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Ausgabe 2001/01

Editorial

Götz Friedrich
Laudatio Harry Kupfer
Dankesrede Götz Friedrich
Pressemitteilung der Deutschen Oper
Oper als großes Menschentheater

Kulturpolitik
Ein kulurelles MacPomm?
Karlsruhe: Pierre Wyss neuer Ballettchef

Portrait
Kiel als Musikstadt

Berichte
Zwei mal „Boris Godunow“
„Pelleas et Melisande“ in Leipzig

Alles, was Recht ist
Konzert-Rechtssprechung
Gesetz über Teilzeitarbeit
Irreführende Berichterstattung
Ungerechte Entfernungspauschale
Betriebsverfassungsgesetz novellieren

Rezensionen
Rettich: Zwischen Kunst und Politik
Neue Opereinspielungen

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Buch Aktuell

Mir brauchet koi Krombiere, mir brauchet Konscht

Hannes Rettich: Mittler zwischen Sparzwängen und Kultur

   

Hannes Rettich: Zwischen Kunst und Politik. Erinnerungen eines musischen Bürokraten. Hohenheim-Verlag, Stuttgart/Leipzig 2000, 260 S., 39,80 Mark.

Hannes Rettich zitiert in seinen „Erinnerungen eines musischen Bürokraten“ diesen schwäbischen Ausspruch gleich zweimal. Er stammt von einem Württemberger Abgeordneten, fiel im Jahr 1827 und lautet im Original natürlich anders: Wir brauchen keine Kunst (Konscht), wir brauchen Sozialleistungen (Krombiere). Der wackere Mann hatte schon damals formuliert, was manch deutscher Kulturpolitiker, so Brandenburgs damaliger Minister für Kultur, Steffen Reiche, im März 1999 viel brutaler und obendrein auf hochdeutsch aussprach: „Sollen wir weitere Kindertagesstätten schließen, um das Theater in Potsdam erhalten zu können?“

In diesem Zielkonflikt hat Hannes Rettich, der promovierte Theaterwissenschaftler und Jurist, sich selbst als Dolmetscher verstanden: „Ich habe mich bemüht, den Künstlern die Zwänge der Politik zu erklären, und den Politikern wollte ich die Mentalität der Künstler verständlich machen... Politik sucht nach Mehrheiten, die Kunst nach Qualität. Das Meiste ist jedoch nicht immer das Beste.“

Von 1961 bis 1990 war Rettich an maßgeblichen Stellen für die Landeskultur in Baden-Württemberg zuständig, zuletzt als Kunstkoordinator im Staatsministerium. Mit dem Rücktritt Lothar Späths versandete die von Rettich erarbeitete Kunstkonzeption für Baden-Württemberg, kam das geplante eigenständige Kunstministerium nicht mehr zustande, wurde die in Stuttgart konzipierte Theaterakademie von August Everding in München verwirklicht. Hannes Rettich zog sich auf eine Professur für Kulturmanagement in Ludwigsburg zurück. Es blieb ihm erspart, aktiv miterleben zu müssen, wie die Kulturpolitik in die Mühlen der Rechtfertigungs- und Sparzwänge der Finanzpolitik geriet.

Sein Erinnerungsbuch ist eine Mischung aus Autobiografie und belehrendem Geschäftsbericht über vorbildliche Kulturverwaltung. Eine Jugend im Krieg, das Münchener Nachkriegs-Kabarett, das Erlanger Studenten-Theater, Aufstieg und Untergang der Hochschule für Gestaltung in Ulm und deren Usurpation durch die von Alexander Kluge und Edgar Reitz betriebene Filmabteilung lässt Rettich Revue passieren, um dann höchst informativ die große Zeit Stuttgarter Kulturpolitik unter den Ministern Storz, Hahn, Engler und zuletzt unter Späths Staatsrat Wolfgang Gönnenwein zu schildern. Dessen strafrechtlich verfolgte Etatüberschreitung sowie andere spektakuläre Begebenheiten werden ebenso sensibel wie amüsierend dargestellt: Der Kauf einer Stradivari-Violine für die junge Anne-Sophie Mutter, die Berufung John Crankos, die Parteienwirtschaft im Rundfunkrat des SDR oder der Rausschmiss Claus Peymanns wegen angeblichen RAF-Sympathiesantentums.
Bei Rettichs Darstellung zurückliegender Erlebnisse fällt oberflächliche Lektorierung auf, so, wenn die Schauspielerin Giehse durchgehend ohne „h“, Geisel-gasteig mit Bindestrich geschrieben wird, oder wenn biografische Daten wie bei Hans Schweikart oder Ernst Seiltgen nicht stimmen. Aber das tut dem Werk keinen Abbruch. Lothar Späths Abschiedskompliment für Rettich, er sei der einzige Beamte gewesen, der sich eine eigene Landesregierung gehalten habe, könnte ergänzt werden: und der ihr beigebracht hat, wie Kulturförderung und Kulturverwaltung gestaltet werden können.

Stefan Meuschel

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