt das Gutachten der Landesregierung
ins Stammbuch.
Stefan
Meuschel
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